Psezpolnica – Slawische Göttin der Mittagshitze

Psezpolnica, die „Mittagsfrau“ erscheint in unterschiedlicher Ausprägung in ganz Osteuropa während der Mittagshitze als hochgewachsene, weißgekleidete Frau, die streng darauf achtet, dass während dieser Zeit niemand arbeitet.

Die „Mittagsfrau“

Psezpolnica, die „Mittagsfrau“ erscheint in unterschiedlicher Ausprägung in ganz Osteuropa während der Mittagshitze als hochgewachsene, weißgekleidete Frau, die streng darauf achtet, dass während dieser Zeit niemand arbeitet.

In der slawischen Sagenwelt (vor allem in der serbischen, polnischen und russischen) gibt es je nach Auslegung eine Göttin, Fee oder einen Felddämon.

Besonders zur Ernte erscheint diese Gestalt an heißen Tagen zur Mittagszeit, verwirrt den Menschen den Verstand, sitzt brennend und stechend im Nacken und lähmt ihnen die Glieder – der personifizierte Sonnenstich. Wenn Menschen ihr nicht gehorchen und die Arbeit für einige Zeit niederlegen, so wird berichtet, fragt sie diese weiterarbeitenden Menschen zu Tode oder tötet sie gleich indem sie ihnen mit der Sichel den Kopf abschneidet.

Nach Ablauf der Ruhestunde zwischen zwölf und eins verliert die Mittagsfrau ihre Macht. Ihr Name leitet sich von „Poluden“ (= Mittag) ab.

Die unterschiedlichen Gestalten der Mittagsfrau

Die Mittagsfrau erscheint offenbar in verschiedenen Formen. In vielen Abbildungen sieht man sie in ein weißes Gewand oder Tuch gehüllt. Dies gibt Hinweis auf ihre Anbindung zum mythischen Totenreich – denn in manchen Gegenden gehört zu der traditionellen Tracht von Frauen in tiefer Trauer ein großes weißes Trauertuch.

In manchen Beschreibungen, wird sie auch als totenbleich, hohlwangig und mit eingefallenen Zügen geschildert. Sie soll eine Schere oder Sense mit sich tragen, auch das gilt als Symbol des Todes. Psezpolnica kann aber auch als schwarzbehaarte alte Frau mit Pferdefüßen auftreten. Man sah sie aber auch schon als etwa 12-jähriges Mädchen oder als betörend schöne Frau.

Je nachdem offenbar, wie weit das Stadium des Sonnenstichs bereits vorangeschritten ist. Manchmal nimmt sie auch die Gestalt eines heißen Wirbelwinds oder wirbelnden Staubwolken an, die um die Mittagszeit über die Felder wehen.

Schauermärchen und Kinderschreck

Es wird behauptet, dass sie auch Kinder stehlen oder sie auf Irrwege lenken soll. Damit reiht sie sich in die lange Reihe von Göttinnen, über die so etwas behauptet wird. Aus der Sicht einer Göttin sind alle Menschen „Kinder“, und wenn die Göttin ein Kind „stiehlt“, „frisst“ oder „verschlingt“, dann bedeutet das offenbar, dass dieser Mensch stirbt und in Folge dessen zur „Großen Mutter“ zurückkehrt, von ihr einverleibt wird (siehe dazu auch Baba Yaga, Ragana, Holla).

Genau vor einem allzu frühen Tod durch Überanstrengung aber warnt Psezpolnica, indem sie die Menschen anweist, sich nicht der prallen Mittagssonne auszusetzen, vor allem, wenn sie dabei Schwerarbeit leisten müssen.

Vermutlich entstanden die Mythen um Psezpolnica, da während der Erntezeit viele Knechte und Mägde (die ja von den Großgrundbesitzern ja auch als so „minderwertig“ wie Kinder angesehen wurden) auch in der Mittagshitze aufs Feld geschickt wurden und dort einen Hitzeschaden erlitten. In diesem Fall hat man nicht den miserablen Arbeitsbedingungen die Schuld gegeben, sondern es musste eine Göttin dafür herhalten. Und die taugt natürlich auch gleich ganz gut als Kinderschreck: „Wenn du nicht brav bist, dann holt dich die Psezpolnica“.

So tritt sie in Sibirien als eine mystische alte Frau mit struppigen Haaren und in Lumpen gekleidet auf, die in den Brennesseln wohnt. Von dort aus beobachtet sie den Küchengarten und hält nach „bösen Kindern“ Ausschau. Wer wagt sich da noch aus dem Haus …. Vor allem sollten mit dem Schreckgespenst der Psezpolnica die Kinder von den Feldern ferngehalten werden, damit diese beim Herumtollen nicht die wertvolle Saat zerstören.

Hier wird auch neben diesem warnenden und Todesaspekt der Fruchtbarkeitsaspekt der Göttin sichtbar. So schreibt man ihr z.B. in der russischen Provinz Arxangelsk den Schutz der Roggenfelder zu (siehe auch Rugiu Boba).

Schwierige Rätselaufgaben und komplizierte Gespräche

Die Geschichten rund um die „Mittagsfrau“ bekamen über ganz Osteuropa verteilt im Laufe der Jahrhunderte immer reichhaltigere Facetten. Sie soll den Menschen auf den Feldern schwierige Rätselaufgaben stellen oder sie in komplizierte Gespräche verwickeln (wahrscheinlich in der Richtung: „Warum bist du so blöd, ohne Kopfbedeckung und ohne etwas zu trinken hier in der Mittagshitze Schwerarbeit zu leisten“.)

Wenn die Angesprochenen nicht das Richtige sagen, so soll sie diese mit Krankheit schlagen. Sie soll Männern die Haare aus dem Kopf ziehen und Frauen, die gerade ein Kind bekommen haben oder unschuldige Wanderer immer in der Mittagszeit attackiert haben.

Kein Wunder, wenn diese in der Mittagshitze keinen schattigen Platz für sich selbst oder ihren Säugling suchen.

auch: Poludnica oder Pscipolnitsa (polnisch), Polednice (tschechisch), Poludnitsa (russisch und bulgarisch), Přezpoł(d)nica, Připoł(d)nica, Pśezpołdnica, Serpownica, Serpašyja, Zubata Ana

 

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