Nehalennia – Germanische bzw. keltische Handels- und Schifffahrtsgöttin, Göttin der Fruchtbarkeit und der Unterwelt

Nehalennia wurde im zweiten und dritten Jahrhundert von römischen, keltischen und germanischen EinwohnerInnen im Gebiet der niederländischen Scheldemündung verehrt. Sie ist eine Göttin des Handels, der Kaufleute und des fahrenden Volkes sowie der Fluss- und Seeleute, eine Fruchtbarkeits- und Unterweltsgöttin.

Die das Wasser nahe hat

Nehalennia wurde im zweiten und dritten Jahrhundert von römischen, keltischen und germanischen EinwohnerInnen im Gebiet der niederländischen Scheldemündung verehrt.

Sie ist eine Göttin des Handels, der Kaufleute und des fahrenden Volkes sowie der Fluss- und Seeleute, vor allem jener, die zwischen Britannien und dem Festland bzw. am Niederrhein und entlang der holländischen Küste unterwegs waren.

Tempel vom Dünensand freigelegt

Von einer Göttin Nehalennia weiß man erst wieder seit dem 5. Januar 1647. Heftige Ost- und Nordostwinde tobten an der batavischen Insel Walcheren (an der Scheldemündung) und legten bloß, was Jahrhunderte lang unter dem Dünensande verborgen gewesen war. Es wurden 25 Weihereliefs gefunden, auf denen Nehalennia dargestellt wurde.
Beim Eintritt der Ebbe fanden damals die BewohnerInnen von Doomburg, einem Städtchen an der Nordwestküste, 45 Trümmer von Säulen, Altären und Statuen mit Inschriften und Darstellungen. Aus ihnen ging hervor, dass es sich dabei um die Reste eines Tempels der Nehalennia handelte. Im Herbst 1870 wurde abermals bei Doomburg aus dem Flugsand des Strandes ein Altar der Nehalennia ans Tageslicht getrieben.
Etwa 25 km nördlich von Domburg wurden nach 1970 aus der Oosterschelde in Höhe des Ortes Colijnsplaat über 100 Reliefs, Statuen und Statuetten der Göttin geborgen.
Diese zeigen die Göttin stehend bzw. sitzend – dies zumeist auf einem Thronsessel. Die Darstellungsweise entspricht jener der Muttergöttinnen (Matronen) im Rheinland.
Durch Zeitangaben in einigen Inschriften lässt sich der Tempelbetrieb zu Ehren der Nehalennia in die Zeit zwischen 188 und 227 n.u.Z. datieren.

Äpfel, Hund und Schiff

Sämtliche Bildnisse zeigen die Göttin in einen weiten, mit einem großen Kragen versehenen Mantel gehüllt, der durch eine Agraffe zusammen gehalten wird. Auf einigen trägt sie eine Kappe oder Flügelhaube, wie sie noch im 13. und 14. Jhd. in ganz Deutschland üblich war und in den Niederlanden noch heute vorkommt. Auf einigen Altären sitzt, bald zur Rechten, bald zur Linken der Göttin ein Hund mit horchend zu ihr erhobenem Kopfe. Ihr Begleiter, der Hund könnte auf den Sirius hinweisen, den sogenannten „Hundsstern“, der einst sehr bedeutend für die nächtliche Navigation von Schiffen war.

Prall gefüllt mit Äpfeln sind Körbe und Schalen auf den Weihesteinen an die Göttin Nehalennia. Oft trägt sie auf ihren Darstellungen auch Füllhörner mit anderen Früchten, die sich nebst Bäumen und Reben öfters auch an den Seitenwänden ihrer Bildnisse befinden.
Die Äpfel bei Nehalennia können eine mehrfache Bedeutung haben, wahrscheinlich aber liegt der Akzent auf Fruchtbarkeit und Fülle. Obst, besonders Kulturobst wie auf den Altären abgebildet, war mit Sicherheit in jenen Zeiten ein Luxusnahrungsmittel, das sich nicht jeder leisten konnte. Der Besitz vieler Äpfel signalisiert also Reichtum.
Auf bislang drei bekannten Nehalennia-Altären erscheint neben ihr ein Schiffsvorderteil, auf einem hält sie außerdem ein Ruder in ihrer Hand. Durch diese Schiff und auch eine entsprechende Inschrift wird sie als Beschirmerin der Schifffahrt und des Seehandels bezeichnet, die die Menschen und ihre Habe vor den Gefahren des Meeres schützt.
Gelegentlich wurde sie auch als Galionsfigur am Bug von Schiffen abgebildet.

Die im Nebel Verschwindende

Einigen Quellen zufolge bedeutet ihr Namen als „Die das Wasser nahe hat“, also eine Göttin, die am Ufer wohnt. Wahrscheinlich steht der Name jedoch mit Nebel in Verbindung (idg. Nebh – Nässe, Feuchtigkeit; hel – verhehlen, verhüllen).
Der zweite Namensbestandteil -lennia könnte mit gotisch linnan (verschwinden, weggehen) in Verbindung stehen. Nehalennia würde daher bedeuten: „die im Nebel Verschwindende.“
Auf einem der Doomburger Altäre löst ein seefahrender Kaufmann der Göttin Nehalennia ein Gelübde für die glückliche Errettung seiner Waren.
Die Verehrung der Göttin ist also für den Rhein und die Nordseeküste bezeugt.

Unterwelt, die der gesamten Natur Fruchtbarkeit verleiht

Sie scheint eine jener klassischen Göttinnen zu sein, die alle Bereich des Lebens abdeckt:
Die Schale mit den Äpfeln sowie die Füllhörner weist sie als Fruchtbarkeitsgöttin aus. Der verhüllende Mantel der Nehalennia scheint auf eine Göttin der Unterwelt zu deuten. Die Silbe „hal“ in ihrem Namen könnte auch „hel“ – verhehlen, verhüllen bedeuten – eine verhüllende Göttin hat immer auch den Aspekt einer Unterwelts- bzw. Todesgöttin – wie z.B. die Göttinnen Hel oder Holla.
Auch der Hund, der fast beständig als ihr Begleiter erscheint, kann als ein Symbol für eine Todesgöttin gedeutet werden.
Nehalennia wird auch die „Töterin“ oder die „Totenbergerin“ genannt – ein Prädikat für Unterwelts- bzw. Erdgöttinnen.
Andererseits ist sie auch die „Gewährende“ und die „Reichtum Spendende“.
Nehalennia gebietet also über die Unterwelt, die der gesamten Natur Fruchtbarkeit verleiht und alles wieder in sich aufnimmt.

Doch sie steht mit ihren Äpfeln nicht nur für den reifen Sommer. Nehalennia war auch eine Frühlingsgöttin. Ihr Symbol ist auch der Hase, der ja bei unseren Osterbräuchen eine wichtige Rolle spielt. In der Zeit, in der im christlichen Sinn Ostern gefeiert wird, gab es in vorchristlicher Zeit Fruchtbarkeitsfeste. Diese hatten aber auch immer einen Todesaspekt, wie ja im Christentum auch: In der christlichen Mythologie steht Ostern in Verbindung mit Tod und Auferstehung.
In Ritualen, wie sie vielleicht auch im Zusammenhang mit Nehalennia und anderen Frühlingsgöttinnen gefeiert wurden, stirbt der Winter, damit der Sommer beginnen kann.

Die Göttin am Schiff

In Köln finden sich die südlichsten Spuren ihres Kultes anhand zweier Inschriften, die später beim Bau des Deutzer Kastells als Bauglieder dienten.
Noch im zwölften Jahrhundert war es üblich, dass ein Schiff durch die Niederlande zog, an dessen Bord die Göttin unsichtbar thront. Wo es einkehrte, war Freudengeschrei und Jubel, man tanzte bis in die späte Nacht um dasselbe herum, und sang festliche Lieder. Niemand durfte sich aber dem Schiffe ohne Erlaubnis nähern und dies geschah nur gegen reiche Gaben. Lange nachher, im sechzehnten Jahrhundert, dauerte ein ähnlicher Umzug mit Schiffen und Pflügen in Schwaben fort.

auch:  Nenhellenia

 

 

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