Išḫara – Syrisch-hurritische Göttin der Eide, der Medizin und der Erotik

In hurrischen und semitischen Traditionen ist Išḫara eine Liebesgöttin, die häufig mit Ischtar identifiziert wird. Išḫara war auch die „Göttin der Medizin“ und wurde auch „Gebieterin des Eides“ genannt.

Die allumfassende Skorpion-Göttin

Išḫara war ursprünglich eine syrische Göttin, deren Kult sich nach Sumer und Anatolien ausbreitete.
Sie wurde vor allem in Ebla, einer antiken Stadt im Norden Syriens ab der Mitte des dritten Jahrtausends v.u.Z. zu einer wichtigen Göttin. Bis zum Ende des dritten Jahrtausends war ihr Kult so weit verbreitet, dass sie in mächtigen alten Städten wie Nippur, Sippar, Kish, Harbidum, Larsa und Urum Tempel hatte. Ihre Popularität wuchs und sie wurde zur großen Göttin der hurritischen Zivilisation.

Im Vertrag zwischen den beiden Königen Šuppiluliuma und Šattiwazza wird sie in einer Fluchformel ausdrücklich als „Gebieterin des Eides“ genannt.
Ishara ist auch das hethitische Wort für „Vertrag, verbindliches Versprechen“, auch personifiziert als Göttin des Eides.
Alle Eide, die ihr entgegengebracht wurden, waren heilig und sie beschützte diese und überwachte sozusagen von höchster Stelle deren Einhaltung.
Bekannt ist Išḫara auch als Göttin der Omen und der Zeichendeutung.

Ihr Mythos erzählt, dass sie auch als Richterin in Menschenangelegenheiten angerufen wurde. Kraft ihrer festen Grundregeln hatte, wurde sie als fair und unparteiisch betrachtet.

Nimmt und bringt Krankheiten

Išḫara war auch die „Göttin der Medizin“. Als solche wurde sie um Hilfe und Beistand angerufen, wenn Menschen krank waren. Sie konnte aber auch mit Krankheit strafen. So verhängte sie schwerwiegende Strafen und gesundheitliche Probleme über all jene, die einen Eid brechen.
Es gab sogar ein Verb, „isharis“ (von der Krankheit von Išḫara betroffen sein).
Die schweren Krankheiten innerer Organe, die Išḫara zugeschrieben wurden, verliefen meist tödlich. Es ist überliefert, dass auf Grund eines Išḫara-Fluches die Gemahlin des hethitischen Großkönigs Muršili II.starb. Die alte Königin hat die Göttin gegen ihren Gemahl und dessen Familie angerufen. Der Fluch traf in seinem vollen Ausmaß allerdings nur sie selbst.
In den Texten wird auch beschrieben, dass die „Kinder der Išḫara“ als Krankheitsdämonen bezeichnet werden.
Aufgrund der Beschreibungen kann nicht festgestellt werden, um welche Art von Krankheit es sich hier gehandelt hat. Beschreibungen wie „sein Inneres soll anschwellen“, „seine Hand hält vorne den Bauch hoch“ und „sie sollen fressen“ lassen auf Wurmbefall schließen. Möglicherweise sind die „Kinder der Išḫara“ Würmer.

Liebe und Potenz und die Skorpion-Kraft

In hurrischen und semitischen Traditionen ist Išḫara eine Liebesgöttin, die häufig mit Ischtar identifiziert wird.
Im Epos von Gilgamesh (Tafel II, Spalte 28) heißt es: „Für Išḫara wird das Bett gemacht“ und im Atraḫasis-Epos (I 301-304) wird sie aufgerufen, Paare auf den Flitterwochen zu segnen.
In einem vorsargonischen Text von Ebla kommt sie als Göttin der Liebe in alten akkaddischen Potenzbeschwörungen vor. Hier mischt sich die Liebe mit der Medizin.

In altbabylonischer Zeit war ihr Attribut die Schlange, in der Kassitenzeit der Skorpion.
Im antiken Syrien wurde Išḫara speziell in Form eines Skorpions verehrt, besonders von jenen, die ihr sexuelles Können, die Potenz oder die Leidenschaft verbessern wollten. Sie ist als Skorpiongöttin für ihre feurige Natur bekannt und sie wurde auch in allen brennenden und heißen Gegenstände kultisch verehrt.
Skorpione gelten auch als traditionelle Symbole der Romantik, deren Stich den Pfeilen Amors entspricht. Išḫara war damit die erotische Skorpionsgöttin in Mesopotamien.

Unterwelt, Himmel und Erde

Išḫara wird sowohl mit der Unterwelt wie mit dem Himmel in Verbindung gebracht. Ihre astrologische Verkörperung ist das Sternbild Skorpion.
Sie ist die Mutter der Sebitti, einer Gruppe sieben kleinerer Gottheiten in der babylonischen und akkadischen Tradition. Sebitti heißt auch ein Siebengestirn.
Als „Sternengöttin“ ist Išḫara eng mit den Göttinnen Ischtar und auch mit Astarte verbunden. Die Mythen dieser drei Göttinnen verschmelzen oft miteinander.
Als Fruchtbarkeits- und Vegetationsgöttin ist Išḫara aber auch durch und durch erdverbunden. In Ebla ist der 11. Monat, das ist der Monat der Aussaat nach ihr benannt.

Etymologisch könnte sich ihr Namen vom akkadischen Wort „šeru(m) für Morgen ableiten, ugaritisch šhr und hebräisch šahar – Morgenröte.

Der Reichtum ihrer Tempel

Es gibt Aufzeichnungen, die sowohl Tempel, wie auch Rituale für die Göttin Išḫara belegen. Dazu gehören auch lange Bestandslisten an Material, denn zu ihren Tempeln gehörten auch Weingärten, Olivenhaine, Gemüsegärten sowie Getreidefelder und Viehherden. Die Bestandslisten umfassen auch Tempelgerätschaften, wie Kleider und Bronzegegenstände für die Göttin und auch ihre Priesterinnen und Priester wurden reichlich mit Silber und kostbaren Gewändern versorgt.
Einem Kultreformtextes des Königs Šuppiluliuma zufolge trägt die Statue der Išḫara von Niriša wertvolle Kleidung und ist mit Gold und Silber verziert. Im hethitischen (h)išuwa-Festritual trägt sie rotes Gewand – die Farbe der Lebenskraft.
Texte aus Ebla führen folgenden Materialien zur Herstellung eines Išḫara-Bildnisses auf: 10 Sekel Silber, 1,5 Sekel Gold, zusätzlich 7 Sekel Silber für ihr Angesicht, ihren Gürtel und ihre Bänder, 2 große Ohrringe und feine Stoffe und Gewänder.

auch: Ašhara, Ishkhara, Ishhara, Ishara, Ušḫara

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