Schon immer machten sich Menschen in allen Kulturkreisen rund um die Erde Gedanken darüber, woher dies alles, was sie wahrnehmen, kommt.
Vieles, was sich Menschen nicht erklären konnten, begründeten sie damit, dass hier eine Gottheit wirken muss: Warum geht die Sonne in der Früh auf und am Abend unter?Warum gibt es in der Nacht am Himmel etwas, das leuchtet, manchmal in einer vollen Scheibe, dann in einer halben, dann in einer Sichel, und manchmal auch gar nicht. Woher kommen wir Menschen überhaupt. Oder der Sturm, der Schnee, der Morgentau, die Fische im Wasser, die Regenwürmer im Boden und die Vögel in der Luft.
Warum beginnt im Frühling wie durch ein Wunder plötzlich alles zu blühen und warum wird im Sommer das Getreide reif.
Und vor allem: Können wir uns darauf verlassen, dass es auch weiterhin so ist?
Obwohl wir natürlich längst vieles wissen, physikalische und biologische Erklärungen haben, beschäftigt viele der Urgrund der Schöpfung immer noch.
Und diese lag und liegt in der Vorstellung vieler Menschen immer noch in einer spirituellen, einer göttlichen, einer jenseitigen Kraft, die eigentlich nicht zu begreifen ist.
Dennoch haben Menschen versucht, sich diese Kraft begreifbar zu machen – und Mythen sind entstanden.
Lange jedoch, bevor es Götter oder sogar nur den einen Gott gab, haben Menschen an Göttinnen geglaubt, sie verehrt, sie um lebensnotwendige Dinge gebeten.
Dies erscheint nur allzu logisch. Menschen formen sich ihre göttlichen Figuren aus dem, was sie beobachten und aus dem Reim den sie sich daraus machen.
Also kann jene, die alles erschafft, aus der alles geboren wurde, eigentlich nur weiblich sein – eine mütterliche Kraft, in die Menschen ihr volles Vertrauen setzen können.
Und so schufen sich die Menschen rund um den Erdkreis Göttinnen, die für praktisch alles zuständig waren: Natürlich für Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit, für das Herdfeuer, den Frühling und das Getreide, aber auch für Sturm, Gewitter, für Schmiedekunst und Krieg, für Himmel, Erde und Unterwelt, für Weisheit und Intelligenz, für erotische Reize, orgiastische Riten und für Recht und Ordnung.
Es gibt praktisch nichts, wofür es nicht irgendwo auch eine Göttin gibt.
Brauchen wir heute noch Göttinnen?
Genauso könnte man fragen: Brauche ich meine Oma, die schicke Nachbarin aus meiner Kindheit, die immer so tolle Frisuren hatte oder Tante Herta, die mir das Rezept für den himmlischen Apfelkuchen hinterlassen hat? Brauchen wir Mutter Theresa, Angelina Jolie, Sophie Scholl, Doris Lessing, Marie Curie, Nina Hagen, Rosa Luxemburg oder Pippi Langstrumpf?
Alle Frauen, die uns in irgendeine Art und Weise etwas sagen, etwas bedeuten sind „Ahninnen“, Identifikationsfiguren, an die wir anknüpfen können – egal ob sie nun wirklich gelebt haben, noch leben oder ob sie mythologische Figuren oder Phantasiegestalten sind, die für eine spezielle weibliche Kraft stehen.
Göttinnen sind also Frauen, die irgendwann einmal
- gelebt und gewirkt haben,
- belebt wurden,
- verehrt wurden,
- Vorbild waren
Oder sie sind lebendige Frauenenergie, die sich manifestiert hat in:
- realen Frauen,
- Ahninnen,
- Märchenfiguren,
- Legenden- oder Sagengestalten,
- mythologischen Figuren und Archetypen
Immer noch lernen wir patriarchale Geschichte.
Immer noch werden uns Namen von Helden, Königen, Päpsten und großen Künstlern ins Hirn gebrannt.
Immer noch werden Frauen und ihre Partizipation am Weltgeschehen verschwiegen.
Die tatsächliche Geschichte („HerStory“ statt „History“) beginnt allerdings bereits bei den Urmüttern, den Göttinnen.
Hand in Hand mit patriarchaler Geschichtsschreibung geht natürlich die religiöse und damit unumstößliche „Wahrheit“ der so weit verbreiteten Ein-Gott-Religionen.
Der „Herr, dein Gott“ im Juden- und Christentum sowie im Islam hat Milliarden von Männern die Gewissheit gegeben, dass sie ihre Macht aus seiner Göttlichkeit und „Herr“-lichkeit ableiten können.
Wenn im Geschichtsunterricht das klassische Altertum an der Reihe war, wurden Göttinnen noch so als nettes Beiwerk erwähnt.
Allerdings nicht mir ihrer Urkraft und Machtfülle, sondern meist als „die Frau, die Tochter, die Mutter von ….“.
Und wer hat im Religionsunterricht etwas von der christlichen Urgöttin Sophia gehört?Göttinnen geht es damit genauso wie großen Frauengestalten aus der Geschichte. Sie werden – wenn nicht totgeschwiegen – dann verniedlicht, verzerrt, manipuliert, als Randerscheinungen erwähnt.
Sie werden in der Regel aus der Perspektive eines Gottes oder eines Helden gesehen und mit dem Vokabular und aus der Welt eines männlichen Historikers beschrieben – und somit passen sie auch gut in das männliche Weltbild.
Das Anliegen von „artedea“ ist es nicht, große spirituelle Institutionen mit ihren männlichen Gottheiten zu verunglimpfen.
Vertrauen wir einfach darauf, dass diese paar Jahrtausende, in denen sich patriarchale Strukturen breit gemacht haben, auch einem größeren und göttlichen Plan entsprachen. Was ist dies schon im Vergleich der Menschheitsgeschichte, die rund eine Million Jahre alt ist.
Nun ist aber das dritte Jahrtausend unserer Zeitrechnung angebrochen. Damit ist es höchste Zeit, den Göttinnen wieder ihren Stellenwert zu geben und damit die Frauen dieser Welt auch an jenen Platz zu rücken, der ihnen zusteht.
Ein guter erster Schritt dazu ist, Göttinnen zu benennen, ihnen einen Ausdruck zu geben, sie zu malen, zu formen, mit ihrer Energie in Kontakt zu treten.
„artedea“ will dazu einen Anstoß geben und anregen, weiter zu forschen und Frauenkraft in ihren vielen „göttlichen“ Ausprägungen immer mehr in das Zentrum des Bewusstseins zu rücken.