Ayizan – Göttin und Geistwesen in der afrikanischen und karibischen Religion des Voodoo

Besonders verbreitet ist der Glaube an Ayizan auf Haiti. Sie erscheint als Göttin, Geistwesen oder eine Heilige.

Die fröhliche, geschäftstüchtige Beschützerin

Besonders verbreitet ist der Glaube an Ayizan auf Haiti. Sie ist in ihrem Ursprung die Göttin der Erde in ihrer ursprünglichen Heimat beim westafrikanischen Volk der Fon. Bei der Verschleppung der Menschen aus Westafrika wurde der Glauben an sie auch transferiert und nun findet man viele Rituale für sie in der Karibik.
Ihr Name „Ayizan“ leitet sich von „ayi“ ab, was „Erde“ bedeutet, und „zan“, was „heilig oder göttlich“ bedeuten kann, was ihre tiefe Verbindung zur Erde und die Heiligkeit des Lebens unterstreicht.
Ayizan erscheint als Göttin, Geistwesen oder eine Heilige (bezeichnet als Loa). Sie ist die mystische erste Priesterin des Voodoo, oberste AhnInnen-Loa. Durch den Synkretismus zwischen Christentum und Voodoo wurde sie mit der katholischen Heiligen Klara gleichgesetzt.

Beschützerin der Markthändlerinnen

Als Urmutter symbolisiert sie auch die Gebärmutter. Sie ist die Göttin der Heilkunst, des Marktes, des Handels und der PriesterInnenschaft. Sie soll mit einem weißen Kleid auf Märkten herum gehen. Dieses Kleid hat große Taschen, in denen sie Naschereien für Kinder hat.
Sie schützt auch alle öffentlichen Plätze sowie Türen und Schlösser. Ihr wohlwollendes Auge wacht über Geschäftsaktivitäten und Straßen, und Voodoo-Praktizierende wenden sich oft an sie, um bei ihren Unternehmungen Erfolg zu haben. In Vodou-Ritualen kann Ayizan um Segen für geschäftliche Unternehmungen gebeten werden, insbesondere für solche, an denen Frauen beteiligt sind, da sie auch als Beschützerin der Frauen gilt, die auf dem Markt arbeiten.
Ihre Verbindung mit Marktplätzen spiegelt nicht nur ihre Rolle bei der Überwachung des Handels wider, sondern auch ihre Kontrolle über den Austausch von Wissen und spiritueller Macht, was sie sowohl zu einer wörtlichen als auch symbolischen Figur des Überflusses und Wohlstands macht.
In der haitianischen Gesellschaft ist der Marktplatz mehr als nur ein Ort des wirtschaftlichen Austauschs, er ist vielmehr ein zentraler Knotenpunkt sozialer und kultureller Interaktion. Aus diesem Grund wird Ayizans Anwesenheit auf dem Marktplatz als entscheidend für die Gewährleistung von Harmonie, Gerechtigkeit und Wohlstand angesehen.

Ayizan verkörpert die heiligen Mysterien der Initiation, des Handels und der spirituellen Macht. Als eine der grundlegenden Loa ist sie verbunden mit dem Initiationsritus des Voodoo, dem Kanzo. Ohne ihre Führung und ihren Schutz wären die Initiierten nicht in der Lage, den Übergang vom Laien zum Priester oder zur Priesterin erfolgreich zu vollziehen. Auf diese Weise ist Ayizan sowohl eine spirituelle Mutter als auch eine Torhüterin der heiligen Mysterien und stellt sicher, dass nur diejenigen initiiert werden, die des Vodou-Priestertums würdig sind.

Sie trinkt keinen Alkohol, daher wird er ihr auch nicht als Weihegabe dargebracht. Weihegaben für sie sind insbesondere Mais und andere erdbasierte Feldfrüchte, die Ayizans Verbindung zu Fruchtbarkeit und Überfluss symbolisieren.

Göttin des Vergnügens

Ayizan und ihr Mann Loco waren das erste PriesterInnen-Paar. Gemeinsam gelten sie als die Eltern der Moral und als die größten HeilerInnen. Mit ihrem Moralbegriff ist es aber durchaus vereinbar, dass Menschen Freude und Genuss haben. Der Tradition zufolge ist Ayizan so etwas wie die moralische Gouvernante der Menschheit, die uns hilft, unser Verlangen nach Vergnügen mit Schuldgefühlen in Einklang zu bringen.

Ayizan und Loco sollen das erste Menschenpaar gewesen sein, das zu Loa erhoben wurden.

Noch als Menschenfrau soll sie allerlei Magie zur Abwehr von Schadenszauber entwickelt haben. Daher kommt auch eine Besessenheit durch Ayizan selten vor. Von den PriesterInnen wird sie vor allem in schwierigen Situationen angerufen, in denen sie selbst nicht weiterwissen. Ihre Lösungsansätze sind oft durch große Heiterkeit getragen. Oft liegt eine Lösung ja auch darin, einfach nicht alles so ernst zu nehmen und fröhlich zu sein.

Am Faschingdienstag Getreide werfen

Zu ihren Geschenken gehört daher auch der „Mardi Gras“ („Fetter Dienstag“), der Faschingsdienstag, in dem Menschen ungezügelte Fröhlichkeit leben können. Im Namen der Ayizan wird getanzt und fröhlich, ausgelassen bis hemmungslos gefeiert. Ein Ritual ihr zu Ehren ist das Werfen von Getreide verbunden mit einem Wunsch. Da der Name von Ayizan auch mit „Heiliger Boden“ übersetzt wird, fallen diese Weihegaben quasi direkt auf sie.
Dies soll das Böse vertreiben, insbesondere Neid bzw. Eifersucht und auch vor dem „Bösen Blick“ schützen. Der Brauch, im Fasching Konfetti zu werfen, könnte von daher stemmen. Auch das Werfen von Reis bei Hochzeiten hat einen ähnlichen Hintergrund. Dieses Getreidewerfen rund um das Haus können wir sozusagen als Schutzmagie auch machen. Es heißt, dass dann Vögel die Wünsche in ihren Schnäbeln direkt zu Ayizan tragen!

Nach der verrückten Zeit des Faschingsdienstags schenkt die Göttin auch wieder Zeiten innerer Einkehr und stiller erleuchtender Momente. Sie bringt damit vor allem seelische Gesundheit und Balance und beschützt die Menschen vor Problemen und Schwierigkeiten.

Palmblatt als stilisierte Vulva

Ihr Symbol ist ein Palmblatt, ihr Zeichen besteht aus den Buchstaben A und V, die übereinander gelegt sind und somit eine stilisierte Vulva-Form darstellen — das „Tor“ aus dem alles Leben kommt. Dies ist oft mit Sternen und Spiralen geschmückt (siehe z.B. hier). Dieses Zeichen kommt auch im Palmblatt zum Ausdruck, das ihr zu Ehren bei den Zeremonien geschwungen wird und gute Energie verbreiten soll.
Vor allem bei Initiationszeremonien werden Palmwedel als Reinigungswerkzeug verwendet, was Ayizans Rolle bei der Reinigung und Vorbereitung von Menschen auf ihre neuen spirituellen Aufgaben widerspiegelt. Die Wedel repräsentieren auch ihre Verbindung zur Erde und ihren Status als nährende und beschützende Mutterfigur.
Ihre Farben sind am häufigsten Gold, Gelb und Weiß.

Um die Energien von Ayizan zu rufen und sie um ihren Segen zu bitten, ist es gut, zu tanzen. Frauen werfen auch (nicht nur am Faschingsdienstag) mit Wünschen Getreidekörner in die Höhe, damit die Freude und das Vergnügen förmlich herunter regnen kann. Alle, die von diesen Körner getroffen werden, sind vom Bösen beschützt. Die Getreidekörner sollen dann am Boden liegen bleiben, damit Vögel die Wünsche direkt zu Ayizan tragen können.

auch: Grande Ai-Zan, Aizan, Ayizan Velekete 

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