Oya – Yoruba-Göttin der Elemente, der Transformation und des Wachstums

Die nigerianische Göttin Oya ist für das Volk der Yoruba die allumfassende Elementargöttin. Sie ist die Gebieterin aller Elemente im Universum, Urmutter des Chaos – eine weibliche, starke und unabhängige Kraft.

Wilde Kraft der Veränderung

Die nigerianische Göttin Oya ist für das Volk der Yoruba die allumfassende Elementargöttin. Sie ist die Gebieterin aller Elemente im Universum, Urmutter des Chaos – eine weibliche, starke und unabhängige Kraft.

Sie ist die Beschützerin der Frauen und Göttin der Wildnis, der Flüsse, des Windes und der Stürme, des Feuers und des Donners.

Wellen, Wirbelsturm, Marktplätze, Tanz und vieles mehr

Oya repräsentiert das allgewaltige Wasser, die Fluten, die hohen Wellen und jeden Durst löschenden Wassertropfen. Sie ist das tropische Wärmegewitter, der Wirbelsturm, die Abendbrise. Sie ist der auch die Königin der Marktplätze, eine gefinkelte Geschäftsfrau sowie die Göttin des Tanzes, eine schöne, wehrhafte Kriegerin, die Hüterin der Friedenspforte, die Bezwingerin der Totengeister und Beschützerin der Tiere.

Als Schutzgöttin der Gerechtigkeit, des Erinnerungsvermögens und des Todes hält sie eine Flamme in der Hand. Oft wird sie mit einem Säbel und einem Wedel aus Pferdehaaren dargestellt, damit holt sie die Blitze vom Himmel. Als Göttin der Übergänge ist ihr Symbol auch der Regenbogen. Immer wenn ein solcher auftaucht, aber auch bei Tornados und Erdbeben signalisiert die Göttin, dass sie da ist.

Weiblicher Zorn und der Inbegriff der Veränderung

Vor allem aber ist Oya die mächtige Göttin der Veränderung und Transformation. Immer wenn sich Menschen in dramatischen Veränderungsprozessen befinden, die z.B. Lebensumstände, Menschen, Wohnorte, Arbeitsstellen betreffen, ist Oya im Spiel.

Damit mag sie sehr grausam wirken, denn sie schneidet mit ihrer Sichel, ihrem Säbel oder ihrer Machete (auch das „Schwert der Wahrheit“ genannt) unbarmherzig alles ab, was nach Stagnation riecht und bereitet damit aber den Weg für neues Wachstum.

Ihr Name bedeutet daher auch „Sie, die trennt“ und „Sie, die zerreißt“. Sie ist der weibliche Zorn und der Inbegriff der Veränderung, die unbezähmbare, wilde Kraft, die alles auflöst. Sie tut, was getan werden muss.

Erster und der letzter Atemzug

Oya ist der erste und der letzte Atemzug und sie schenkt alle Atemzüge dazwischen. Sie trägt die Seelen der Verstorbenen auf ihren Schwingen über die Schwelle in die „andere Welt“.

Oya trägt gern schwarz oder weinrot, mag die Gesellschaft starker Männer, lässt Lug und Trug sowie eitles Gehabe nicht zu, neigt zu plötzlichen Wutausbrüchen, scheut – im Bewusstsein ihrer Unbesiegbarkeit – keine handgreifliche Auseinandersetzung.

Die Verwandlungen einer Göttin

Oya wurde als nigerianische Göttin, als Orisha, gemeinsam mit ihrem Volk in die sogenannte Neue Welt verschleppt. Im Candomblé, der afro-brasilianischen Religion des versklavten Volkes der Yoruba wurden ihr viele andere Namen gegeben —  mit dem Versuch, sie und ihre wilden Kräften christlich zu verharmlosen. Was nicht wirklich gelungen ist. In einem Kult, in dem die männliche Kraft im Lauf der Zeit fast alle Göttinnen und weiblichen Kräfte abgelöst hat, blieb Oya unantastbar.

Man verehrt sie in der „Neuen Welt“ auch als Yansan und Iansa. Vor allem aber findet man sie versteckt im christlichen Mantel als St. Theresa, als Heilige Johanna, Jungfrau von Orleans.

Man kennt sie als Heilige Barbara und St. Catherine – was auf die Bethen Borbeth und Wilbeth zurückzuführen ist, sowie als Maman Brigette oder „Unsere Liebe Dame von Candelaria“.

Besonders aus den letzten beiden Frauenfiguren ist der große Festtag der Oya am 2. Februar erklärbar: Maman Brigette ist keine andere als die keltische Göttin Brigid, die dem Fest Anfang Februar ihren Namen gab. „Unsere Liebe Dame von Candelaria“, auch die Jungfrau von Candelaria genannt, ist die Schutzheilige der Kanarischen Inseln.

Auch sie wird am 2. Februar gefeiert – zu „Mariä Lichtmess“: Nachdem die Kastilier Teneriffa erobert hatten, wurde in einer Höhle ein richtiger geweihter Altar errichtet. Am 2. Februar 1497 wurde hier anlässlich der Messe zu Mariä Lichtmess eine große Zahl von bisher „unläubigen“ Guanchen getauft. Am 2. Februar 1526 wurde die Figur in eine neue, ihr gewidmete Kapelle in der Nähe ihres bisherigen Standortes überführt.

Schließlich ereignete sich am 2. Februar 1705, dem großen Festtag der Jungfrau von Candelaria, ein Erdbeben und der Vulkanausbruch des Volcán de Las Arenas in Arafo.
Was dahingehend gedeutet wurde, dass sich das Land gegen die Christianisierung durch die Kastilier gewehrt hat und ein deutliches Zeichen gesetzt hat.
Dennoch wurde die Jungfrau von Candelaria von Spanien nach Südamerika mitgenommen und über Oya drübergestülpt.

Interessant ist hier die Kontinente übergreifende Verwandlung von mythologischen Frauenfiguren, die offenbar alle die gleiche Energie und Botschaft haben: So wurden in Südamerika aus einer ursprünglich afrikanischen Göttin die alten kraftvollen europäischen Muttergöttinnen Borbeth, Wilbeth sowie Brigid.

Unumstrittene Siegerin jeder Verhandlung

In Brasilien ist Oya einer der mächtigsten Macumba-Göttinnen. Sie wird zur Hilfe gerufen, wenn sich Frauen in schwer lösbaren Konflikten befinden. Die Yoruba-Frauen bitten sie um die richtigen Worte in schwierigen Situationen. Denn Oya ist der Atem, der die Worte trägt. Sie weiß ihre Worte so klug, so elegant, charmant und eindringlich zu gebrauchen, dass sie aus jedem Gespräch, aus jeder Verhandlung als unumstrittene Siegerin hervorgeht. Diese Gabe gibt sie gerne an Frauen weiter.

Sie ist keine gemütliche Mutter, aber eine Macht, mit der sich Frauen verbünden können, wenn sie Klarheit und Entscheidung brauchen. Frauen, die in der Kraft der Göttin Oya sind, arbeiten oft mit Drama, lassen es „donnern und blitzen und rauschen“, kehren alles von unten nach oben.

Oya steht für weibliche Führungskraft, bezwingenden Charme und Wandlung. Oya ist eine der drei Frauen des Donnergottes Xango (neben Oshun und Oba). Sie stahl ihm die Geheimnisse seines mächtigen Zaubers und besitzt daher ebenso große Kräfte wie er.
Oya entsetzt und wiegt die Frauen, sie macht den Weg frei, für das was kommt.

Friedhöfe als heiligen Haine

Geopfert wird ihr auf Steinen. An Baumwurzeln liegen Geschenke für Oya. Spiralen und Punkte werden für sie gemalt. Ihre „heiligen Haine“ sind Friedhöfe.
Ihre AnhängerInnen ehren sie in dunklen Farben, dunklen Früchten, in Rum, Gin, Bier und Wein, mit neunfarbigen Bändern, Windrädern und Spielzeugwindmühlen.

Ihre heilige Zahl ist neun nach den neun Quellen des Flusses Niger, der auch der Fluss der Oya genannt wird. Um die Energie von Oya zu veranschaulichen, stellt man sich am besten folgendes Szenario vor: Unerträgliche tropische Hitze, die Luft „steht“, kein kühlender Lufthauch, keine Wolke, kein Schatten spendender Baum.

Mit unverhoffter Schnelligkeit ziehen Gewitterwolken auf. Plötzlich ist es dunkel. Es braut sich was zusammen. Wind beginnt in den Bäumen zu rauschen, die ersten dicken Regentropfen klatschen schwer auf den Boden. Innerhalb weniger Augenblicke ist „sie“ da – in jedem Donnergrollen, in jedem Blitz, in der tobenden Naturgewalt des Regensturmes.

Wenn Frauen sich mit Oya verbinden wollen, dann tanzen sie in diesem Elementsturm ihren Tanz. Sie breiten die Arme aus, drehen sich in Spiralen, schreien, kreischen, lachen, trinken den Regen, lassen ihren ganzen Körper von ihr „taufen“ bis keine trockene Faser an ihnen ist.

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