Die buddhistische und taoistische weibliche Verkörperung des Mitgefühls ist Inbegriff für inneren und äußeren Frieden sowie für Gnade, Barmherzigkeit und beschützende Liebe.
Lichtvoller Strahl der Gelassenheit
Die buddhistische und taoistische weibliche Verkörperung des Mitgefühls ist Inbegriff für inneren und äußeren Frieden sowie für Gnade, Barmherzigkeit und beschützende Liebe. Ihr voller Name lautet Kwan-shai-yin — das bedeutet „die das Weinen der Menschen wahrnimmt“ bzw. „die, die das Weinen der Welt hasst“.
Kwan Yin wirkt im Strahl der Liebe, sie fördert Heilung, Toleranz und die Hingabe in den Fluss des Lebens. Als weiblicher Bodhisattva im ostasiatischen Mahayana-Buddhismus ist Kwan Yin eine aufgestiegene Meisterin, wird aber im Volksglauben auch als Göttin verehrt.
Bedingungslose Liebe, liebevolle Hinwendung
Kwan Yin manifestiert sich in allen erdenklichen Formen. Sie ist immer dort, wo ein Wesen ihrer Hilfe bedarf, vor allem wenn jemand von Wasser, Dämonen, Feuer und Schwert bedroht ist.
Besonderes Anliegen von Kwan Yin sind die Frauen und die ankommenden Seelen, die sich als Kinder inkarnieren wollen. Sie bringt Kindersegen, daher wenden sich vor allem auch Frauen mit ihrem Kinderwunsch an sie.
Als Verkörperung der göttlichen Mutter steht sie für bedingungslose Liebe, die Stärkung der Fähigkeit zu liebevoller Hinwendung und für Geborgenheit — wie sie nur im Schoße einer (göttlichen) Mutter erfahrbar ist.
Heilung auf allen Ebenen des Daseins
Als meditative Göttin der Transformation balanciert sie jedes Ungleichgewicht aus und schenkt Heilung auf allen Ebenen des Daseins. Kwan Yin erwartet weder Anbetung noch aufwändige Rituale.
Es genügt ihr, um Hilfe gebeten zu werden und sie ist da. Es wird gesagt, dass sie jedes Gebet, das ihr zu Ohren komme, erhöre. Ihre Kraft ist so groß, dass schon allein das Aussprechen ihres Namens genügt, damit Leid und Elend gemildert, Schutz und Trost gewährt und Menschen von körperlichen und geistigen Schäden befreit werden.
Während die meisten anderen chinesischen Gottheiten in Tempeln verehrt werden, lebt Kwan Yin in den Häusern der Menschen, hat dort ihre kleinen Hausaltäre und nimmt sozusagen ganz selbstverständlich am Alltag der Menschen teil.
Mitgefühl = Mitleid + Mitfreude
Kwan Yin wird oft mit der Jungfrau Maria der christlichen Tradition verglichen, sie wird jedoch von weitaus mehr Menschen verehrt und ist im Gegensatz zu Maria eine Bodhisattva, also Wesen, welches bereits erleuchtet ist, aber den Eingang ins Nirvana (vergleichbar mit dem Paradies) solange zurückstellt, bis alle Wesen die Erleuchtung gefunden haben. Maria hat ja die Welt verlassen und ist in „den Himmel aufgefahren“.
Kwan Yin hat also bereits den ewigen Kreislauf der Reinkarnationen und die damit verbundenen Leiden überwunden. Sie ist frei von Karma und kommt freiwillig immer wieder, damit die Menschen die Liebe zu allem, was in ihnen selbst ist, wieder finden. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff des „Mitgefühls“ interessant: Mitgefühl umfasst im Gegensatz zu Mitleid unter anderem auch die Mitfreude, ist also nicht auf Leid beschränkt. Kwan Yin hat daher im Gegensatz zu gängigen mütterlich-besorgten-mitleidenden Marien-Darstellungen eine fröhliche, freudige und spielerisch-leichte Energie.
Aber in ihrer Rolle ist sie durchaus vergleichbar mit jener, die Maria in der christlichen (vor allem katholischen) Welt hat. Frauen haben oft ein Bedürfnis sich an eine andere Frau zu wenden — an eine, der sie vertrauen können. Eine, die Bedürfnisse und Wünsche von Frauen kennt. Sowohl Kwan Yin wie auch Maria sind dafür sehr gut geeignet.
Das Schriftzeichen guān heißt „betrachten, anschauen, einen Blick auf etwas werfen“, oder „Anschauung, Ansicht“, yīn bedeutet „Ton, Laut, Schall“. Der Name der Göttin ist die Kurzform von Guānshìyīn und bedeutet „die Töne der Welt wahrnehmend“. Sie hat auch die Beinamen „sho“ bzw. „shai“ — „die Weise“, und „Nyoirin“ — „die Allmächtige“.
In einer anderen Auslegung steht Quan für Erde und Yin für die dynamische weibliche Lebenskraft. Sie ist somit auch Erdgöttin.
Sie sieht das Leid überall auf der Welt
Kwan Yin ist eine kraftvolle Lehrerin vor allem für Frauen, bei denen die Befähigung für tiefes Verstehen, mitfühlende Weisheit und mutiges, fähiges Handeln von Anbeginn angelegt ist. Eine jede wird aus der Ganzheit heraus geboren.
Die Kraft des Mitgefühls kommt zum Tragen, wenn wir uns selbst in unserer Gesamtheit annehmen und ehren. Die Göttin ist immer dann spürbar, wenn ihre sehr schöne, klare und feinsinnige Gegenwart, ein sehr fokussierter und lichtvoller Strahl direkt das Herz berührt.
Ihr Symbol ist eine weiße Lotusblüte, mit der sie den göttlichen Nektar auf das Leben sprenkelt sowie ein Gefäß, gefüllt mit dem Nektar der Güte, des Mitgefühls und der Weisheit.
Auf Darstellungen sieht man Kwan Yin oft mit vielen Augen, damit sie das Leid überall auf der Welt sieht, und vielen Arme, damit sie überall helfen kann. Literarisch wird sie mit 1000 Augen und 1000 Armen beschrieben.
Ihre Darstellungen wirken immer sehr ansprechend, denn Kwan Yin strahlt mit ihrem fein angedeuteten Lächeln große Ruhe und Gelassenheit aus.
Meist steht oder sitzt sie auf einem Lotus, auf schäumenden Wellen, auf einem Delfin oder einem Drachen. Dieser ist ein altes Symbol für Spiritualität, Klugheit, Stärke, Transformation aber auch für Schutz.
Im Himalaja erscheint Kwan Yin verirrten WanderInnen im Schneesturm als Lung-Nu, dem Drachenmädchen. Sie weist ihnen eine sichere Höhle, geschützt vor Wind und Kälte.
Traditionell gab es mehrere Feiern für Kwan Yin: Der 19. Februar wird als ihr Geburtstag angesehen, der 12. Juli markiert das Datum ihres heiligen Schwur, dass sie immer wieder auf die Erde als Bodhisattva zurückzukehrt. Sie wird auch am 5. April und am 14. Oktober gefeiert.
Die Verwandlung der Hölle in ein Paradies
Über Kwan Yin gibt es viele Legenden, die bekannteste ist wohl folgende: Sie soll als Miao Shan, der dritte Tochter des Königs Miao Chu
ng tatsächlich gelebt haben. Gegen den Willen ihres Vaters tritt sie ins Kloster der Weißen Spatzen ein.
Ihr Vater versucht sie mit allen Mitteln zur Rückkehr in die Weltlichkeit zu bewegen, nicht zuletzt, weil er sie verheiraten will. Schließlich will er sie durchs Schwert töten lassen.
Doch in diesem Moment erscheint Yama, der Herr der Höllen, ein Todes- und Richtergott. Dieser entführt sie in die Unterwelt. Dort lindert sie die Qualen der Verdammten und verwandelt diesen Ort in ein Paradies. Darauf lässt Yama sie frei, und sie wird auf der Insel P’u-t’ou-shan wiedergeboren, wo sie die Seeleute vor Stürmen schützt. Als ihr Vater schwer erkrankt, heilt sie ihn, indem sie ein Stück ihres eigenen Fleisches auf die kranke Stelle legt. Aus Dankbarkeit lässt ihr Vater zu ihren Ehren eine Statue errichten.
Erkennt das strahlende Wesen in jedem Menschen
In einer anderen Version der Legende lebte sie als Tochter eines Fürsten in China und begab sich gegen den Willen und die Verbote ihres Vaters in die Gesellschaft des armen, gemeinen Volkes. In all ihrem Überfluss erfuhr sie somit das Mitgefühl für die Armen, Obdachlosen und Bedürftigen, denen Sie Nahrung, Liebe und Obdach doch vor allem Selbstliebe und Selbstannahme gab.
Um ihre vielen Aufgaben zu erfüllen, konnte sie in ihrem materiellen Körper für die Dauer von ungefähr 1.000 Jahren auf Erden bleiben.
Es heißt, Kwan Yin war im Begriff, den Himmel zu betreten, blieb aber an der Schwelle stehen, als sie die Schreie der Welt hörte und entschloss sich, auf Erden zu bleiben. Sie hat das Erdendasein also in seiner ganzen Breite erfahren und damit gelernt, die Meisterschaft der wahren Liebe zu gewinnen. Meisterschaft bedeutet „Nicht-Bewerten“ — im TAO sein. Damit kann sie in allen Menschen das strahlende innere Wesen erkennen — selbst dort, wo diese es längst aufgegeben haben, danach zu suchen.
Die Gabe der Gelassenheit
Neben aller Liebe, Gnade, Mitgefühl und Barmherzigkeit ist eine ganz wesentliche Gabe von Kwan Yin die Gelassenheit. Daraus kann alles andere entstehen.
Damit ist sie speziell in unserer Zeit eine sehr aktuelle Göttin für Frauen. Frauen, die an die Grenzen ihrer „Multi-Tasking-Fähigkeiten“ stoßen, die sich über vieles — zu Recht — ärgern, die sich kaum die Zeit für Meditation oder auch nur ein Viertel Stündchen durchschnaufen nehmen können, sind bei Kwan Yin gut aufgehoben.
Es heißt, dass die Göttin Frieden und Großzügigkeit so verinnerlicht hat, dass sie damit auch alle erfüllt, die mit ihr in (Stoß-)Gebet oder Meditation in Kontakt treten.
Immer nur gerade ein Gebet weit weg
Kwan Yin kann Menschen überall auf der Welt erreichen. Sie ist immer nur gerade ein Gebet weit weg. Besonders mag sie es, wenn Frauen ihren Namen singen, nicht nur wenn sie in Not sind, sondern auch wenn sie etwas zu feiern haben. Gesänge ziehen die Göttin an und lassen sie lauschen.
Frauen, von denen oft Mitgefühl, Kraft, Verständnis, liebevolle Zuneigung verlangt werden, verhilft Kwan Yin dazu, Kanal zu sein. Frauen müssen nicht alles selbst machen und sich damit verausgaben.
Wenn sie sich von Kwan Yin helfen lassen, dann kann die Göttin ihre heilenden Kräfte durch Frauen fließen und ihre Stimme ertönen lassen sowie mit ihrer Weisheit und Fröhlichkeit ihren Geist erfüllen.
auch: Kwan-shai-yin, Kuan Yin, Kuan-yin, Kuan-shi-yin, Guan Yin, Guan Shi Yin, Quwan Yin, Quan Yin,
japanisch: Kannon, Kwannon, Kanzeon oder Kanjizai
vietnamisch: Quan Âm oder Quan Thế Âm Bồ Tát
1 Gedanke zu „Kwan Yin – Buddhistische und taoistische weibliche Verkörperung des Mitgefühls“