Zemyna – Baltische Erdgöttin

Zemyna, die vor allem in Lettland und Litauen verehrt wird, bringt alles Leben und alle Nahrung aus sich selbst hervor. Die Göttin der Erdkraft, die Erdmutter gilt vor allem in Litauen als die große Muttergöttin.

Lebendige Erdkraft

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Zemyna, die vor allem in Lettland und Litauen verehrt wird, bringt alles Leben und alle Nahrung aus sich selbst hervor. Die Göttin der Erdkraft, die Erdmutter gilt vor allem in Litauen als die große Muttergöttin. Wenn man von ihr spricht, so meist in Metaphern für die Natur und den Planeten selbst.

Ihr Name Zemyna bedeutet schlicht und einfach „Erde“, Zemynele ist eine Verkleinerungsform und bedeutet soviel wie „Mütterchen Erde“.
Poetisch wird sie auch mit dem Beinamen Ziedkele versehen („Erheberin der Blüte“).

Zemyna ist die Natur, der Planet, die Muttererde

Zemyna ist auch die Göttin der Fruchtbarkeit und die Beschützer von Vieh, Haushalten und Bauernhöfen. Sie ist die Natur, der Planet, die Muttererde. Sie verleiht und erhält das Leben. Aus ihr kommt alles hervor und zu ihr kehrt alles zurück.

Zemyna gehört alles, was in der Erde seinen Anfang fand und sich auf ihr befindet. Alles was durch die Erde lebt, wird auch in sie zurückkehren, was sie auch zu einer Göttin des Jenseits und der Auferstehung macht.
Aufgrund dieser Bedeutungsfülle war sie im gesamten Baltikum eine mächtige Universalgöttin, die bis ins späte 15. Jahrhundert des ausgehenden Mittelalters verehrt wurde.

Sie ist daher auch Geburts- und Todesgöttin. Menschen bringen ihr bei der Geburt eines Kindes Geschenke in Form von Naturalien dar und sie wird bei Begräbnisritualen, in denen sie die sterblichen Überreste in ihrem Körper aufnimmt und die Seelen in ihren Bäumen beherbergt, gehuldigt.

Besonders verbunden ist sie mit Pflanzen, sowohl für Nahrungspflanzen als auch für jene die nicht als Nahrungsmittel dienen.
Ihre Bäume sind die Eiche, die Fichte und die Linde. Die Krone dieser Bäume gelten dabei als der anbetungswürdigste Teil, denn dort soll sich das Geheimnis des Lebens verbergen. Auch Bäume mit 3 oder 9 Austrieben bzw. mit dreizackigen Blättern gelten als heilige Pflanzen der Zemyna.

Menschenseelen leben in Bäumen weiter

Es gibt den Glauben, dass nach dem Tod die Menschenseelen mit dem pflanzlichen Leben zusammenfließen und eine Wohnstatt in den Bäumen haben: Frauen leben in Linden und Fichten weiter, Männer in Eichen, Ahornbäumen und Birken, jungfräuliche Mädchen in Lilien, Dorfälteste in Obstbäumen. So gilt der vertrauteste Baum im Hof als kosmischer Bote, zeigen doch seine Äste zur Mutter der Erdgöttin, zu Saule, der Sonnengöttin.
Vögel, die in den Bäumen ihre Nester bauen, gelten als Symbole der Lebenskraft und als Boten zwischen Erd- und Sonnengöttin.

Zemyna steht nach wie vor zu ihrer Mutter der Sonnengöttin Saule in enger Verbindung. Sie wird von ihr liebevoll beschienen und damit wird alles Wachstum, Fruchtbarkeit, Licht und Wärme möglich.

Man sagt alle anderen Götter und Göttinnen wären Žemynas Kinder.

Lebendige Bräuche um die baltische Erdgöttin

Das Brauchtum und die Rituale rund um die baltische Erdgöttin sind noch heute sehr lebendig. Die Menschen brachten der Zemyna zu vielen Gegebenheiten Weihegaben dar (und tut dies heute immer noch).

Die Weihegaben für Zemyna sind Frauenfiguren und Schweine, es wird ihr auch Brot und Bier dargebracht.

Diese Gaben werden entweder an große flache Steine gelegt, in fließende Gewässer geworfen, in der Erde vergraben oder an Bäume gehängt. Dabei sprechen die Menschen Gebete und Segenswünsche.
Ihr zu Ehren wird der erste Schluck Bier als Weihegabe auf die Erde geschüttet oder ein Stück Brot unter die erste Ackerfurche gepflügt.
Es gibt den Begriff „Zemynelauken“, dieser bezeichnet den Ritus des Biervergieβens mit Gebeten für Žemyna.

Es ist verboten die Erde schlecht zu behandeln in Form von spucken, schlagen, treten, respektlosem Verhalten, Spott und ähnlichem. Bis ins sechzehnte Jahrhundert glaubte man daran, dass einer Familie eine riesige Schlange den Weg zum Haus versperren konnte, wenn diese die Erde nicht richtig ehrten. Grüne Schlangen sind auch das Symbol der Zemyna.

Ihr zu Ehren küsste man Morgens und Abends den Boden und sprach dabei Segenswünsche oder begrüßt sie einem kurzen Gebet, wie „Meine liebe Erde, mein Mütterlein! Trage mich, sättige mich!“

Zemyna wird auch in unzähligen Gedichten und Liedern geehrt, in denen von ihr von der „Blühenden“, der „Knospentreibenden“ und der „Blumengebenden“ gesprochen und gesungen wird.

Fest der Kräuter und Blumen

Noch heute ist der 15. August der bedeutendste Tag vom Triumph der Zemyna. Es ist das Fest der Kräuter und Blumen, ein großes Fest der sommerlichen Fruchtbarkeit und des Erntedanks.

In Litauen werden Blumensträuße und Kornähren zur Kirche gebracht, um den Segen der Göttin zu erhalten. Diese verbirgt sich heutzutage, wie viele anderen alte Göttinnen auch, natürlich unter dem großen Sternenmantel der christlichen Muttergöttin Maria.

Denn Zemyna wurde nach der Christianisierung Litauens stark mit der Gottesmutter Maria identifiziert, sodass ihr Kult mehr oder minder in eine Verehrung der Gottesmutter umgewandelt wurde.

Aber  jenseits der Verehrung der christlichen Gottesmutter gingen vor allem privaten Kulthandlungen für die Erdgöttin Žemyna weiter. Damit überdauerte der Glaube an die alte Erdgöttin die Christianisierung, die im baltischen Raum Ende des 14. Jhdts. vollzogen wurde, weit.

In Wilna tätige Jesuiten berichteten Anfang des 17. Jhdts. in ihren Tagebüchern von Weihegaben, die Frauen vor Steinen niederlegten, die der Erdgöttin geweiht waren. Mit einem Rundschreiben an die bäuerliche Bevölkerung forderte Žemaitijas Bischof Petras Parčevskis im 17. Jhdt. auf, endlich die Tonschalen aus den Häusern zu werfen, in denen – verborgen unter Gerümpel in einer Stubenecke – einer Hausgöttin Speisen dargebracht wurden.
Visitationsberichte protestantischer Pfarrer in den litauischen Gegenden Ostpreußens beklagten noch im 18. Jhdt. versteckte „Opferstellen“ für Žemyna auf den Gehöften ihrer Pfarrkinder.

Vor allem die Rituale am 15. August, dem großen Ehrentag Marias anlässlich ihrer „Himmelfahrt“ knüpfen an jene der uralten Erdgöttin Zemyna an.

Ein weiteres Hauptfest für Zemyna fiel in den Dezember. Es hatte den Namen Sabarios, was „Zusammenschüttung“ bedeutet. Es wurden dabei nämlich alle Getreidearten zusammengeschüttet. Daraus wurden dann die kreisrunden Festkuchen und das Festbier hergestellt. War das Bier fertig, goss der Hausvater von diesem dreimal auf den Behälter, in dem das Saatgut gelagert war und betete zur Zemynele, damit sie die Blüte des Getreides segnen möge.

Frauen, die sich mit der Erdkraft verbinden wollen, ehren sie in Ritualen, die sie selbst kreieren bzw. den traditionellen Zeremonien nachempfinden.

auch: Žemyna, Zemina, Zhemyna, Zemlja, Matuska Zemlja, Zeminele, Žemynėlė, Zemynele, Zemes Mate, ŽemėSemmes mate, Sieroji Zemel, Mati-Syra-Zemlya, Seminas, Semas, Semmes mäte
altpreußisch: same, semme

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