In der pre-römischen Mythologie war der Bevölkerung im heutigen Umbrien rund um den Fuciner See eine Göttin bekannt, die auch „die Würgerin“ genannt wurde und die den Gebrauch von Giften und Gegengiften gelehrt, und ihren Namen davon erhalten hatte, dass sie durch ihre Zaubergesänge Schlangen erwürgte.
Die Würgerin
Zwei Göttinnen, deren Namen sehr ähnlich sind, waren ursprünglich wahrscheinlich ein und dieselbe mythologisch weibliche Figur: Angita, die Göttin der Heilung und der Hexerei und Angitia, eine Schlangengöttin.
In der pre-römischen Mythologie war der Bevölkerung im heutigen Umbrien rund um den Fuciner See eine Göttin bekannt, die auch „die Würgerin“ genannt wurde und die den Gebrauch von Giften und Gegengiften gelehrt, und ihren Namen davon erhalten hatte, dass sie durch ihre Zaubergesänge Schlangen erwürgte. Daher kann man davon ausgehen, dass die Heilungs- und Hexereigöttin gleichzeitig auch die Schlangengöttin war.
Die MarserInnen, der PaelignerInnen und andere oskisch-umbrischer Volksgruppen waren bekannt dafür, dass sie der Kräuterkunde und namentlich auch des Schlangenzaubers mächtig waren und dafür auch Schlangen züchteten und zähmten. Dafür hatten sie auch eine Göttin, die ursprünglich nur lokale Bedeutung hatte.
Kam angeblich aus fernem Ostlande
Irgendwann wurde es modern, lokale italische Göttinnen in der griechischen Mythologie zu verorten, möglicherweise, um diesen mehr Gewicht zu geben, damit sie als Göttinnen der römischen Mythologie (und nicht irgendeiner kleinen Volksgruppe) anerkannt werden. Daher gibt es auch Aufzeichnungen, die Angitia als Tochter der Hekate und des Aeetes, König in Colchis, beschreiben. Damit wäre sie eine Schwester der Kirke und Medea. Sie wird auch als Medea selbst oder auch als Medusa wahrgenommen, die ursprünglich ja eine Schlangengöttin der libyschen Amazonen war und vor allem für ihre sich windenden Schlangenhaare bekannt ist.
Als griechische Göttin wird Angitia beschrieben, dass sie von einem „fernen Ostlande“ zu den MarserInnen gekommen sei, um diesen ihre Künste zu lehren.
Das Volk der MarserInnen lebten in den Apenninischen Bergen (manchmal — nach ihren ehemaligen BewohnerInnen — auch die Marsberge genannt) und sie sprachen einen sabellischen Dialekt, in dem der Name der Göttin Anagtia lautete. Bei den benachbarten PaelignerInnen gab es eine Heilungsgöttin namens Anceta. Das ist vermutlich die selbe mythologische Gestalt nur mit einer anderen Dialektfärbung bei der Aussprache ihres Namens.
Ihr lateinischer Name Angitia ist entweder auf das Wort „anguis“ (= Schlange) zurückzuführen oder auf „angere“ (= sich ängstigen).
Heilendes Gift und Zahnprobleme
Angitia galt als sehr weise. Sie war die Gebieterin über die magischen Kräfte und über alle Arten von Heilkräutern. Vor allem aber ist sie eine Göttin der Schlangen und des Giftes (besonders des Schlangengiftes und der Substanzen giftiger Pflanzen). Man nimmt an, dass sie im Volksglauben für die Heilung von Schlangenbissen zuständig war und darum gebeten wurde.
Ihre Priesterinnen haben vermutlich mit dem Schlangen- und Pflanzengiften auch Tinkturen und Arzneien hergestellt, die bei allen möglichen Krankheiten eine heilende Wirkung hatten. Speziell bei Zahnproblemen wurde Angitia angerufen, was wiederum wieder etwas mit Schlangen zu tun hat, da manchen Schlangenarten ihr Leben lang Zähne nachwachsen können.
Angitia soll auch die Gabe des Hellsehens und der Weissagungen verleihen – vielleicht auch im Zusammenhang mit der Einnahme der „giftigen Substanzen“. Sie wird auch im Zusammenhang mit Angerona erwähnt, der Göttin der Stille und Verschwiegenheit.
Ihr Tempel befand sich in einem heiligen Hain am Ufer des Fuciner See. Dieser war bis zu seiner vollständigen Trockenlegung im Jahre 1875 das größte Binnengewässer Mittelitaliens. Die Reste des Tempels der Angitia kann man allerdings noch besichtigen.
Das Schlangenfest
Im Mai wird noch heute in Cocullo, einem Bergdorf in einem Tal der italienischen Abruzzen ein Schlangenfest („la fiesta di separi“) abgehalten. Traditionell fand dies am ersten Donnerstag im Mai statt, 2012 ist es auf den 1. Mai vorverlegt worden. Dies wahrscheinlich, weil das Fest so beliebt ist und die Menschen von überall her in das knapp 300 EinwohnerInnen zählende Dorf kommen. An einem Feiertag, wie dem 1. Mai haben dazu mehr Menschen die Möglichkeit, als an einem normalen Wochentag.
Dieses „heidnische“ Fest, das in der Tradition tief verwurzelt ist, wurde — wie so viele andere Feste — unter einem christlichen Vorwand weitergeführt, da die alten Bräuche nicht einfach weggewischt werden konnten. Daher wurde die Göttin durch einen Benediktinermönch aus Umbrien ersetzt, den Heiligen Abt San Dominikus.
Der angeblich 951 geborene Eremit und Wandermönch soll als wundertätig bekannt gewesen sein, wobei die Wunder fast alle mit der Abwehr von Bären, Wölfen und vor allem Schlangen zu tun hatten.
Vor dem Fest sammeln die jungen Frauen und Männer des Dorfes heute noch in den umliegenden felsigen Bergen hunderte von Schlangen. Zu Beginn der Prozession wird die lebensgroße bärtige Statue des Heiligen im schwarzen Mantel über und über mit diesen Schlangen behängt.
Das erinnert sehr an alte Darstellungen der Göttin Angitia mit unzähligen Schlangen auf ihrem Körper.
Auch die Menschen selbst schmücken sich mit den Schlangen, vor allem mit Äskulapnattern und Vierstreifennattern.
Die Prozession durch den Ort ist sicher ein Relikt des 3.000 Jahre alten Kultes rund um die Göttin Angitia. Wer sich traut, berührt die Schlangen und erhofft sich dadurch Gesundheit und Glück.
Die Prozession endet in der Kirche, wo die Schlangen schließlich sogar auf den Altar gelegt werden. Es gilt als günstiges Zeichen, wenn sie sich um den Kelch mit dem Messwein winden.
So wie sie es wahrscheinlich schon vor tausenden Jahren im Tempel der Angitia und um deren Kelch (als Symbol der Weiblichkeit) getan haben.
auch: Anagtia (= ursprünglicher Name), Anagtia Diiva, Angita, Arigitia, Anguita, Angizia, Anguitia, Anguitina, Anceta
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