Metis – Griechische Göttin der Weisheit, der Klugheit, des Scharfsinns, der praktischer Intelligenz sowie des guten Rates

Es wird gesagt, dass Metis die weiseste unter allen Gottheiten und sterblichen Frauen gewesen ist. Bei Hesiod wird sie auch „die Bewirkerin aller gerechten Dinge“ genannt.

 Die Siebengescheite

Metis ist eine Titanin und als Tochter von Thethys und Okeanos eine der 3000 Okeaninen. Wie die Göttin Nemesis hat es auch Metis verstanden, sich in vielerlei Gestalten zu verwandeln und so Zeus längere Zeit zu widerstehen, als dieser sie zur Geliebten wollte.

Allerdings wurde Metis schließlich doch die erste Geliebte des Zeus, der mit ihr Zwillinge zeugte. Darauf hin bekam der Göttervater ordentlich Muffensausen, denn ein Orakel weissagte ihm, dass eine Tochter der Metis ihm gleichrangig wäre, ein Sohn ihn stürzen würde um König von Gottheiten und Menschen zu werden.

Darauf verschlingt Zeus die schwangere Metis, die gerade die Gestalt einer Fliege (in einer anderen Version die Gestalt eines Wassertropfens) angenommen hatte, kurzer Hand. Allerdings kam die Tochter der Metis dennoch zur Welt. Dies jedoch auf eine ungewöhnliche Weise — und zwar als Athena, durch die bekannte Kopfgeburt des Zeus.

Zeus hatte nach Verschlingen der Metis rasende Kopfschmerzen. Er bat Hephaistos, der übrigens ohne Mithilfe des Zeus von Hera alleine geboren worden war, etwas gegen diese Schmerzen zu tun. Dieser schlug ihm mit einem Hammer bzw. mit einer Doppelaxt auf den Kopf, worauf Athena mit weit hallendem Schlachtruf, in voller Rüstung und mit ihrem spitzen Wurfspeer bewaffnet aus dem gespaltenen Kopf hervorsprang.

Der Zwillingsbruder der Athena blieb in Metis bzw. in Zeus ungeboren und unbenannt.

Die Überauskluge, die Siebengescheite

Es wird gesagt, dass Metis die weiseste unter allen Gottheiten und sterblichen Frauen gewesen ist. Ihr Name bedeutet auch „Klugheit“ bzw. „kluger Rat“. So wird sie auch in den Homerischen Hymnen beschrieben. Bei Hesiod wird sie auch „die Bewirkerin aller gerechten Dinge“ genannt.

Immer wieder wird sie die Polymetis genannt — die Überauskluge, die Siebengescheite. Dies ist noch heute ein eher verächtlicher Ausdruck für kluge und praktische begabte Frauen, denen Männer nicht das Wasser reichen können. Dieses siebenfache Wissen bezieht sich vermutlich auch darauf, dass in jeden ihrer Gedanken und Entscheidungen die Auswirkungen auf die nächsten sieben Generationen mitschwingt — weitsichtiges weibliches Wissen also.

Philosophisch wird immer auch ein Unterschied zwischen Weisheit und Klugheit gemacht. Während Weisheit die grundsätzliche Fähigkeit der Einsicht in die Zusammenhänge des Kosmos ist, versteht man unter Klugheit eher die praktische Anwendung jeglichen Wissens in verschiedenen Situationen.

Metis war beides: Weise und klug. Sie konnte ihre Intelligenz und ihr Wissen auch praktisch umsetzen. Denn sie hat vor allem auch die Fähigkeit zur Metamorphose. In einer Erzählung heißt es, dass sich Metis in alle pflanzlichen und tierischen Formen verwandeln konnte. 

Aber dabei geht es nicht nur um reine „Umwandlung“ oder „Gestaltwandlung“, sondern vor allem auch um die Anpassung an die jeweiligen (Umwelt-)Bedingungen.

Besondere Klugheit drückt sich ja oft einfach in Flexibilität und Ideenreichtum aus — ganz nach dem bekannten Spruch:

Wenn du immer wieder das tust, was du immer schon getan hast, dann wirst du immer wieder das bekommen, was du immer schon bekommen hast.
Wenn du etwas anderes haben willst, tu etwas anderes!
Und wenn das, was du tust, dich nicht weiterbringt, dann tu etwas völlig anderes – statt mehr vom gleichen Falschen!

Wissenschaft und Weisheit ist nie statisch sondern immer ein dynamischer Prozess! Wenn Dinge in Bewegung sind, wenn man dazu bereit ist, sich selbst zu wandeln, die gegebenen Umstände zu realisieren und zu akzeptieren und dementsprechend zu handeln (vielleicht auch deren Rahmen zu sprengen) dann öffnet sich die Welt.

Will man für eine scheinbar unlösbare Situation einen Ausweg, so ist es heute noch empfehlenswert, die Göttin Metis um eine Eingebung, einen guten Rat zu bitten.

Dies tat im übrigen auch sehr erfolgreich Zeus: Denn das mit dem Verschlingen von Familienmitglieder war schon so etwas wie Familientradition. Fraß doch der Vater von Zeus, Kronos all seine Kinder auf. Nur der jüngste Sohn Zeus entging dem väterlichen Verschlingen.

Statt ihm jubelte Rheia ihrem Mann Kronos einen in eine Windel gewickelten Stein unter und versteckte anschließend Zeus in einer kretischen Höhle. Metis allein wusste Rat, wie Zeus seine Geschwister wieder aus den Eingeweiden von Kronos befreien konnte. Sie kannte ein Brechmittel, nach dessen Einnahme Kronos erst den Stein, dann seine verschlungenen Kinder wieder erbrach.

Zeus wartete gar nicht einmal, bis seine Kinder geboren waren. Er fraß diese schon mitsamt seiner schwangeren Mutter.
Ein Thema, das seit der Antike Gültigkeit hat: Die Angst des Vaters davor, dass seine Kinder mächtiger werden als er selbst und ihm damit den Rang ablaufen.

Quelle für Zeus‘ Klughei – Metis in seinem Bauch

Über den weiteren Verbleib von Metis gibt es leider keine Aufzeichnungen. Es wird im Mythos von Metis und Zeus immer von „Verschlingen“ geredet. Und Verschlingen bedeutet nicht beißen, kauen, zerreißen. Wer verschlungen ist, bleibt heil und ganz, völlig unversehrt. Metis ist also in Zeus immer noch lebendig. Er hat mir ihr sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hat die Geburt seines mächtigen Sohnes verhindert und sich damit auch die Klugheit einverleibt, die nun in ihm fortan wirken kann.

Da wahrscheinlich außer ihr niemand Rat wusste, wie man sie aus dem Bauch von Zeus befreien konnte, bzw. niemand das Rezept des Brechmittels kannte, kann es gut sein, dass sie, mitsamt ihrem ungeborenen Sohn immer noch in Zeus verweilt.

Es wird gesagt, dass sie die Quelle für Zeus‘ Klugheit ist und er immer nach seinem „Bauchgefühl“ entscheidet und handelt. Dabei steht sie auch für die unterschiedlichsten Formen von Intelligenz und Klugheit, die damals ein „Obergott“ genauso haben sollte, wie jeder „Konzernchef“ unserer Tage: Das was man im englischen als „Cleverness“ bezeichnet. Das beinhaltet auch das Listige, Verschmitzte, Schlaue, Geschickte. Metis steht auch für das Vorausdenken, die Wachsamkeit, die Umsicht, das Lernen aus Erfahrung.

Die Klugheit von Metis ist aber nicht berechnend. Sie hat keinerlei Strategien, verfolgt keine Planung, was das beste wäre, das jetzt zu tun ist, kein Sicherheitsnetz. Sie ist einfach aus sich heraus klug, schlau und kann ihr Wissen in allen Situationen praktisch anwenden. Sie ist die Intelligenz selbst und auch die personifizierte List.

Sie steht für das oberste Vermögen, die Welt zu gestalten mitten aus dem Leben heraus. Damit erhebt sie sich über alle Ideen, Systeme und Prinzipien.

Vielleicht ist die Göttin aber schon längst wo ganz anders. Beispielsweise im Himmel: Wurde doch nach ihr wurde ein Asteroid des Asteroiden-Hauptgürtels benannt. Astrologisch wird Metis mit dem Planeten Merkur assoziiert.

Nach Metis ist auch einer der Jupitermonde genannt. Dieses Schicksal teilt sie u.a. mit Europa, IoTaygete und Kore. Dass man Jupiter, dem römischen Nachfolger von Zeus, von Monden umkreisen lässt, die die Namen von mythologischen Frauenfiguren gab, die Gewalterfahrungen mit dem „Obergott“ haben, zeugt von besonderem Zynismus. 

 

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