Aphrodite war die alte Muttergöttin des östlichen Mittelmeerraums. Die wohl populärste der griechischen Göttinnen ist allerdings nicht griechischen Ursprungs und sie ist eine viel umfassendere Erscheinung als für gewöhnlich über sie bekannt ist.

Die Schaumgeborene

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Die wohl populärste der griechischen Göttinnen ist allerdings nicht griechischen Ursprungs und sie ist eine viel umfassendere Erscheinung als für gewöhnlich über sie bekannt ist. Aphrodite erscheint uns zumeist als lichte, himmlische Göttin, doch wie die Liebe ihre Schattenseiten haben kann, so gibt es auch die dunklen Aspekte der Aphrodite, die gerne vergessen oder unter den Tisch gekehrt werden.

Sie war die alte Muttergöttin des östlichen Mittelmeerraums. In ihrer Gestalt vereinigen sich Züge der semitischen Fruchtbarkeits-, Liebes-, und Himmelsgöttin Astarte mit der Gestalt der kleinasiatischen Mutter- und Schöpfungsgöttin.

Behüterin der gesamten Natur

Als diese behütete sie die gesamte Natur mit allen ihren Erscheinungsformen und war damit nicht nur die erschaffende und bewahrende, sondern auch die zerstörerische Große Göttin. Sie gebietet über Geburt, Tod und Wiedergeburt, über Zeit und Schicksal sowie über den Krieg.

Ihr älterer Name ist Moira. Damit symbolisiert sie auch die drei Moiren, die dreifache Schicksalsgöttin. Man sagt, sie wäre älter als die Zeit. Erst viel später wurde Aphrodite von den Griechen nur noch auf die Liebes- und Schönheitsgöttin reduziert. So sollten ihr Einfluss und ihre grenzenlose Macht beschnitten werden.

Doch zunächst zu ihren „lieblichen Eigenschaften“: Als Verkörperung unwiderstehlicher weiblicher Schönheit ist Aphrodite eine der meist besungenen mythologischen Frauengestalten.

Ihr Name bedeutet „Schaumgeborene“. Aphrodite ist ewig jung, ständig neu aus den Wellen geboren. Sie verdeutlicht auch die Verbindung zwischen dem Wasser und der Sexualität. Die Wellen machen Töne, als würden sie seufzen, wenn sie gegen den Strand spülen, der Geschmack des Meeres ist salzig, der Meerschaum ist weiß, wie die Liebessäfte des Mannes, die Wellen stoßen vor und zurück, manchmal sanft und langsam, manchmal schnell und energisch, Meeresmuscheln erinnern an die Vulva, ihre Perlen an die Klitoris. Das Meer kann an einem heißen Sommertag prickelnd erfrischen wie eine neue Liebe aber auch in unendliche Tiefen hinab ziehen.

Sie lebt ganz im Augenblick. Nichts bedeutet ihr mehr, als die völlige Hingabe an einen Augenblick vollkommener Liebeserfüllung. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen existieren für sie in einer anderen Welt. Die Göttin der Liebe ist nur der Liebe verpflichtet.

Mit ihrem unvergleichlichen Zauber versteht sie, alles in himmlischen Glanz zu hüllen. Wendet sich Aphrodite einem Wesen zu, so entfacht sie einen Sturm unsagbarer, süßer Gefühle, die eine Ahnung zurücklassen, wie die Göttin uns gemeint hat. Wendet sie sich jedoch wieder ab, kann man in die tiefsten Abgründe voll Verzweiflung und bitterem Gram stürzen (wer hat diese Eigenschaften der Aphrodite bei Liebesfreud und Liebesleid noch nicht erlebt?).

Aphrodites natürliches Gesetz des Matriarchats

Aphrodite regiert die Welt mit dem sogenannten Ius naturale“, dem natürlichen Gesetz des Matriarchats.

Demnach ist jeder Mensch von Natur aus (also nicht durch Konvention) mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet  – unabhängig von Geschlecht, Alter, Ort, Staatszugehörigkeit oder der Zeit und der Staatsform, in der er oder sie lebt. Dazu gehören das Recht auf Leben und auf Unversehrtheit sowie das Recht auf persönliche Freiheit. Die matriarchalen Naturrechte werden als vor- und überstaatliche „ewige“ Rechte angesehen.

Damit wird das oberflächliche Sinnbild einer jungen, schönen, verführerischen Frau relativiert. Bei genauerer Betrachtung wird schnell sichtbar, wie, im wahrsten Sinn des Wortes, durchsichtig die Versuche sind, ihr wirkliches Wesen zu verschleiern.

Aphrodite ist eine mächtige, kraftvolle, eigensinnige, selbständige und selbstbestimmte Göttin. Sie weiß, was sie will, was ihr zusteht und nimmt sich dies auch. Sie lässt sich nicht in patriarchale Schablonen pressen. Sie ist nichts und niemanden zugehörig und entscheidet aus ihrer tiefen inneren Weisheit, genauso, wie sie selbst aus den Tiefen des Ozeans empor gestiegen ist.

Auch wenn diese Werte sogar im alten Griechenland nicht mehr gegolten haben und sich die Lebensumstände der Frauen ständig verändern — Aphrodite ist eine Göttin für jene Frauen, die sich unter allen Umständen selbst treu bleiben.

Wer ist die Schönste im ganzen Land?

Kaum zu glauben, dass Aphrodite auch als Kriegsgöttin verehrt wurde. Aber wie viele Kriege sind schon durch unerfüllte oder zurück gewiesene Liebe ausgelöst worden. Überliefert ist jener durch Eris, der Göttin der Zwietracht, verursachte Streit um den Preis der Schönheit, der den Trojanischen Krieg ausgelöst hat.

Der Erzählung nach soll Eris, die einzige Göttin, die nicht zur Hochzeit von König Peleus und der Meeresnymphe Thetis eingeladen war, voller Groll einen goldenen Apfel mit der Inschrift Kallisti „Der Schönsten“  in die versammelte Hochzeitsgesellschaft gerollt und damit einen Streit zwischen HeraAthena und Aphrodite ausgelöst haben, weil jede der Göttinnen den Apfel für sich beanspruchte. Als Zeus sich weigerte, ein Urteil zwischen den Göttinnen zu fällen, übertrugen sie dem Hirtenjungen Paris diese Entscheidung.

Jede der drei Göttinnen wollte ihn bestechen: Hera versprach politische Macht und Dominanz in Asien, Athena Weisheit und Kriegskunst. Aphrodite jedoch las Paris‘ Wünsche am klarsten, indem sie ihm die schönste Frau auf Erden versprach.

Dieser entschied sich für Aphrodite und wählte als Belohnung Helena von Troja, Gemahlin des griechischen Königs Menelaos. Seine Entführung der Helena entfachte den Trojanischen Krieg. Soweit die Überlieferung, die natürlich klar in einem patriarchal geprägten Zusammenhang gesehen werden muss.

Schuld an Kriegen und Auseinandersetzungen sind bemerkenswerter Weise nicht entscheidungsschwache und bestechliche Männer, Clanchefs, Götterväter, Vorstandvorsitzende, Staatspräsidenten, die ihre eigenen Machtstrategien fahren, sondern kleine Mitläufer oder rachsüchtige, beleidigte, eitle und hintertriebene Frauen.

Eine seltsame Rolle spielt hier zuerst einmal der eigentlich bedauernswerte Paris. Der Göttervater will den Streit zwischen seinen beiden Töchtern Athena und Aphrodite und seiner Frau Hera nicht entscheiden oder – noch besser – ein Machtwort sprechen und den Apfel schlicht der auf einer Hochzeit Schönsten, nämlich der Braut zu geben, der dieses Fruchtbarkeitssymbol ja wohl auch gegolten hat. Statt dessen wird statt ihm ein einfacher Hirtenjunge gewählt. Der trägt jetzt die Verantwortung, der ist dann auch an allem Schuld.

Damit sind wir bei einem sehr aktuellen Thema: Wie oft kennen wir das aus unserer Zeit. Während die Köpfe kleiner Angestellter „rollen“, entziehen sich die großen Konzernbosse jeglicher Verantwortung …

Die „zerstückelte“ Göttin

In dieser Geschichte ist vor allem aber auch gut sichtbar, wie die Große Göttin am Übergang vom Matriarchat in das Patriarchat in verschiedene Aspekte zerstückelt wird und wie gezielt gesäte und genährte Zwietracht unter den Frauen funktioniert. Macht und Dominanz gegen Erotik und Sex gegen Intelligenz und Ruhm. In der männlich eindimensionalen Welt ist es kaum vorstellbar, dass eine einzige Frau (oder sogar Göttin) all diese Prädikate in sich hat und auch verschenken kann.

Dass man einer Göttin (und somit alle Frauen als Vertreterinnen der Göttin) diese Allmacht zugesteht, ist natürlich höchst gefährlich. Daher wurde die sehr umfassende Aphrodite auch auf ihre Schönheits- und Liebesaspekte reduziert. Dennoch musste sie für die Rechtfertigung eines Krieges herhalten, ohne ihr auch den definierten Aspekt der Kriegsgöttin zuzugestehen.

Auch Hera und Athena bekommen ihren Platz in diesem makaberen Spiel. Sie alle drei unterstützen auf entscheidende Weise die jeweiligen Parteien. Wie auch heute noch den Mädchen und Frauen beigebracht wird, in einander entzweiender Weise verschiedene männliche Positionen zu unterstützen. Eine hervorragend funktionierende Methode, um das Patriarchat beständig aufrecht zu erhalten.

Verbindung des Himmels mit dem fruchtbaren Leib des Meeres

Über die Herkunft von Aphrodite gibt es in der griechischen Mythologie verschiedene Versionen: Zum einen heißt es, sie sei aus der Verbindung des Himmels mit dem fruchtbaren Leib des Meeres entstanden. Bei Homer ist sie Tochter der Erdgöttin Dione und des Zeus

Die wohl bekannteste Version geht auf jene Begebenheit zurück, als Kronos seinen Vater Uranos entmannte. Er hatte die Geschlechtsteile seines Vaters ins Meer geschleudert. Das Meer war schon immer das Urweibliche, der Ur-Mutterschoß, so wird auch die Göttin Thalassa beschrieben, die daher auch als die Mutter der Aphrodite gilt. Das Blut und der Samen vermischten sich mit dem Meer, es bildete sich ein Schaum, aus dem Aphrodite vor Paphos auf Zypern entstieg und unter Blütenduft und Sphärenklängen ans Ufer schritt.
Bevor sie den Unsterblichen vorgestellt wurde, wurde sie von den Horen geschmückt, die als die Nymphen der Aphrodite gelten.

Aphrodite nennt man daher auch oft „die aus dem Meer Aufsteigende“ oder „die Emporgetauchte“.

Nachdem Aphrodite im Olymp aufgenommen war, wurde sie Adoptivtochter von Zeus. Was schon allein das Missverhältnis der patriarchalen Gesinnung verdeutlicht. Wenn Aphrodite die Tochter des Uranos ist, der der Großvater von Zeus war, dann ist sie demnach die Tante von Zeus. Warum sollte jener also seine Tante adoptieren? Der umgekehrte Fall wäre doch wohl viel logischer.

Aphrodite war die Gattin des Hephaistos, dem missgestalteten, hinkenden Gott des Feuers, der Schmiede und Handwerker. Aphrodite hatte viele Liebhaber, und daher auch viele Kinder. 
Ihr Lieblingssohn ist Eros (Erfinder der Erotik). Sein Vater Hephaistos schmiedete für den Nachwuchs einen scheinbar unerschöpflichen Vorrat der berühmten Pfeile, die Eros heute noch in Massen benutzt. Eros begleitete Aphrodite fast überall, und trug sie oft auf seinen goldenen Flügeln. Der Sohn und die Mutter hatten eine starke Beziehung — Aphrodite hat nämlich sein Leben nach der Geburt gerettet. Eros hatte eine besondere Kraft. Wer vom Pfeil des Eros (lat.: Amor) getroffen ist, verliebt sich stark und unwiderstehlich. Gleichzeitig war er schlau und rachsüchtig. Deshalb wollte Zeus ihn töten, aber Aphrodite versteckte ihn im Wald, wo er von zwei wilden Löwinnen gefüttert wurde.

Es gibt noch eine andere Geschichte, in der sich Aphrodite selbst vor Zeus versteckte und zwar unter einem Salbeistrauch. Der Göttervater entdeckte sie dennoch und ließ zornig die Sonne auf den Strauch brennen. Zu ihrem Schutz verlieh Aphrodite dem Salbei dicke, flauschige Blätter sowie einen intensiven Duft (was es ihr etwas erträglicher machte, tagelang unter dem Strauch zu hocken). Diese Legende erzählte man sich im antiken Griechenland über die wundersame Pflanze des Salbeis mit seiner Fähigkeit, in praller Sonne zu gedeihen. Die von Aphrodite verliehenen samtigen Blätter dienen ihm als Verdunstungsschutz und bewahren ihn vor Sonnenbrand.

Die Ehe war für Aphrodite, dieser freien und selbstbestimmten Göttin kein Grund, nicht auch anderen Männern ihre Gunst zu schenken und sich selbst erotisch zu vergnügen — unter anderem mit Hermes, Poseidon, Dionysos und Adonis und ihrem favorisierten Liebhaber, Kriegsgott Ares, mit dem sie einige Kinder hat.
Dazu gibt es eine bemerkenswerte Geschichte, die am artedea-Blog nachzulesen ist.

Myrte, Taube, Sperling, Schildkröte und Hase sind Aphrodite heilig. Sie wird oft mit der Rose, dem Apfel, einem Blütengürtel aus Mohnblumen, Kauri-Muscheln sowie mit Spiegel und Kamm (den magischen Schönheitswerkzeugen der Frauen) in Verbindung gebracht.

Der Monat Aphrilis (April) ist der Göttin Aphrodite geweiht.

Urgewalt der Liebe

Seit Anbeginn der Zeit wird Aphrodite —  die Unwiderstehliche — in Liebesdingen um Hilfe gebeten. Sie weiß um die Geheimnisse der Sinnlichkeit. Sie ist die Urgewalt der Liebe. Ihre AnhängerInnen, gleich welchen Geschlechts, lehrt sie die hohe Kunst der Verführung und der alles gewährenden Hingabe, befreit die erotische Phantasie, schenkt ungezügelte Zärtlichkeit und tabu-freien, lustvollen Sex.

Aphrodite, die aus dem Meer entstiegen ist, schenkt Frauen ganze Ozeane voll Lust, lässt sie aber auch tief in ihre Gefühle und Sehnsüchte steigen. Es ist gut, diese emporzutauchen und im Namen Aphrodites auch auszusprechen und auszuleben.

Die Göttin lehrt uns aber vor allem, dass Liebe nicht nur oberflächlich ist, sondern auch Weisheit und Kraft beinhaltet. Die Geschichten und Mythen um Aphrodite sind eine Quelle der Inspiration, um die verschiedenen Facetten der Liebe zu verstehen und zu erforschen. Indem wir uns mit Aphrodite und ihrer Bedeutung auseinandersetzen, können wir unsere eigenen Vorstellungen von Liebe und Beziehungen erweitern und bereichern.

Frauen, die Aphrodite und ihren Zauber rufen wollen, tun dies am besten, indem sie zu allererst beginnen, sich selbst zu lieben.
Denn davon geht alle Liebe aus. Sich selbst zu lieben bedeutet, sich immer wieder selbst etwas Gutes zu tun, Sinnlichkeit nicht von anderen abhängig zu machen, sondern das Leben zu genießen. Z.B. indem sich Frauen in einem ausgiebigen Schaumbad rekeln, sich mit Perlen schmücken, mit Rosenwasser benetzen und auf ihr Liebeslager Rosen, Veilchen, Myrte und Rosmarin streuen.
Sie kleiden sich in meergrüne Gewänder und halten Honig, Feigen, Pfirsiche, Granatäpfel und Quitten als kleine Leckereien für zwischendurch bereit. Und vor allem wird sie geehrt, indem Frauen auf jegliche gesellschaftliche und religiöse Konventionen, was Zuneigung, Liebe und Sexualität angeht, pfeifen.

Aphrodite hilft Frauen, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, ihr ganzes persönliches Wesen anzuerkennen und zu ehren sowie alle Stärken und Eigenschaften zu genießen und einzusetzen.
Sie zeigt uns außerdem auf ihre eigene Weise, wie wichtig es ist, für unseren Körper Sorge zu tragen: Eine gesunde Ernährung sowie regelmäßige Bewegung helfen dabei, körperliche Gesundheit mit geistiger Ausgeglichenheit in Einklang zu bringen. Insgesamt lehrt Aphrodite also viel mehr als nur Liebe zwischen zwei Personen – sie zeigt, auf welche Art von Beziehung am wichtigsten im Leben eines jeden Individuums steht: Die Beziehung zum eigenen Ich!

Denn —  wie erwähnt — ist sie nicht die eindimensionale Schönheits- und Liebesgöttin sondern steht für das allumfassende Wesen und das tiefgründige Wissen in jeder Frau.

 

Das Bild der Aphrodite kann als Replik erworben werden.

Hier alle Infos dazu

 

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