Sheela-na-gig – Irisch-keltische Göttin des Schutzes, der Geburt, des Todes, der Fruchtbarkeit, der Lebensfreude und der weiblichen Kraft

Alle Darstellungen der Sheela-na-gig ähneln einander sehr. Sie zeigen eine nackte Frau, meist eher mager und alt mit einem zu ihrem kleinen Körper verhältnismäßig großen Kopf. Sie hockt oder steht mit gespreizten Beinen und präsentiert ihre Vulva.

 Weiblicher Ursprung

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Bekannt und sehr verbreitet sind vor allem die Abbildungen der Sheela-na-gig, auf denen sie grinsend ihre offene Vulva zeigt. Diese werden mehrheitlich in Irland, aber auch in Schottland, England und dem übrigen Europa gefunden. Meist handelt es sich dabei um Steinritzungen, Holzschnitte oder Reliefs, die an Kirchen und Brücken, an Burgen und an anderen bedeutenden mittelalterlichen Gebäuden zu finden sind.

Präsentiert grinsend ihre Vulva

Alle Darstellungen der Sheela-na-gig ähneln einander sehr. Sie zeigen eine nackte Frau, meist eher mager und alt mit einem zu ihrem kleinen Körper verhältnismäßig großen Kopf.
Sie hockt oder steht mit gespreizten Beinen und präsentiert ihre Vulva. In vielen Fällen hält diese kleine Figur mit ihren Händen ihre Schamlippen auseinander. Meist grinst oder lächelt sie dabei mit übergroßen geöffneten Augen.

Sheela-na-gig-Figuren gab es in vielen alten irischen Kirchen, die vor dem 16. Jahrhundert gebaut worden waren. Durch viktorianische und christliche Prüderie wurde eine große Anzahl von ihnen beschädigt oder ganz zerstört. Einige waren noch im 19. Jahrhundert vorhanden, wenige von ihnen findet man noch jetzt (eine sehr umfangreiche Sammlung von ihnen gibt es unter www.sheelanagig.org).

Die Bezeichnung Sheela-na-gig lässt sich vermutlich auf das irisch-gälisch „Sighle na gCioch“ zurückführen, was soviel wie „Julia mit den Brüsten“ bedeutet. Eine andere Variante ist „sile ina Giob“ was „Sheela auf ihren großen Genitalien“ bedeutet.
Das „gig“ verweist auch auf den Begriff „giggie“ – eine Bezeichnung für das weibliche Genital, das verwandt mit dem irischen Volkstanz „jig“ sein soll, dieser geht auf den französichen Tanz „gigue“ zurück und dieser angeblich wieder auf einen orgiastischen Tanz in vorchristlicher Zeit.

Bringt Fruchtbarkeit und Segen und wehrt Armut ab

Zur Bedeutung dieser mythologischen Frauenfigur gibt es verschiedene Erklärungen. So wird vermutet, dass sie eine Fruchtbarkeitsgöttin darstellt, was allerdings im Widerspruch zu ihrer oft mager und alt dargestellten Gestalt steht.

Allerdings ist bekannt, dass das Berühren ihrer Geschlechtsteile Fruchtbarkeit und Segen bringen und Armut abwehren soll. Damit ist sie mit der indischen Kali verwandt. Deren Yoni wird auf den Göttinnen-Darstellungen in Tempeln auch von den vielen Fingern der auf Segen und Schutz hoffenden Gläubigen ausgehöhlt.

Sheela-na-gig soll als Beschützerin der Armen der Überlieferung nach damit gerufen bzw. geehrt werden, indem man am 4. Mai seine Kleidung auf einen Weißdornbusch legt. Dies soll die Armut fernhalten.

Eine andere These besagt, dass Sheela-na-gig-Figuren als beschwörendes oder beschützendes Symbol nicht nur für Fruchtbarkeit sondern auch für Glück gelten. Der Göttin wird eine Unheil abwehrende Kraft zugeschrieben, was ihre Darstellung an heiligen Orten erklären würde. Von den KeltInnen ist bekannt, dass sie die Nachbildungen der weiblichen Genitalien zum Schutz verwendeten.

Verzierung oder Abwehrzauber an Klostertüren

So wurden von irischen Nonnen Sheela-na-gig-Schnitzereien zur Verzierung der Eingangstüren an Klöstern angebracht oder an Außenwänden von Kirchen angebracht, damit sie dort zur Abwehr des Bösen, des Teufels, schlechter Geister und des Todes dienen.

In ihrem Schutz, Glück und Segen spendenden Aspekt hat Sheela auch eine Verwandtschaft zur griechischen Göttin Baubo.
Das Zeigen der Vulva ist ein Abwehrgestus gegen die Mächte des Todes und der Unterwelt, wird dabei doch dem Tod das Leben entgegengehalten.

Machtvolles und beschwörendes Symbol

Die Vulva, der Eingang zur Gebärmutter, gilt in nahezu allen ursprünglichen Kulturen, teilweise bis heute, als machtvolles und beschwörendes Symbol. Es verkörpert in der keltischen Mythologie die Kraft der uralten Erdgöttin, die gleichermaßen für Leben und Tod steht, die mit ihrer Vulva Kinder gebärt und auch wieder in ihren Schoß aufnimmt.

Zieht man die dreieckige Form ihrer Genitalien auf vielen Abbildungen in Betracht, könnten diese auch den Zyklus der dreifachen Göttin — Jungfrau, Mutter und Weisen Alten interpretieren. Ihre Vulva-Form erinnert oft auch an ein Füllhorn, aus dem stetig alles Glück, Lebensenergie und Reichtum heraus fließt.

In einigen Fällen wurden daher ihre Steine sogar als Wasserspender in die katholischen Kirchen integriert. In vielen Überlieferungen stellt Sheela-na-gig eigentlich die Göttin Cailleach, die keltische alte und weise Todes- und Schöpfungsgöttin dar.

Kombination aus Todesbringerin und Fruchtbarkeitsgöttin

Verblüffend bei den Darstellungen von Sheela-na-gig ist der Gegensatz zu dem lebenssprühenden, herausfordernd bis wollüstigen Präsentieren ihrer Vulva und ihrem offensichtlich alten Körper, mit knochigem Brustkasten, vertrockneten und hängenden Brüsten, mit nur wenigen verbliebenen Zähnen und schütterem Haar. Ein Körper, von dem man annehmen könnte, er sei nicht mehr fruchtbar.

Dies könnte eine Kombination aus Todesbringerin und Fruchtbarkeitsgöttin sein, so könnte die obere Hälfte der Darstellungen Tod und die untere Hälfte Wiedergeburt bedeuten. Sheela verkörpert mit ihren prallen Genitalien alle Leben spendenden Kräfte und ist gleichzeitig als alte Frau die Zerstörerin.

So wirkt sie gleichzeitig Fruchtbarkeit steigernd und als Weise Alte Segen bringend. Entsprechend altirischer Legenden erscheint jedem zukünftigen König eine Frau als hässliche, lüsterne Hexe und sucht ihn zu verführen. Wenn sie Erfolg hat, wird sie zu einer schönen Frau und gibt ihm Erfolg und seiner Herrschaft ihren Segen. Sheelas eindeutige Geste könnte nicht nur das Tor des Lebens präsentieren, sie könnte auch zur Kopulation auffordern. Deshalb musste zumindest in der offiziellen Lesart der Kirche der Sinn dieser unverhohlen gezeigten Libido umgedeutet werden.

Sie wurden von dem damals offensichtlich weniger sittenstrengen irischen Klerus in ihrer überlieferten Mission gesehen, nämlich als Glücksbringerin.

Von Kirche dämonisiert

Von der Kirche wurde sie später allerdings dämonisiert. Sie wurde von der Schutzgöttin zum Inbegriff der Sünden des Fleisches. Die irischen Vertreter der Kirche entfernten oder zerstörten wohl viele der Figuren, denn im 19. Jahrhundert fand ein Archäologe einen Haufen solcher Figuren, welche nahe einer Klosterruine vergraben waren.

Bei einigen Abbildungen die man an Gebäuden entdeckte, wurde die untere Hälfte des Körpers unkenntlich gemacht. Doch es wurden nicht alle der unzähligen Sheela-na-Gig-Darstellungen zerstört und der Geist dieser alten Göttin lebt in den Frauen weiter.

Geschlechtsorgane als magischer Ort der Verehrung

Sie unterstützt Frauen in ihrer Urkraft, indem sie ihren Schoß als magischen Ort der Verehrung und Anbetung darbietet. Unsere Geschlechtsorgane sind mit so vielen Tabus und Erwartungen belegt: Angst, Scham, ständige Verfügbarkeit, Gefahr, Schmutz, Pornographie, Verleugnung, Verstecken müssen – die Palette ist groß.

Auch wenn Frauen vielleicht nicht selbst negative, Angst erzeugende oder herabwürdigende Erfahrungen gemacht haben, tragen sie doch das Erbe aller Ahninnen vor ihnen in ihrem Schoß und spüren damit auch direkt und eindeutig das Erbe der Kulturgeschichte – im Positiven wie im Negativen.

Sheela fordert Frauen auf, ihre weiblichsten Körperteile als das Selbstverständlichste, das es auf der Welt gibt wieder zu entdecken, denn ohne diese gäbe es uns alle nicht. Zudem sind sie die unerschöpfliche Quelle der Lust und Freude. Ihre Haltung impliziert, dass sie die Geheimnisse und den Ursprung des Lebens kennt.

Sie lässt Frauen, so sie das wollen, in ihren Schoß fallen und damit zu ihrem weiblichen Ursprung zurückkehren. Sie ist bereit, hält ihr „Tor“ weit offen und lädt jede Frau zu ihrer persönlichen, intimen, inneren Reise ein. Sie schert sich nicht um Moral und Zwänge. Sheelas Geheimnis liegt vielleicht darin, dass sie hässlich ist, dass sie obszön wirkt und trotzdem Würde und Heiterkeit ausstrahlt.

Sie schert sich nicht um Moral und Zwänge, ist völlig ungebunden und in vollkommener Harmonie mit den Gesetzen der Natur. Die Geste der Sheela-na-gig hat nichts liebliches an sich. Sie ist damit bewusster Kontrast zu jenen aktuellen Frauendarstellungen in Hochglanzmagazinen, die Frauen kindlich, mit dümmlichem Blick und großen Busen, allzeit bereit und ansonsten ungefährlich und ohne Forderungen präsentieren.

Bei Sheela weiß man (vor allem „Mann“) nicht genau, woran man ist: Zeigt sie verführerisch das Tor des Lebens oder gefährlich das Tor des Todes. Bedeutet ihre Haltung die Warnung „Ich verschlinge dich“ oder die Einladung „du bist willkommen“. Das bleibt ihr Rätsel und liegt im Auge des Betrachters – und der Betrachterin.

Ihr bleibt nichts verborgen

Frauen hilft sie dabei, ihrem intuitiven Wissen zu vertrauen und damit die richtigen Entscheidungen zu treffen, eins mit sich selbst zu sein, alle Kräfte zu entfalten und zu nutzen. Sie hat nicht nur eine weit offene Vulva, auf vielen Darstellungen sind auch ihre großen offenen Augen magisch anziehend.

Ihr bleibt nichts verborgen. Ein Blick in ihre Augen lässt Frauen erkennen, wer sie wirklich sind, wo sie stehen, welche Verhaltensweisen, Zwänge und Konventionen sie am Wachstum hindern und was sie brauchen.

Sie fordert Frauen auf, sich in den Kreislauf des Lebens einzureihen und das sterben zu lassen, was nicht mehr aktuell und förderlich ist, damit sie sich selbst jederzeit neu schaffen können.

Sie verschenkt dafür Energie, Kraft, Wildheit, Selbstachtung, Lebenslust, unverschämte Lust, Ekstase und pure Dynamik!

auch: Sheila-na-gig, Síla na Géige

 

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