Ursprünglich war Cailleach eine keltische und schottische Göttin des Todes, des Krieges, der Zerstörung, Vernichtung, des Winters und der weiblichen Souveränität. Ihre Faszination und ihre Macht waren aber so groß, dass sie zur Großen Göttin der britischen Inseln, zur kosmischen Göttin von Erde, Himmel, Mond und Sonne wurde.

Weibliche Souveränität

Cailleach1

Ursprünglich war Cailleach eine keltische und schottische Göttin des Todes, des Krieges, der Zerstörung, Vernichtung, des Winters und der weiblichen Souveränität. Ihre Faszination und ihre Macht waren aber so groß, dass sie zur Großen Göttin der britischen Inseln, zur kosmischen Göttin von Erde, Himmel, Mond und Sonne wurde.

Es wurde eine ganze Gruppe gälischer weiblicher Sagengestalten aus Schottland, dem Walisischen, aus Irland und der Isle of Man mit dem Namen Cailleach bezeichnet. Diese Cailleachs wurden als hexenartige Riesinnen wahrgenommen und beschrieben und werden zumeist mit dem Wetter in Verbindung gebracht. Einige Cailleachs gelten als Verkörperung des Winters, andere sind Verursacherinnen von Stürmen, Beschützerinnen der Tiere oder Schöpferinnen bestimmter Seen, Flüsse, Berge oder Inseln.

Verhüllt vor dem menschlichen Blick

Sie ist eine Zauberin und Gestaltwandlerin. So kann sie die Gestalt eines Hasen, eines Reihers, einer Möwe oder einer Katze annehmen. In der Legende von „Morc Na Maighe“ begegnen wir ihr sogar als Stute. Dort ist sie Morc, von der es heißt, sie sei schnell wie das Licht und wie der giftige Winterwind.

Es wird vermutet, dass sich auf die Cailleach-Gestalten Züge älterer keltischer lokal- und Erdgöttinnen übertragen haben. Cailleach bedeutet im modernen Gälisch „alte Frau“, doch im ursprünglichen Sinne leitet sich das Wort von „caille, veil, veiled one“ ab, was soviel wie die „Unsichtbare“, „Scheues Glück“ oder auch „die Verschleierte“ bedeutet. Dies bezieht sich offenbar auf das Erscheinungsbild der Göttin als Zukunft, Schicksal und Tod — immer verhüllt vor dem menschlichen Blick.

Deshalb kann kein Mensch die Art und Weise seines eigenen Todes wissen. Ihr Name wird ungefähr wie „Käjach“ ausgesprochen und klingt — korrekt ausgesprochen — wie ein Räuspern. Sie ist der Inbegriff der alten Frau, die sich nicht mehr um Konventionen schert, eigensinnig ist, niemandem mehr zum Gefallen sein will und ihr eigenes Süppchen kocht. Sie ist eine dieser „Weisen Alten“, von der man – wenn man mit ihr in Kontakt tritt oder sie gar um Rat fragt – entweder keifend weg gescheucht oder freundlich zu Kaffee und Kuchen und den besten und brauchbarsten Lebensweisheiten eingeladen wird. Ganz wie es ihr passt.

Ein Auge inmitten eines blauschwarzen Gesichts

Cailleach wird üblicher Weise sehr hässlich dargestellt: Sie hat nur ein Auge inmitten eines blauschwarzen Gesichts, das mit übermenschlicher Leidenschaftlichkeit funkelt, einen einzigen roten Zahn und weiße, verfilzte Haare, die wie das mit Raureif bedeckte Gestrüpp eines sterbenden Waldes aussehen.

Sie trägt ein graues Kleid und ein verblichenes Kopftuch. Damit stellt sie einen weiblichen Archetyp dar, mit dem sich auch viele Frauen schwer tun. Dennoch hat diese Göttin auch eine ganz andere Seite.

Trotz ihrer Hässlichkeit kann sie immer wieder jugendliche Liebhaber für sich gewinnen, denn sie hat einen unstillbaren sexuellen Appetit. Damit ist sie ein erfrischendes uraltes und gerade wieder sehr aktuelles Vorbild für all jene Frauen, die ihre sexuelle Kraft bis ins hohe Alter bewahren konnten und ausleben wollen.

Offenbar hat Cailleach einen Zauber, mit dem sie — wenn sie will — ihre Jugend und ihre frische und sinnliche Energie ewig erneuern kann. Ansonsten ist sie mit der Gestalt der „alten Hexe“ sehr zufrieden, was für den Normalalltag sehr entspannend und auch hilfreich sein kann. Damit ist sie die Göttin für all jene Frauen, die sich — wenn sie daheim in den Spiegel schauen — alt, hässlich und ganz und gar unattraktiv vorkommen. Dieselben Frauen, die es — oft sogar zu ihrem eigenen Erstaunen – zuwege bringen, der Außenwelt strahlend, jugendlich und wunderschön entgegenzutreten.

Das hat im Übrigen nichts mit Schönheitsoperationen und Botox-Spritzen zu tun, sondern mit dem Zauber der Verwandlung, den jede Frau in sich hat. Von Cailleach selbst sagt man, dass alle Männer, die sie liebte — und das ist offenbar eine sehr große Zahl – an Altersschwäche starben, während sie nach jedem Abenteuer die Blüte ihrer Jugend zurück gewinnt und sich einen neuen hübschen, jungen Liebhaber sucht. Aus diesen Verbindungen sollen auch unzählige Kinder, ganze Völker hervorgegangen sein. Damit ist Cailleach auch eine große Schöpfungsgöttin.

Felsbrocken in ihrer Schürze

Aber nicht nur was Schönheit, sondern auch was Stärke anlangt, ist Cailleach unglaublich. Sie nimmt auf ihrem Bauernhof auch immer Männer als Landarbeiter für jeweils sechs Monate in ihren Dienst. Dies mit der Auflage, dass keiner bezahlt würde, der nicht besser und schneller als sie arbeitet. Natürlich fallen alle Männer auf diese Täuschung herein, wenn sie dieses alte, verhutzelte Weibchen sehen.

Viele starben an Erschöpfung, wenn sie mit der Kraft und dem Arbeitstempo der Göttin mithalten wollten. Sie ist so stark, dass sie Felsbrocken in ihrer Schürze tragen kann. Wenn sie diese fallen lässt, entstehen daraus Gebirge. Viele Felsformationen sind auch nach ihr benannt. Diese Berge (und Höhlen/Grotten) gelten als das Werk der Urmutter selbst, die deshalb auch als „Bergmutter“ angesprochen wird. Der Göttin Cailleach verdankt Schottland auch seinen alten Namen Kaledonien.

Bergspitzen als Brüste der Erdgöttin

Oft wird Cailleach direkt als die alte Erde angesehen. Die flechtenbedeckten Felsen sind ihr Kopf, die Bergspitzen ihre Brüste und durch ihre oft Vulva-förmigen Höhleneingänge gelangt man direkt in den Bauch der Erdgöttin Cailleach. Dieser wurde auch als Platz für die keltische „Anderswelt“ angesehen. Dem Glauben nach kehren die Seelen der Toten in diesen Urschoß zurück.

Mit zunehmender Christianisierung wurden aus diesen Seelen der Verstorbenen die „Zwerge“ der Sagen und Märchen, die in den Bergen leben. Die Gipfel und Höhenrücken unserer Bergwelt waren ursprünglich Sitze der keltischen Göttinnen und ihrer Heroen, bevor diese „Kraftlackeln“ zu den späteren oft einfältigen, bösen oder gewalttätigen „Riesen“ oder „Riesenfrauen“ der Sagen herabgewürdigt wurden.  (Siehe auch Frau Hitt, die als alte Tiroler Berggöttin, der Cailleach sehr ähnelt und auch als böse Riesin in Sagen und Mythen dargestellt wird.)

Darin besteht aber auch der eigentliche Grund, warum – relativ spät – die heimischen Bergspitzen mit beschwörenden Gipfelkreuzen in „christlichem“ Sinne umfunktioniert worden sind.

Macht über das Wetter und die Jahreszeiten

Die „Regentschaft“ von Cailleach beginnt zu Samhain (in der Nacht von 31. Oktober auf 1. November). Damit ist sie der dunkle, karge, zerstörerische Winteraspekt der Großen Göttin. Die Göttin Modron legt zu diesem Zeitpunkt ihre Zauberrute unter einen Holunderbusch, wäscht sich in einem Becken und wird zur Cailleach. Diese ist dann die Gebieterin der dunklen Monate.

Sie beendet ihre Regentschaft, indem sie selbst die Schlange weckt, die einerseits das Symbol für Zerfall wie auch für den Erdgeist und die Naturkräfte des Wachstums und für Erneuerung steht. Diese Schlange beendet im Februar, spätestens im März den Winter. Cailleach legt dann wiederum die Zauberrute unter einen Hollerstrauch und verwandelt sich in einen Stein.

Die Göttin Brigid nimmt den Stab auf und es wird mit den ersten Schneeglöckchen Frühling. Cailleach ist damit ein Aspekt der dreifachen Göttin, die den Zyklus allen Seins widerspiegeln: Den der Zerstörung, jenen der Erneuerung sowie den des Wachstums bzw. der Reife.

Hexenbesen als Zepter der Kraft

Die Zauberrute mit dem Namen slachdan, gibt der dreifachen Cailleach die Macht über das Wetter, damit dirigiert sie die Jahreszeiten und die Elemente. Diese Zauberrute ist wahrscheinlich auch das Vorbild für den Hexenbesen, der ja nicht ein eigenartiges Instrument ist, mit denen Frauen durch die Lüfte fliegen, wie es in patriarchal-inquisitorischen Vorstellungen geschieht.

Er stellt die Verbindung der magisch begabten Frauen zu den Bäumen und Pflanzen dar, ist ein Zepter der Kraft, ein Redestab, ein gutes Wurfgerät, um Gefahr zu vertreiben, ein sehr brauchbares Werkzeug um rituell Altes aus dem Haus zu kehren. Und der Hexenbesen kann von einer Frau zur anderen weitergegeben werden — wie es auch die Göttinnen Cailleach, Modron und Brigid tun.

Diejenige, die gerade quasi „im Dienst“ ist, stellt ihn als Zeichen dafür vor ihre Haustüre. Damit haben alle anderen Frauen ihre Ruhe. Wenn Frauen also an fremde Orte kommen und ein Quartier brauchen, wenn Nachbarinnen Hilfe brauchen, dann wissen sie, dass diejenige, vor deren Haus der Besen steht sozusagen gerade „on duty“ ist.

Cailleach trägt oft auch den Beinamen Beur. Das heißt scharf oder schneidend, aber auch Stein oder Felsen, wohl ein Hinweis auf den alten Mythos, nachdem die Cailleach als Riesin von Berg zu Berg springt, ihre Zauberrute schwingt und so den Frost über das Land schickt. Sie ist die Gebieterin über die Winde des Faoilleach, des Wolfsmonats (Januar/Februar) und des Gearran (Februar/März).

Auf den Hebriden, wo Januar und Februar die frostigsten Monate mit den eisigsten Winden sind, gibt man den Stürmen der Cailleach nicht umsonst Namen wie gobag, biter, sguabag oder sweeper, was immer etwas mit beißend, scharf oder schneidend zu tun hat.

Hüterin der essentiellen Lebenskraft

Von Cailleach wird gesagt, dass sie Krankheit und Seuche bringt. Auf jeden Fall steht sie für das Alte und Absterbende, sie tötet das, was nicht mehr gebraucht wird. Damit schafft sie aber wiederum Raum für neues Leben und Wiedergeburt. Daher war und ist es immer noch zu Ernte-Dank, der Herbsttagundnachtgleiche Brauch, die letzte Garbe zu einer Puppe zu binden und sie nach ihr zu benennen. Diese Puppe wird auch Kornhexe des Winters genannt.

Der Mann, der sie schneidet, muss ihr einen Platz im Haus geben und hat sie den ganzen Winter zu „versorgen“. In manchen Gegenden wurde diese Puppe sogar feierlich in die Kirche gebracht, um danach im Haus einen Ehrenplatz zu bekommen. Im Frühjahr wird sie an das Vieh verfüttert, was dieses gesund halten soll. Sie ist die Hüterin der Samen und der Saat, der essentiellen Lebenskraft.

Dies gilt nicht nur für das Getreide. Sie bewacht und beschützt auch bei den Menschen, die durch schwere, dunkle Zeiten gehen, den ursprünglichen Lebensfunken, jenen Keim, der immer heil und ganz bleibt und aus dem gänzlich Neues entstehen kann.

Unterstützt Frauen in ihrem Eigensinn und ihrer Eigenmacht

In diesem Sinne treten besonders Frauen mit Cailleach in Verbindung. Es geht immer um ihr ureigenstes Wesen, um ihre Essenz. Cailleach liebt und behütet ganz besonders zärtlich jene Frauen, die sich karg, alt, hässlich und an den Grenzen des Machbaren oder Erträglichen fühlen, die nicht wissen wie sie (gleich wie im tiefsten Winter) Nahrung für Körper und Seele her kriegen, denen schneidende Winterstürme entgegen wehen, um die herum alles nur mehr dunkel ist. Das ist die Kraft von Cailleach.

Wenn sich Frauen mit Cailleach verbünden, indem sie diese Kraft der Göttin anerkennen und auch die damit verbundenen Chancen der Transformation sehen, dann nimmt sie Cailleach an der Hand und geleitet sie sicher durch diese Zeit. Es gilt, sich die Kräfte einzuteilen, erfinderisch zu werden, vielleicht einfach nur eine Art Winterschlaf einzulegen und alle (vermeintlichen) Verpflichtungen sausen zu lassen.

Denn Cailleach ist nicht eine, die Frauen zu Werken und Taten treibt oder gar dazu anstachelt, mit ihrer Umwelt kompatibel zu sein. Sie unterstützt Frauen in ihrem Eigensinn und ihrer Eigenmacht sowie im souveränen Umgang mit allen Anforderungen und gesellschaftlichen Zwängen.

Uneingeschränkten Unterstützung für sexuelle Kraft

Irgendwann, wenn der Winter auf seinem Höhepunkt ist, eisig kalt mit dicker knirschender Schneedecke, kommen diese wunderbar sonnenstrahlenden Februartage. Die alte Cailleach schüttelt ihr Zottelhaar und lässt den Pflanzen, Tieren und Menschen langsam wieder neue Säfte und Kräfte einschießen. Und natürlich ist sie auch die beste Beraterin für alle Frauen, die ihre sexuelle Kraft genießen und leben wollen.

All jene können sich der uneingeschränkten Unterstützung von Cailleach sicher sein, die keinerlei Rücksicht auf Modediktat und gesellschaftliche Konventionen nehmen sowie keinen Vergleich von Titelblattschönheiten mit ihrem eigenen äußeren Erscheinungsbild anstellen. Cailleach verleiht die Kunst der Gestaltwandlung, gesundes Selbstbewusstsein und innere Strahlkraft.

All das macht begehrenswerter und sexuell anziehender als jede Diät und Anti-Falten-Behandlung …

auch:  Calliagh, Caillech, Caileach, Calliach, Cally, Gruagach schottisch: Carlin

 

Das Bild der Cailleach kann als Replik erworben werden.

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