Mohngöttin von Gazi – Kretische Heilungs-, Schlaf- und Trancegöttin

In einem Heiligtum der Siedlung Gazi in der Nähe von Knossos auf Kreta (Griechenland) wurde im Juli 1959 eine antike Terrakotta-Figur einer Frau ausgegraben. Diese trägt einen kronenartigen Kopfschmuck, in dem drei bewegliche Mohnkapseln stecken.

Die Beruhigung Schenkende

Mohngöttin - artedea Göttinnen

In einem Heiligtum der Siedlung Gazi in der Nähe von Knossos auf Kreta (Griechenland) wurde im Juli 1959 eine antike Terrakotta-Figur einer Frau ausgegraben. Diese trägt einen kronenartigen Kopfschmuck, in dem drei bewegliche Mohnkapseln stecken. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Hände hält sie mit angewinkelten Ellenbogen links und rechts nach oben, sie zeigt ihre Handflächen, wie wenn sie etwas beschwören, segnen oder beten würde.
Diese Körperhaltung mit erhobenen Armen macht den Eindruck, dass sie damit von einer höheren Instanz Weisheit empfängt.
Ihr Röhrenrock ist typisch für viele dieser Figuren und kann als Öffnung für die Weisheit der Erde gesehen werden, die in sie aufsteigt.

Die spätminoische 19,5 cm hohe, mit rotem Ocker bemalte Tonstatuette ist rund 3.500 Jahre alt.
Die Figurine ist Teil einer ganzen Serie von Frauenfiguren mit sehr ähnlicher Körperhaltung, welche allerdings anderen Kopfschmuck mit unterschiedlichen (wahrscheinlich religiösen) Symbolen tragen.
So gibt es z.B. eine „nahe Verwandte“ aus der gleichen Periode, auf deren Kopfschmuck zwei Vögel sitzen.

Die „heilige“ Pflanze Mohn

Es sind aber vor allem die Mohnkapsel auf dem Kopf dieser Frauenfigur interessant. Über deren Funktion und Wirkung können nur Mutmaßungen angestellt werden. Ist sie eine Göttin oder eine Priesterin, die eine Göttin anbetet oder in einer Art Trancehaltung beschwört?

Im antiken Griechenland glaubte man, dass den Menschen der Mohn von der Göttin Demeter geschenkt wurde. Als ihre Tochter von Hades in die Unterwelt entführt wurde, habe sie dank des Mohns etwas Ruhe von ihrer Trauer gefunden haben. Eines der Attribute der Demeter war deshalb die Mohnkapsel.
Bei dieser Tonfigur kann es sich möglicherweise um eine Priesterin der Demeter handeln oder um eine medizinkundige Frau, die beruhigende oder Trance fördernde Mohnpräparate hergestellt und verabreicht hat.
Mohn ist die Quelle von Opium, das seit Jahrtausenden nicht nur für die heilige Trance, sondern auch für die beispiellose Schmerzlinderung verwendet wird. Viele, wenn nicht die meisten der heutigen narkotischen Schmerzmittel stammen aus dem Mohn.
Die Krone dieser Figur mit den Mohnkapsel zeigt, dass sie eine Eingeweihte der Geheimnisse dieser Pflanze ist. Der Mohn selbst galt nicht nur als heilend, sondern auch als heilig.

Vielleicht war sie auch eine Wahrsagerin, die mit verschlossene Augen in andere Wirklichkeiten blickt und unter Einfluss von mohnhaltigen Substanzen Visionen und Eingebungen hatte.

Nacht, Schlaf und Tod

In griechisch-römischen Mythen wurden Mohnblumen als Grabbeigaben für die Toten erwähnt. Dies, damit die Verstorbenen einen guten „Schlaf“ haben. Aber auch, weil deren helle, scharlachrote Farbe ein Symbol für das Versprechen einer Auferstehung nach dem Tod ist. Damit ist diese Terrakotta-Figur eventuell auch eine Todes- und Wiedergeburtsgöttin.

Auch Nyx, die Göttin der Nacht, hatte als Attribut die Mohnkapsel, daher steht diese Figur auch mit der Nachtgöttin und dem guten Schlaf in Zusammenhang.

Die alte Tonfigur hat verschiedene Namen bekommen: Mohngöttin von Gazi, Mohnfrau von Gazi, Schlafgöttin von Gazi, Opiumgöttin oder einfach nur Frau von Gazi.

Die Figurine ist heute gemeinsam mit ihren zahlreichen „Schwestern“ im Historischen Museum Heraklion ausgestellt.

 

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