Renenutet – Ägyptische Fruchtbarkeits- und Schicksalsgöttin

Renenutet ist die Göttin der Landwirtschaft und der Ernte. Zweifache Göttin der Kornkammer, die die Menschen mit Korn und Milch versorgt. Schutzgöttin von Säuglingen im Menschen- und Tierreich.

Die Nährschlange

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Renenutet ist die Göttin der Landwirtschaft und der Ernte. Zweifache Göttin der Kornkammer, die die Menschen mit Korn und Milch versorgt. Schutzgöttin von Säuglingen im Menschen- und Tierreich.

Sie wird entweder als aufgerichtete Kobra mit Sonnenscheibe und Hörnern auf dem Haupt dargestellt – häufig trägt sie auch zwei hohen Federn auf der Sonnenscheibe – oder als Mischwesen zwischen Frau mit Kobra.

Hier gibt es folgende Varianten: Sie hat einen Frauenkörper, auf dem ein Kobrakopf sitzt bzw. sie ist von der Hüfte abwärts eine Schlange mit dem Oberkörper und Kopf einer Frau.

Auf vielen Darstellungen stillt sie ein Kind. Das ist entweder der Gott Horus-Sobek — in Form eines jungen Krokodils.
Sobek ist ein ägyptischer Krokodilgott, der als Herrscher über das Wasser als Fruchtbarkeitsgott gilt.

Mit der Milch der Renenutet, die als Schlange hier die Erde symbolisiert, bekommt das Wassertier Krokodil die Nahrung des Erdtieres Schlange.

In der Gemeinsamkeit von Erde und Wasser kann Fruchtbarkeit und damit Nahrung entstehen.

Auf anderen Darstellungen stillt sie ihren Sohn, den Getreidegott Nepry, der oft auch in Form des Pharaos an ihrer Brust trinkt, der Pharao wird dann mit Nepry gleichgesetzt. Um den König auch im Jenseits zu behüten, vereinigte sie sich mit Wadjet zur feuerspeienden Kobra.

Neben dem mächtigen, Furcht einflößenden Aspekt hat Renenutet aber auch eine durchaus angenehme Seite. Ihr Name besteht aus den zwei Teilen renen („Nahrung“) und utet („Schlange“) und kann daher mit „Nährschlange“ übersetzt werden.

Renenutet wurde oft auch mit der sich im Korn verbergenden „Utet-Schlange“ identifiziert.

Nur weibliche Schlangen

Im antiken Ägypten glaubte man, dass Schlangen nur in der weiblichen Form vorkommen und daher göttlich sind.

Das Schriftzeichen für Renenutet wird wortwörtlich mit „Rnn-Wtt“ übersetzt. „Rnn“ steht dabei für „ein Kind aufziehen“ und „Wtt“ für ist eine Bezeichnung für Schlange.

Renenutet hat den gleichen Wortstamm wie „Amme“. Das in ihrem Namen enthaltene Verb „rnn“ bedeutet auch „liebkosen“, „frohlocken“, „jubeln“ oder „loben“. Mit all diesen Tätigkeiten bekommt ein Kind „Seelennahrung“, die für das Gedeihen eines jungen Menschen genauso wichtig wie physische Nahrung ist.

Das wusste man schon im antiken Ägypten!

Das führt uns auch zu den Überlegungen, wie sehr wir etwas, das gedeihen soll, liebkosen und loben, wie sehr wir frohlocken und jubeln. Wenn etwas – eine Beziehung, ein Projekt, eine Tätigkeit – nicht so recht gedeihen oder gelingen will, ist es vielleicht hilfreich, sich die Frage zu stellen, mit wieviel Wohlwollen wir es bestrahlen und nähren.

Die Gebieterin der Gewänder

Als „Göttin des Fruchtlandes“ oder „Göttin, die den Erntesegen gibt“, ist sie für ausreichende Ernten und deren Schutz und damit auch für das Gedeihen der Pflanzen und der Menschen verantwortlich.

Sie war daher natürlich bei der bäuerlichen Bevölkerung, die den Großteil der im antiken Ägypten lebenden Menschen ausmachte, sehr populär. Es gab ihr zu Ehren Feste in jenem Monat, in dem die Saat verteilt wurde und einen Monat später, wenn die Saat zu keimen begann.
Beim Einbringen des Korns und beim Keltern des Weins wurden vor dem schlangengestaltigen Bildnis der Göttin der Fülle und des Glücks Weihegaben dargebracht.

Ein weiterer Beiname ist „Die an Zauberkraft Große“, denn als Fruchtbarkeitsgöttin sorgte sie neben den Nahrungsmitteln auch für das Gedeihen des Flachses. Da aus Flachs Leinen gewonnen wurde, galt Renenet als „Gebieterin der Gewänder“.

Sie war damit auch die Beschützerin des Leinengewands, das der König trug und das seinen Feinden im Diesseits und im Jenseits Furcht einflößen sollte. Davon ausgehend wurde sie zuweilen auch mit der Beschaffung von Mumienbinden in Verbindung gebracht.

Legt die Geburts- und Todesstunde eines jeden Menschen fest

Als Ammengöttin ist Renenutet jedesmal dabei, wenn ein Kind geboren wird und sie verleiht ihm bei der Geburt Seele und Lebenskraft und bestimmt sein Schicksal und seine Persönlichkeit. Durch ihre Verbundenheit mit dem Schicksal erbaten sich die Menschen von ihr auch für sich selbst und ihre Nachkommen  Glück und Reichtum.

Sie beschützt kleine Kinder vor Flüchen und bösen Gedanken. In ihrer Funktion als Schicksalsgöttin legt Renenutet die Geburts- und Todesstunde eines jeden Menschen fest.

Sie weiß auch den „wahren Namen“ jedes Menschen. Den wahren Namen einer Person zu kennen bedeutet, ihren Lebensweg und ihre seelische Veranlagung zu kennen. Den Seelennamen, den jedeR ÄgypterIn trug, den „ren“, bekam ein Kind von seiner Mutter zugeflüstert, wenn es ihr das erste Mal an die Brust gelegt wurde.

Renenutet („die Nährende“), die über das Stillen gebietet, war deshalb auch die Göttin der Seelennamen. Das Kind hätte ohne seinen „ren“ keine Identität gehabt und nicht essen dürfen. Selbst die Gottheiten waren darauf angewiesen, dass ihre Mütter ihnen ihren Namen gaben, denn sonst hätten sie alle Lebenskraft verloren und wären gestorben.

Renenutet verkörpert die alte matriarcharchale Theorie, dass die Mutter das Kind mit einer Seele ausstattet, nachdem sein Körper geboren wurde. Die ren-Seele  wurde geheim gehalten, da ein Feind, der sie entdeckte, gegen diesen Menschen, den er nun benennen kann einen bösen Zauber bewirken könne.

​Ihre besonderen Kultorte waren al-Fayyūm und Terenuthis, der auch nach der Göttin benannt wurde sowie im Neuen Reich die Städte Gizeh, Abydos und Theben. Noch in griechisch-römischer Zeit war Terenuthis ein wichtiger Kultort.

In der griechischen Zeit wurde die Göttin Thermuthis genannt. Diesen Namen übernahm die Bibel für die ägyptische Mutter von Moses.

auch: Renenet, Renenwetet, Ernutet, griechisch: Ermuthis oder Thermuthis

 

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