Minakshi – Hinduistische-tamilische Wasser- und Kriegsgöttin

Minakshi wird als lokale Erscheinungsform von Parvati angesehen, sie wird vor allem in Südindien sowie in Teilen der indischen Diaspora verehrt. Der Name dieser Göttin bedeutet „die Fischäugige“.

Die Fisch-Äugige

Minakshi artedea

Minakshi wird als lokale Erscheinungsform von Parvati angesehen, sie wird vor allem in Südindien sowie in Teilen der indischen Diaspora verehrt. Ihre Verehrung manifestiert vor allem an ihrem Haustempel im zentralen Schrein in der Stadt Madurai im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, wo dem Mythos zufolge die Hochzeit zwischen ihr und dem Gott Shiva, der dort Sundareshvara heißt, stattfand.

In Südindien gibt es darüber hinaus einige wenige Tempel, in denen ein Nebenschrein der Göttin Minakshi gewidmet ist. Ausgewanderte TamilInnen errichteten allerdings auch in Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius, und in der texanischen Stadt Pearland Tempel für diese Göttin, deren Verehrung auch in der Ferne auf ihren Ursprungsort Madurai bezogen ist.

Die schönen Augen von Minakshi

Der Name dieser Göttin bedeutet „die Fischäugige“. Dies bezieht sich wahrscheinlich auf die Schönheit ihrer Augen, welche die lange und anmutige Form eines Fisches hatten (in der indischen Dichtung werden in ähnlicher Weise die Augen schöner Frauen oft mit Lotusblättern verglichen). Ihr Name wird auch damit erklärt, dass indischen Vorstellungen zufolge die Gottheiten ebenso wenig wie Fische mit den Augen blinzeln.

Und natürlich weisen die Fische auch auf eine Wassergöttin hin. Minakshi ist daher die Schutzgöttin der FischerInnen, ebenso wie Mutter- und Kriegsgöttin.

Die Göttin wird meist mit grüner Haut dargestellt. In der Regel wird sie gemeinsam mit zwei Fischen abgebildet. Ihr Vahana (= Zugtier, Wagen, Fahrzeug, göttliches Reittier) ist ebenfalls ein Fisch. Ihre Attribute sind der Papagei und ein Blumenstrauß. Gelegentlich trägt sie auch ein Schwert, was auf ihren kämpferischen Aspekt hinweist.

In Ritualen zu Ehren dieser Göttin spielt ihr Blick eine zentrale Rolle. Die Göttin ist ganz Blick. Als ihr Bruder gilt Vishnu, ihr Gefährtin ist Shiva. Sie ist den Gramadevatas zuzurechnen.

Aus Flammen „geboren“

Interessant ist ihre Entstehungsgeschichte: Der kinderlose König namens Malayadhwaja Pandiyan suchte einen Erben für das Reich. Er beschloss, einen riesigen Tempel für den Gott Shiva im Wald zu bauen. um von seiner Kinderlosigkeit erlöst zu werden. Shiva gewährte ihm seine Gnade durch ein Ayonija-Kind (ein Kind, das nicht aus dem Mutterleib geboren wurde). Und so entstand aus einem Opferfeuer des Königs also dieses Kind, das gleich im Alter von drei Jahren den Flammen entstieg.

Es war eigentlich die Inkarnation der Muttergöttin Parvati, der Gefährtin von Shiva. Dieses Kind wurde wie ein Junge erzogen, obwohl es von Beginn an drei Brüste sowie schöne fischförmigen Augen hatte. Eine Stimme aus dem Himmel verkündete dem König, dass dritte Brust des Mädchens verschwinden würde, sobald sie ihren zukünftigen Ehemann erblickt. Sie wurde Minakshi aus den Worten „mina“ (= Fisch) „undaksi“ (=  Auge) genannt.

Sie regierte das Reich nach dem Tod des Königs, ihres „Vaters“, mit großer Weisheit und geschickter Verwaltung. Darüber hinaus wurde aus ihr eine große Kriegerin, die die ganze Welt erobern wollte. Das rührt möglicherweise daher, dass sie die beiden starken Elemente Feuer (aus dem sie gekommen ist) und Wasser verkörpert.

Die „Zähmung“ der wilden, starken Frau

Nachdem sie in vielen Schlachten siegreich gewesen war, führte sie ein Feldzug zum Himalaya-Gebirge (in einer anderen Version zum tibetischen heiligen Berg Kailash), um dort das Heer des Gottes Shiva herauszufordern. Doch bei seinem Anblick verschwand ihre zusätzliche dritte Brust.

Damit war klar, dass Shiva ihr Mann werden sollte. Viele der Göttinnen und Götter sollen gekommen sein, um ihre Ehe zu bezeugen. Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten verweigerten diese allerdings, das servierte Essen zu verspeisen – solange bis Shiva seinen majestätischen Tanz, den Tandava, vorführte. Er verkörperte und fusionierte damit alle Kräfte des Lebens und der Schönheit zu einer Einheit. Am Ende des Tanzes verschmolz seine Braut Minakshi mit dem „Shivalingam“ (dem göttlichen Geschlechtsorgan ihres Angetrauten) und wurde damit dem Mythos nach selbst die Darstellung des Lebens und der Schönheit.

Damit vollzog sich aber eine grundlegende Wandlung: Die sehr selbstbewusste, selbstbestimmte und kriegerische Göttin soll auf diese Weise von Shiva „gezähmt“ und in eine gehorsame und unterwürfige Ehefrau gewandelt worden sein. Ganz so, wie es auch der Göttin Parvati entspricht.

Diesem Akt werden zwei Bedeutungen zugeschrieben: Zum einen natürlich die offensichtliche: Dass sich die Frau dem Mann unterzuordnen hat und ihre wilde Natur von ihm gezähmt werden muss. Was möglicherweise auch den Übergang vom indischen Matriarchat in das Patriarchat anzeigt.

Zum anderen ist Minakshi eine Wassergöttin, die es in einem ihrer „Feldzüge“ selbst mit dem Himalaya-Gebirge aufnahm und dieses möglicherweise zu überschwemmen drohte. Oft geht die „Zähmung der wilden Natur“ mit jener der „wilden Frauen“ einher. Genauso wie das Wasser in künstlich angelegte Bahnen gelenkt wird, so versuchen patriarchale Einflüsse dies auch mit den Frauen zu tun.

Der kriegerische Sohn

Der Legende nach sollen Minakshi und Shiva gemeinsam über die Stadt Madurai geherrscht haben. Gemeinsam hatten sie einen Sohn, den Gott Karttikeya, der ihnen als Thronnachfolger unter dem Namen Ugra Pandya als Herrscher über Madurai folgte. Dieser Sohn geriet sehr seiner Mutter nach, er war nämlich ein Kriegsgott. Dargestellt wird dieser meist, in dem er die rechte Hand zur Geste der Furchtlosigkeit erhebt. Sein Attribut ist eine Lanze, die auf seiner rechten Schulter ruht. Auch das ist sehr typisch, dass kämpferische Mütter, die in ihrer Macht und Kraft unterdrückt sind, ihre Söhne so erziehen, dass diese jene kriegerische Seite ausleben, die der Mutter verwehrt wurde – nicht immer zum Wohle der Allgemeinheit.

Besser wäre es sehr oft in der Geschichte gewesen, man hätte den Frauen ihre Wildheit gelassen, als sie deren Kraft auf die Söhne übertragen zu lassen.

Der wilde innere Kern

Und was die Natur (die der wilden Wasser und auch jene der wilden Frauen) anlangt: Wirkliche Kraft kann man lange stilllegen, doch nie ganz eliminieren. Umso heftiger treten regulierte Bäche und Flüsse über die Ufer, wenn der Stau zu groß wird, umso machtvoller wirken Frauen, wenn sie genug von Unterdrückung und Zähmung haben und sich wieder auf ihren wilden inneren Kern besinnen.

auch: Mīnākṣī, Meenakshi

 

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