Aeracura war in keltischen und germanischen Gebieten bekannt. Nach einigen Theorien war sie jedoch ursprünglich eine illyrische Göttin. Als Feenkönigin, sowie als Fruchtbarkeits- und zugleich als Todesgöttin beschützt sie die Übergänge von der diesseitigen zur jenseitigen Welt.
Beschützerin der Übergänge
Aeracura war in keltischen und germanischen Gebieten bekannt. Nach einigen Theorien war sie jedoch ursprünglich eine illyrische Göttin. Als Feenkönigin, sowie als Fruchtbarkeits- und zugleich als Todesgöttin beschützt sie die Übergänge von der diesseitigen zur jenseitigen Welt.
Damit sind sowohl die Schwellen zwischen den Welten der Lebenden und Toten, als auch jene zwischen Menschen und anderen Wesenheiten, wie Feen gemeint. Dies ist der Grund, warum die Göttin von den Menschen oft auch als Fee bzw. Feenkönigin wahrgenommen wird.
Zu besonderen Zeiten, wenn die „Schleier“ zwischen den verschiedenen Welten sehr dünn sind (z.B. in der Nacht von 31. Oktober auf 1. November) kann sie einen Blick in die jeweils andere Welt gewähren.
Künste und Handwerk
Darüber hinaus ist Aeracura die Göttin des Handwerks, der Kreativität und der Künste. Dabei geht es vor allem um handfeste Künste, die mit Materie zu tun haben, wie etwa Keramik oder Schmiedekunst. Die Bestandteile ihres Namens haben vermutlich mit Erde (vgl. auch Hera) und Korn (vgl. auch Kore) zu tun.
Andere Deutungen sprechen von den bretonischen Wörtern Aer (Schlacht) und cura (besiegen). Die Göttin könnte damit auch eine Beschützerin in Schlachten gewesen sein. Ihre Begleiterinnen sind Wölfin oder Hündin bzw. eine weiße Hirschkuh (alte Bezeichnung dafür ist Hindin). Häufig wird sie mit Apfelkörben – Attributen der Fruchtbarkeit und Fülle dargestellt.
Aericura erscheint häufig in Begleitung des männlichen Gottes „Dis Pater“. Dieser ist der Gott des Reichtums, der Fruchtbarkeit der Erde und Herr der „Unterwelt“, also der „Gebärmutter“ der Erde. Wobei die Göttin in dieser mythologischen Beziehung sicher nicht einfach eine „Begleiterin“ eines potenten Anderswelt-Fürsten war. Vielmehr ist sie die dominante Erdmutter, die Fruchtbarkeitsgöttin sowie der aufnehmende Schoß von Mutter Erde in deren Todesaspekt.
Wie auch in anderen Mythen wählte die Göttin einen Heros, der in ihrem Auftrag all dies verwaltet bzw. nach außen präsentiert , während sie sich mit den wesentlichen Dingen des Werdens, Sterbens, Aufnehmens und Wiedergebärens beschäftigt. Verbreitet ist die Göttin Aeracura hauptsächlich im Donaugebiet, in Süddeutschland und Slowenien, jedoch tauchen Darstellungen von ihr auch im heutigen Italien, Belgien, Britannien und Frankreich auf. Als eine der Belege für Aeracuras namentliche Verehrung im Gebiet des heutigen Österreich gilt eine (in lateinischer Schrift beschriebene) Tafel aus Blei, auf der die Göttin angerufen und die in Bregenz gefunden wurde.
Andere wichtige Fundstellen mit Spuren Aerecuraes liegen im oberitalienischen Aquileia, im Piemont und in Umbrien, auf Istrien und sogar in Rumänien (Verespatak).
Versinnbildlicht den sehr selbstbestimmten Aspekt einer Erdgöttin
Die Verehrung und der Stellenwert von Aeracura war unter der Bevölkerung so groß, dass diese Göttin im Zuge der Christianisierung nicht einfach abgeschafft werden konnte, sondern ihre mythologische Nachfolge gewährleistet bleiben musste.
Die Platzhalter-Funktion wurde – wie bei vielen anderen Göttinnen – von einer christlichen Heiligen eingenommen. Im speziellen Fall ist dies vor allem die Heilige Notburga. Diese ist in vielen verschiedenen Gestalten überliefert – z.B. Notburga von Rattenberg, von Bühl, von Köln, von Hochhausen etc.
Der Name dieser Heiligen bedeutet „Die vor Not Schützende“. Es gibt zu ihr auch den sehr sinnigen Spruch: „Notburga hilft gegen die Not und bringt das tägliche Brot“. Damit steht sie in direkter Verbindung mit den alten Erd- und Erntegöttinnen. Von Notburga von Rattenberg wird z.B. erzählt, dass sie bei bei den Armen sehr beliebt war, da sie ihnen oft Brot zusteckte, das sie vermutlich ihrem Dienstgeber entwendet hat.
Diese Heilige wird oft als gottesfürchtige, harmlose und vorbildhaft brave Dienstmagd dargestellt. Sie war jedoch alles andere als das. Sie versinnbildlicht im Grunde den sehr selbstbestimmten Aspekt einer Erdgöttin, die nach ihren eigenen Regeln und Gesetzen lebt und handelt. Notburga von Rattenberg in Tirol etwa verursachte ihren Dienstgebern vielfachen Ärger.
Zu Zeiten, als es noch lange keine Gewerkschaft gab, soll sie es z.B. gewagt haben, sich einer Verlängerung der Arbeitszeit zu widersetzen. Als sie gezwungen werden sollte, nach Feierabend die Erntearbeit fortzusetzen, hängte sie stattdessen demonstrativ ihre Sichel bei Seite. Da sich auf dem Kornfeld kein Nagel fand, nahm sie dafür kurzerhand einen Strahl der untergehenden Sonne. Der erschrockene Bauer ließ sie daraufhin ziehen.
Notburga von Hochhausen war eine „Braut Christi”. Sie soll sich einer arrangierten Hochzeit mit einem „heidnischen Barbarenhäuptling” mit einer Flucht auf einer weißen Hirschkuh (alter Ausdruck dafür ist Hindin, das heilige Tier der alten Göttin) in eine abgeschiedene Höhle widersetzt haben. Der Vater stöberte sie in der Höhle auf und riss ihr, als er sie aus dieser zerren wollte, den Arm aus. Er verschwindet daraufhin mit dem makabren Souvenir. Da kommt eine Schlange mit Heilkräutern und versorgt die Verstümmelte, sodass der Arm wieder angewachsen sein soll. Dieses „Wunder” kann auch auf die Unversehrtheit einer Göttin hinweisen, die mit der Schlangen-Erdkraft in Verbindung steht, die ja immer für Regeneration steht.
Die Genesene lehrt den Menschen der Umgebung und den Kriegern des Königs den Ackerbau und wird von diesen schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt. Damit tritt sie natürlich in die Fußstapfen der alten Erdmuttergöttin Aeracura.
Die Kölner Notburga soll eine Nichte von Pippin II., dem König von Aquitanien gewesen sein und war lieber „Braut Christi” als die Gemahlin irgendeines Fürsten. Sie soll zu einer Familien-Heiligen der Pipinniden geworden sein, da sie in ihrer beispiellosen Frömmigkeit in der Lage war, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Wenn wir uns noch ihren Feiertag, den 31. Oktober ansehen – also das keltische Samhain – ist die Verbindung zur Großen Göttin über Leben und Tod noch deutlicher. Damit steht sie an der Schwelle zwischen Leben und Tod, wie es auch von Aeracura erzählt wird.
Auch ihr Feiertag ist interessant. Es ist der 31. Oktober, von dem es heißt, dass Aeracura sie einen Blick durch die Schleier in die Anderswelt gewährt.
Und natürlich ein wichtiger Tag im keltischen Jahreskreis: Samhain.
Fruchtbarkeit für Frauen, Vegetation und Erde
Für die Rattenberger Notburga, die oft mit einer Sichel als dem verbindenden Element für Licht, zyklische Fruchtbarkeit der Mondkraft und Erntesegen dargestellt wird, veranstaltet man noch heute in Eben am Achensee jährlich am 13. September einer Flur-Prozession, bei der eine Notburga-Statue durch die Felder getragen, was Fruchtbarkeit und gute Ernte bringen soll.
Die Göttin Aeracura bzw. ihre Stellvertreterin Notburga hilft also bei allen Anliegen der persönlichen Fruchtbarkeit wie jener der Vegetation und Erde. Da sie selbst zwischen den Welten steht, hat Aeracura viel Verständnis und jede Menge unterstützende Energie für Frauen bei ihren oftmaligen Jonglierakt zwischen verschiedenen Lebenswelten wie Mutterschaft und Beruf.
Aeracura ist immer dort, wo Altes vorübergeht und Neues entstehen soll. Sie steht bei Wandel, Übergängen und dem Wechsel von Lebensumständen aller Art bei. In dieser Funktion fungiert sie auch als Wegweiserin im täglichen Leben, das einem ständigem Wandel ausgesetzt ist. Dies beginnt bei der Geburt und endet beim Tod – zwei Lebensstadien, die schlussendlich auch nur Übergänge sind. Aeracura unterstützt, hilft und tröstet.
Um ihre Energie richtig wahr nehmen zu können, ist es gut, anzuerkennen, dass das Leben ständig aus Übergängen besteht: Nichts ist beständiger als das Unbeständige.
auch: Aericura, Arricura, Heracura, Herecura, Herequra, Hera Domina, Era oder Haera