Xīwángmǔ ist das höchste Yin, der Inbegriff der Weiblichkeit. Nach taoistischer Auffassung verkörpert die Königliche Mutter des Westens, die aus der reinsten Luft des Westens entstanden ist, das passive weibliche Prinzip Yin (Yin-yang)
Königinmutter des Westens
Xīwángmǔ ist das höchste Yin, der Inbegriff der Weiblichkeit. Nach taoistischer Auffassung verkörpert die Königliche Mutter des Westens, die aus der reinsten Luft des Westens entstanden ist, das passive weibliche Prinzip Yin (Yin-yang), während ihr männlicher Partner, Tung wang-kung, der „Fürst des Ostens“, der aus dem Atem des Ostens geboren wurde, das aktive männliche Prinzip Yang repräsentiert.
Vermittlerin zwischen Himmel und Erde
Xīwángmǔ ist eine der ältesten chinesischen Gottheiten. Ihre Spuren lassen sich bereits in der Shang-Zeit (ca.1600-ca.1028 v.u.Z.), vor dem Entstehen des Taoismus, nachweisen, aber erst später nimmt ihre Gestalt konkrete Züge an.
Während der Zeit der streitenden Reiche (403-221 v.u.Z) erscheint sie als Lehrerin, Königinmutter des Westens, Göttin heiliger Berge, göttliche Weberin, Schamanin und Sternengöttin.
Im Shanhaijing, dem ältesten überlieferten Werk der chinesischen Mythologie, wird sie beschrieben als Wesen mit Leopardenschwanz, Tigerzähnen und pfeifend wie der Wind. In den Werken des Zhuangzi wird Xiwangmu schließlich als Göttin des Westens und des Himmels erwähnt, die das Tao verwirklicht hat und so Unsterblichkeit und göttliche Macht besitzt. Im mittelalterlichen Taoismus spielt sie als Unsterbliche, Lehrerin, Symbol der Transzendenz und Vermittlerin zwischen den himmlischen und den irdischen Reichen eine herausragende Rolle.
Auch im heutigen Daoismus gilt sie noch als eine hohe Gottheit. Neben den religiösen Kulten gibt es in China auch immer wieder Volkskulte um diese Göttin. Dargestellt wird Xīwángmǔ oft als schöne junge Frau in königlichen Gewändern, manchmal auch auf einem Pfau reitend, in ein Leopardenfell gehüllt, mit einem „sheng“-Haarschmuck (eine Art Spindel), mit Sonne und Mond, sowie mit Pfirsichen der Unsterblichkeit.
Sie soll auf dem Kunlun-Berg Pfirsichbäume haben, die nur einmal alle 3000 Jahre blühen und Früchte tragen. Alle, die davon essen, erlangen Unsterblichkeit. Der Pfirsichbaum wird in China „Baum der Unsterblichen“ genannt und gilt als heiliger Baum.
Feen und viele Tiere
Nach einigen Erzählungen ist sie die Gebieterin der Xian oder Hsien (Unsterblichen). Sie hat himmlische Feen als Dienerinnen und gilt oft als oberste Fee oder Feenkönigin. Vor allem wird sie aber von verschiedenen Tieren begleitet, wie etwa einem – ebenfalls für langes Leben stehenden – Hirschen, einem weißen Tiger, dem dreibeinigen blauen Vogel, dem neunschwänzigen Fuchs oder dem Hasen, der das Elixier der Unsterblichkeit bereitet.
An ihrem Thron lagern Tiger und Drache (Yin und Yang). Ihr wichtigstes Begleittier ist der Phönix, der für Tod und Wiedergeburt steht. Ihr Gefährte Tung wang-kung, der Königvater des Ostens, spielte in Glaube und Kult nie die gleiche herausragende Rolle wie Xīwángmǔ .
Das perfekte, harmonische Paradies
Der Wohnort der Göttin ist ein heiliger Berg im Westen, das K’un-lun-Gebirge, auch Kunlun Shan genannt. Hier ist der Legende nach ein perfektes und harmonisches Paradies zu finden, welches als Mikrokosmos ein ideales Abbild des Makrokosmos und den Sitz der Gottheiten in der irdischen Welt darstellt.
In ihrem Paradies bewohnt sie einen neunstöckigen Palast aus Jade, der von einer Mauer aus purem Gold umgeben ist, die tausend Meilen lang ist. Diese goldenen Mauern können als Sonnensymbol gedeutet werden. Xīwángmǔ wird auch die „Goldene Mutter“ genannt. Die männlichen Unsterblichen bewohnen den rechten Flügel des Palastes, die weiblichen den linken.
Nach alter Tradition gilt die linke Seite als höherstehend und machtvoller. Denn wenn man von Norden her blickt, ist Osten, wo die Sonne aufgeht, auf der linken Seite. Und mit der aufgehenden Sonne beginnt alles, jeder neue Tag — und damit wird auch die uranfängliche Schöpfungskraft der Frauen geehrt.
Ihr Palast und die Gärten werden in Kunst und Literatur häufig als unvorstellbar schön geschildert. In ihren Gärten sind Zauberquellen zu finden und dort baut sie die begehrten Pfirsiche der Unsterblichkeit an, die nur alle dreitausend Jahre reif werden.
Wenn es wieder einmal so weit ist, lädt sie die Unsterblichen zu einem großen Festmahl, damit diese ihre Lebensenergie auffrischen können. Einmal hat der wahnsinnig gewordene Affe Sun Wukong die Zeremonie gestört – ein Motiv, das u.a. in dem berühmten Ming-Roman „Die Reise nach dem Westen“ berichtet wird.
Jeweils am dritten Tag des dritten Monats wird der Geburtstag der Göttin gefeiert, zu dem viele Gottheiten mit ihren Gaben zu einem Festmahl anreisen, z.B. der Drachenkönig Long Wang, der Glücksgott und der Gott des Reichtums.
In Japan wird an diesem Tag, dem 3. März, immer noch das Fest Hina-Matsuri zu Ehren aller Mädchen gefeiert.
Als höchstes Yin ist Xīwángmǔ sowohl Leben spendend und steht für die Schöpfungskraft. Trotz der positiven Darstellung als Lehrerin und Bewahrerin des kosmischen Gleichgewichts hat Xīwángmǔ – wie viele Schöpfungsgöttinnen – aber auch eine zerstörerische Seite. Damit ist sie die Göttin des Todes und Zerstörerin.
In diesem Aspekt wird sie als Monster mit menschlichem Antlitz, Tigerzähnen und Leopardenschwanz beschrieben.
Als Göttin der Epidemien befahl sie u.a. über die Dämonen der Pest. Später wandelte sie sich im daoistischen Volksglauben aber in ein anmutiges Wesen, das das Kraut der Unsterblichkeit bewacht und die Pfirsiche des unvergänglichen Lebens den Auserwählten reicht.
Das Raubtierhafte, das sich in Tigerzähnen und Leopardenschwanz ausdrückt behält sie aber, denn sie wird bisweilen auch als Katzengöttin dargestellt, was ihren „Yin-Aspekt“ der Weiblichkeit versinnbildlichen soll. Katzen werden mit in China auch mit Hexerei und Zauberei in Verbindung gebracht, das soll das Katzenwesen dieser Göttin wohl auch ausdrücken.
Manche DaoistInnen berichteten, von Xīwángmǔ oder von einer ihrer Botinnen übernatürliche Weisheiten empfangen zu haben. Sie gilt sogar als zentrale Quelle der Weisheit, analog der westlich-jüdisch-christlichen Sophia.
Chinesische Frauen ehren Xīwángmǔ indem sie Anfang des Jahres durch die Räume ihres Hauses schreiten und dabei eine dampfend heiße Schüssel Essig tragen. Das soll alle BewohnerInnen des Hauses das ganze Jahr lang vor Krankheiten bewahren. Dann gehen sie im Uhrzeigersinn rund um das Haus und visualisieren es gefüllt mit goldenem Licht, sie ziehen um das Haus eine goldene Mauer, ähnlich jener um den Palast der Göttin.
Um die Qualität und Energie dieser Göttin der höchsten Weiblichkeit zu erspüren, ist es auch gut, deinen weiblichen Aspekten auf meditative Art zu begegnen und jene Frauen zu ehren, die dein Leben beeinflusst haben.
Das geht oft auch mit einem ganz einfachen „Danke“.
auch: Hsi Wang Mu, Chin Mu