Fortuna ist eine der bekanntesten Göttinnen. Wir kennen sie als Glücks- und Schicksalsgöttin. Sie ist eine Mutter- und Schutzgöttin von Personen, Gemeinschaften, Orten und Ereignissen.
Sie dreht das Glück
Fortuna ist eine der bekanntesten Göttinnen. Wir kennen sie als Glücks- und Schicksalsgöttin. Sie ist eine Mutter- und Schutzgöttin von Personen, Gemeinschaften, Orten und Ereignissen. Sie hat — womöglich weil sie ihr Schicksal selbst in der Hand hat — bis heute allen patriarchalen Einflüssen getrotzt und ist immer noch sehr beliebt.
Glück gehabt! Aber was kann man von einer Glücksgöttin auch anderes erwarten? Ursprünglich war Fortuna vor allem eine Göttin der Fruchtbarkeit und der Lust. Sie verleiht jene Triebe, die Frauen und Männer dazu veranlassen, sich zu lieben und zu vermehren.
Aus dieser unwiderstehlichen Kraft (lat. „fors“) ist wahrscheinlich auch ihr Name Fortuna (lat. für Glück) hergeleitet. Als gebende Göttin, erlaubte sie vor allem die Befruchtung von Menschen, Tieren und Pflanzen.
Daher wird sie von Frauen mit Kinderwunsch um Beistand und von BäuerInnen um Hilfe für reiche Ernten gebeten.
Besonders verehrt wurde sie auch als Muttergottheit von Müttern, von HandwerkerInnen, von armen Leuten und SklavInnen, die bei ihr Schutz und Hilfe in vielen Nöten suchten.
Von der Fruchtbarkeits- zur Glücksgöttin
Ihre anfängliche religiöse Bedeutung als Fruchtbarkeitsgöttin wurde später von ihren Glücks- und Schicksalsaspekten verdrängt. Glück hatte zunehmend auch mit Reichtum und damit mit Geld zu tun. Darstellungen der Fortuna finden sich im antiken Rom auf zahlreichen Münzen wieder.
Aus ihrem Symbol, dem Füllhorn flossen damit nicht mehr Früchte und Blumen sondern zunehmend klingende Münzen, die Reichtum als wichtige Glückskomponente versinnbildlichen sollten.
Es war einst schon klar: Für viele Unternehmungen und ein gelungenes Leben braucht es auch Glück und daher wollte man sich mit Fortuna-Darstellungen auf Gemmen, Schmuckstücken und Reliefs auf Privathäusern die Gunst der Göttin sichern.
Als Orakelgöttin wird Fortuna häufig zur Zukunft befragt. Bereits im Alten Rom geschah dies oftmals über das Ziehen von Losen oder kleinen Holzstücken mit eingeritzten Linien, die von PriesterInnen gedeutet wurden.
Immer ging es um das Lebensglück, um wichtige Stationen im Leben, um entscheidende Wendungen. Dargestellt wird Fortuna meist in einem reichen Kleid auf einer rollenden oder schwebenden, oft geflügelten Kugel oder auf ihrem Glücksrad. Sie hält dabei immer das Gleichgewicht. Dies ist Ausdruck, dass auch Menschen, die für ihr Gleichgewicht, ihre innere Balance bewusst sorgen, Glück und Glück bringende Ereignisse anziehen.
Die Attribute der Göttin sind das Füllhorn für Überfluss, das geblähte Segel für Unberechenbarkeit, ein Steuerruder, mit dem sie das Schicksal der Menschen lenkt und das Glücksrad.
Die das Rad dreht
Dieses hat besondere Bedeutung: Der Name von Fortuna leitet sich möglicherweise auch von „Vortumna“ — die, die das Rad dreht, ab. Sie ist damit die Große Mutter, die das himmlische Rad der Sterne und damit das karmische Rad des Schicksals für die Menschen dreht.
Wegen der Größe ihrer Gestalt und ihrer Macht wird Fortuna auch immer wieder als „Imperatrix mundi“ (Gebieterin der Welt) dargestellt. Sie thront dabei in der Nabe in der Radmitte, von der sie den Gang der Welt vorantreibt.
Doch wenn ein Rad ständig in Bewegung ist, dann gibt es auch verschiedene Stationen: Alle, die es nach oben trägt, denen liegt die Welt zu Füßen, jene, die oben sitzen, stürzen im nächsten Augenblick ab. Das ist auch das Wesen der Schicksals- und Glücksgöttin.
Der luftige Aspekt der Fortuna zeigt sich in der Unbeständigkeit des Glücks, das wie von Winden hin und her getrieben wird. Die Göttin mit ihren Flügeln ist so leicht, dass sie sich angeblich nirgendwo beständig niederlässt — außer im antiken Rom, wo sie mehrere Tempel hatte. Nachdem sie die ganze Welt durchflogen hatte, hatte sie sich dem Mythos nach auf dem palatinischen Hügel Roms niedergelassen und ihre Flügel abgelegt, als Zeichen, dass sie für immer in Rom wohnen wolle.
Von den Zahlen des magischen Zeitrades der Göttin galten die ungeraden als ihre heilige Zahlen, die geraden als die Zahlen ihres Mannes, Agathodemon. Im Alten Rom wurden die Feiertage auf ungerade Kalendertage gelegt, weibliche Tage galten als Glück bringender als männliche.
Mit der Verweltlichung der Vorstellung vom Schicksalsrad wird die Göttin heutzutage eher als Segensbringerin im Glücksspiel degradiert.
Die Vorstellung einer Schicksalsmacht, die nicht von Menschen zu beeinflussen ist, macht diese Göttin dennoch auch für andere Angelegenheiten und Herzenswünsche lebendig.
Sie sorgt für Überraschungen und Veränderungen. Dennoch gewährt und verteilt sie nicht blind, wie ihr griechisches Pendant, die Göttin Tyche. Im Gegensatz zu dieser, die vor allem den unberechenbaren Aspekt des Glücks personifiziert, bringt Fortuna Glück und Segen bewusst.
Das Angenehme: Sie steht für all das, was „zufällt“, was nicht erarbeitet oder verdient werden muss. Dabei hat sie es gerne, wenn man an sie und das Glück glaubt. Großartige Rituale braucht es dazu nicht. Vielleicht ein kleines Stoßgebet, aber auch dadurch lässt sie sich nicht wirklich beeinflussen oder bestechen. Durch die Fortuna Augusta erhielt der römische Kaiser sein Herrschaftsrecht. Fortuna, die Tochter des Jupiter, ist die Gebieterin, die dem Herrschenden nach ihrem Willen Macht gibt und nimmt. Die römischen Caesaren hatten immer — sogar während sie schliefen oder auf Reisen waren — eine goldene Statuette der Göttin bei sich.
Staatsreligiös und privat
Vermutlich wurde Fortuna bereits zu Beginn des Römischen Reichs durch den König Servius Tullius populär. Dieser soll der Fortuna sechsundzwanzig Tempel gewidmet haben, jeden mit einer anderen Epiklese, also mit verschiedenen Arten der Anrufung.
Dem Mythos nach war er als Sohn einer Sklavin durch die Gunst der Schicksalsgöttin Fortuna auf den Königsthron gekommen.
Tempel der Fortuna befanden sich u.a. im Latium in Rom, Antium und Paeneste. Bekannt sind vor allem auch drei Tempel der „tres Fortunae“ (also der dreifachen Göttin) auf dem Quirinal, einem der sieben Hügel Roms. An der Einmündung der Via Appia in Rom stand ein monumentaler Tempel zu Ehren der Fortuna Redux („die heimgeleitende Fortuna“).
Sie hatte sowohl eine staatsreligiöse, wie auch eine private Komponente. Daher standen aufgrund ihrer glücksbringenden Eigenschaften zahlreiche Statuetten von dieser Göttin in vielen Villen, ebenso wie in Legionslagern, damit sich dort überall ihre Erfolg versprechende Macht dort ausbreiten möge.
Ein besonderer Verehrer der Fortuna war Kaiser Trajan. Es war ihm aufgefallen, dass es allzuviele Beinamen für die Göttin in der Hauptstadt gab. So ließ er einen Tempel der Fortuna omnium (=Allfortuna) errichten. Dieser Fortuna wurde ein sehr exponierter Feiertag zugeteilt: der 1. Jänner, an diesem Tag betete man zu ihr um das Heil aller Tage des neuen Jahres.
Fortuna zu Sommerbeginn
Der traditionelle Feiertag der Fortuna ist der 24. Juni. Dieser Stichtag markierte nach dem Julianischen Kalender die Sommersonnenwende. Dass Fortuna genau an diesem Tag geehrt und gefeiert wurde, kommt nicht von ungefähr: Jetzt ist vieles in der Natur herangereift, jetzt beginnt die Erntezeit, die sich bis in den Herbst zieht.
Und dazu braucht es — neben all der harten Arbeit — auch Glück und die Gunst von Fortuna. Was gesät wurde, das muss nicht aufgehen, was geblüht hat, das kann durch schlechte Witterungsbedingungen nach der Blüte zunichte gemacht werden, was in der volle Reife steht, kann durch missgünstige Umstände, wie
Schädlingsbefall ungenießbar werden. Und auch die Erntearbeit selbst ist nicht ungefährlich.
Daher hielten die Menschen zu Sommerbeginn inne, um sich mit der Göttin in Verbindung zu setzen und um ihr Wohlwollen und ihre Gunst zu bitten.
Bona Fortuna und Mala Fortuna
Fortuna trug im Alten Rom meist ein Beiwort, das ihre spezielle Funktion beschrieb — so u.a. als Fortuna Primigenia, die Erstgeborene, Fortuna Muliebris, die Göttin der Frauen, Fortuna Scribunda, das schreibende Schicksal, Fortuna Regia bzw. Fortuna Imperatrix, die Göttin der Herrschaft.
Es gibt auch die gebende/schenkende Fortuna — meist mit Füllhorn dargestellt, die launische/lenkende Fortuna — sie dreht oder haltet das Rad des Lebens sowie die geflügelte/engelhafte Form der Fortuna, die meist nackt dargestellt wird.
Sie wurde auch als dreifache Schicksalsgöttin verehrt, wobei die anderen beiden Fortunas wahrscheinlich Bona Fortuna und Mala Fortuna waren, das gute und das schlechte Schicksal. Unter Traian wurde aber auch die Fortuna omnium (Allfortuna), die alle in sich vereinigt, geehrt.
Fortuna steht für frohgemute Hoffnung und erinnert Frauen, dass Glück ein vitaler Bestandteil des Lebens ist.
Im Tarotblatt X — „Rad des Schicksals“ wird nicht selten eine weibliche Figur mit einem Rad dargestellt, die als die Göttin Fortuna zu deuten ist.
Sie war auch ein beliebtes Motiv auf Spielmarken oder Jetons im Glücksspiel des 18. und 19. Jahrhunderts. Fortuna war auch Jahrhunderte lang ein beliebtes Motiv in der Kunst. Dürer, Rubens, Rembrandt und viele andere große Maler haben uns ihr Bild von Fortuna hinterlassen.
Auch in Dichtung und Literatur taucht Fortuna als Personifikation des Schicksals auf, so u.a. in Dantes „Göttlicher Komödie“.
In der Neuzeit wurde Fortuna besonders durch das Bühnenwerk von Carl Orff „Carmina Burana“ überall in der Welt bekannt. Sowohl im Eingangs- als auch im Schlusschor des Werkes wird Fortuna besungen:
Auf Fortunas Thron saß ich hoch erhoben,
mit glückhaften Erfolgs farbiger Blumenpracht bekränzt:
aber so sehr ich auch schwelgte in der Fülle des Glücks,
jetzt finde ich mich in die Tiefe gestürzt, jeden Glanzes beraubt.
Fortunens Rad dreht sich: entmachtet bewege ich mich nach unten,
ein anderer wird dafür nach oben getragen, in erhabener Höhe
thront er als König im Scheitelpunkt – er hüte sich vor dem Sturz!