Izanami gebar nicht nur Gottheiten sondern auch Materie, Lebewesen, die Berge, die Bäume, die Tiere zu Land und im Wasser und so fort.
Mutter der Erde
Im japanischen Schöpfungsmythos „Nihonshoki“ und nach den mythologischen Texten des Kojiki und Nihongi aus dem 8. Jahrhundert n.u.Z. war die Welt anfangs ein Chaos.
Dieses lag in einem Ei, in dem Himmel und Erde (bzw. Yin und Yang) noch nicht getrennt waren. Irgendwann schwebte dann der leichte und klare Teil hinauf und wurde zum Himmel, während der schwere und festere Teil herab sank und zur Erde wurde.
Diese trieb jedoch noch auf der Oberfläche des Ur-Ozeans dahin, in dem sich alsbald fisch- oder quallenartige Gebilde umher tummelten. Aus diesen entstanden schilfartige Sprossen und diese wiederum wurden zu den ersten drei Gottheiten — jene des Himmels und der schöpferischen Kräfte.
Sechs Generationen dieser noch sehr unbestimmt beschriebenen Gottheiten gab es, bis schließlich in der siebenten Generation das Geschwister- und gleichzeitig Ehepaar Izanami und Izanagi in Erscheinung traten und damit die eigentliche mythologische Erzählung einleiten.
Ihre erste Tat war es, die Reste des uranfänglichen Chaos zu beseitigen und das Festland zu erschaffen.
Der verquirrlte Urozean
Die Legende erzählt dazu eine bemerkenswerte Geschichte: Auf einem Regenbogen (poetisch ausgedrückt: einer Himmelsbrücke) stehend, tauchten sie eine himmlische Juwelenlanze in den Ozean und rührten diesen kräftig um. Als sie die Lanze aus dem Wasser hoben, tropfte von der Spitze Salz herab.
Dieses formte sich zum ersten Land, der Insel Onogoro. Auf diese Insel stiegen die beiden hinab, errichteten darauf einen Palast und einen Himmelspfeiler, den sie in einer Art Fruchtbarkeitstanz umkreisen und vollführten daraufhin die heilige Hochzeit.
Izanami war über die Schönheit von Izanagi so entzückt, dass sie ihm das freudig sagen musste. Er allerdings freute sich gar nicht über dieses Kompliment sondern war in seiner männlichen Eitelkeit darüber zornig, dass sie die ersten Worte ausgesprochen hatte.
In diesem seinen Zorn zeugte er mit Izanami zwei Kinder, die mit Gebrechen behaftet waren: Den missgebildeten Sohn Hiruko, das „Blutegel-Kind“, (dieser wurde kurzerhand im Wasser auf einem Floß ausgesetzt) und eine Tochter, die sie ebensfalls nicht zufrieden stellen konnte. Allerdings war diese immerhin dazu zu gebrauchen, aus ihr eine Insel zu machen – die Insel Awa, die sich an der Küste von Osaka befindet.
Die vielen Nachkommen des fruchtbaren Urpaares
Danach schien sich Izanagi aber beruhigt zu haben und nun machten sie alles richtig, denn es folgen noch viele weitere Nachkommen: Zuerst einmal zeugten sie die „acht Inseln“ Japans, in der frühen Mythologie der Kosmos schlechthin.
Dann kamen viele kleine göttliche Kinder: Der Meeresgott Owatatsumi-no-Kami, die Hafengottheiten Kamihaya-akitsu-hiko (er bestimmte von den Häfen aus über das Land) und Haya-akitsu-hime (sie bestimmte über die See), der Windgott Kami-Shinatsuhiko-no-Mikoto, dessen erster Atemzug gleich so stark war, dass alle Wolken und Nebel, die noch vom Urchaos in der Atmosphäre herum hingen, weggeblasen wurden.
Daraufhin füllte sich die Erde bis in ihren letzten Winkel mit Licht. Es folgten die Baumgottheit Kukunochi-no-Kami, die Göttin der Berge Oyamatsumi-no-Kami und schließlich Kayanuhime-no-Kami, die Göttin der Ebenen.
Izanami gebar aber nicht nur Gottheiten sondern auch Materie, Lebewesen, die Berge, die Bäume, die Tiere zu Land und im Wasser und so fort.
14 Inseln und 35 Gottheiten hatte Izanami bereits geboren, als sie schließlich den Feuergott Kagutsuchi no Kami zur Welt brachte, der bei seiner Geburt jedoch die Genitalien seiner Mutter so schwer verbrannte, dass sie starb.
Da dies zum allerersten Mal passierte, dass jemand starb, heißt es, sie hat damit auch den Tod auf die Erde gebracht. Doch selbst aus ihrer Leiche entstanden noch weiter Gottheiten.
Aus ihrem Mund sprangen Kanayama-biko und Kanayama-hime, Gott und Göttin der Metalle und aus anderen Teilen ihres Körpers kamen Haniyasu-hiko und Haniyasu-hime, Erdgott und Erdgöttin hervor.
Der Abstieg der Izanami in die Unterwelt
Izanagi — über den gewaltsamen Tod seiner Frau tief empört — erschlägt seinen Feuersohn, der sich aber sofort in weitere Feuergottheiten aufspaltet. Aus den Tränen Izanagis entstehen abermals neue Göttinnen und Götter.
Die Göttin Izanami weilt indes bereits in der Unterwelt, in die ihr Göttergatte (ähnlich wie Orpheus) hinabsteigt, um sie zurückzuholen.
Hier geschieht, was sich in vielen Mythen rund um den Erdkreis auftaucht: Izanami hat im Totenreich schon Speisen zu sich genommen, daher lassen sie die Gottheiten der Unterwelt nicht mehr frei. Izanagi will sie jedoch unbedingt noch einmal sehen, was ihm Izanami allerdings strikt verbietet. Er hält sich nicht an das Verbot und entzündet aus einem Zahn seines Kamms eine Fackel, mit der er den toten Körper seiner Frau anleuchtet.
Dieser ist voller Würmer und acht Donnergötter hausen in ihr. Daraufhin flieht Izanagi vor Entsetzen. Aber Izanami, selbst zur Dämonin geworden und erbost darüber, dass ihr Mann sie gegen ihren Willen sehen wollte, will Izanagi nun in der Unterwelt festhalten und verfolgt ihn bis zur Pforte. Da sie immer als wunderschöne Frau angesehen war, wollte sie nicht, dass dieses Bild von ihr an die Erdoberfläche kommt. Ihr Mann rennt also, was das Zeug hält und schafft es, bis zur Pforte der Unterwelt zu gelangen, die er im letzten Moment mit einem Felsen von außen verschließt.
Fortan sind daher die Welten der Lebenden und das Totenreich durch eine geheiligte Grenze voneinander getrennt. Durch diese scheinen die beiden jedoch noch zu kommunizieren, denn Izanami schwört, täglich tausend Menschen in die Unterwelt zu holen, worauf Izanagi schwört, täglich 1.500 Gebärhütten zu errichten. Dies war der Beginn des menschlichen Lebens und des Todes.
Neue Obergöttin wird Amaterasu
Nach all dieser Aufregung vollzog er eine rituelle Waschung, um sich von der Verunreinigung mit dem Tod zu säubern. Dabei wurde aus seinem linken Auge die Sonnengöttin Amaterasu geboren, aus dem rechten Auge der Mondgott Tsukuyomi und aus der Nase der Sturmgott Susano-o, die alle im Schintoismus auch heute noch eine wichtige Rolle spielen.
Izanami bleibt in Unterwelt und der Dunkelheit, deren Gebieterin sie fortan ist. Nach wie vor wird Izanami in der japanischen Mythologie vor allem auch als Schöpfungsgöttin und als „Mutter der Erde“ bezeichnet.Izanagi zieht sich in den Himmel zurück und überlässt alle seine „Amtsgeschäfte“ Amaterasu, die damit zur oberste Gebieterin über alle Gottheiten wird. Nach manchen Überlieferungen soll Izanami allerdings auch in der japanischen Region Hokkaido leben, einem der kältesten Plätze der Erde.
Sie ist dort von Kranichen mit roten Krönchen umgeben. Izanami und Izanagi werden in Japan nicht verehrt, denn niemand würde es wage
n, die Urgottheiten selbst anzubeten, das wäre für einfache Menschen viel zu vermessen.
Gegen ihren Befürchtungen wird Izanami jedoch immer noch als wunderschöne, oft auch nackte Frau dargestellt, die an ihrem Feiertag, dem 7. Januar besonders geehrt wird
auch: Izanami no Mikoto (deutsche Übersetzung: „die Frau, die einlädt“)