Fylgia – Nordisches Schutz- und Seelenwesen

In der nordischen Mythologie ist eine Fylgia ein Schutz- und Seelenwesen bzw. eine spirituelle Begleiterin in Frauen- oder Tiergestalt.

Die Lebensbegleiterin

In der nordischen Mythologie ist eine Fylgia ein Schutz- und Seelenwesen bzw. eine spirituelle Begleiterin in Frauen- oder Tiergestalt.
Ihr Name leitet sich vom nordischen Zeitwort für „folgen“ ab.
Jeder Mensch hat so eine Fylgia, daher gibt es viele Fylgjen. Diese beschützen die Menschen nicht nur während ihres gesamten Lebens, sondern begleiten auch viele Generationen, da sie von den Eltern auf die Kinder „übergehen“ und den Geist und das Heil der Familie weitertragen.

Die Fylgia ist schon bei der Geburt ihres Schützlings in beliebiger (Tier- oder Frauen-) Gestalt anwesend und verbindet sich mit dem ersten Atemzug mit ihm. Wenn die Fyglia eine Frauengestalt hat, dann geht man davon aus, dass diese in der Mutterlinie eine weibliche Vorfahrin der matriarchalen Sippe ist, ein beschützende Urahnin. Interessanterweise wird der Begriff Fylgia auch für die Nachgeburt angewendet, aber der Zusammenhang ist geheimnisvoll und unklar.

Erscheint im Traum

Es heißt die Gestalt der persönlichen Fylgia gleicht der Seele und dem Charakter des jeweiligen Menschen. Fyglien in Tiergestalt geben also Aufschluss auf die besondere Stärke eines Menschen – so zeugt ein Wolf von einem wehrhaften Charakter, ein Vogel von Leichtigkeit, ein Fuchs von Schlauheit.
In der Saga von König Hrolf Kraki wird von einer „überindividuellen höheren Macht“ erzählt. Die Bären-Fyglia des Bödvar Biarki erschlägt mit seiner Pranke mehr als fünf Recken des Königs, ist selbst aber unverwundbar durch Schwert und Pfeil.

Fyglien sind normalerweise nicht sichtbar. Wenn sie erscheinen, dann im Traum bzw. in Visionen. Wenn sie einem Menschen etwas Wichtiges mitzuteilen hat, vermag sie ihn zu jeder Zeit einzuschläfern, so heißt es in den alten Mythen. Bewusst kann man sie bei Trancearbeiten oder spirituellen Reisen herbeirufen und um Eingebungen und Unterstützung bitten.
Ihrem Schützling zeigt sie sich erst im Augenblick des Todes. In einigen Quellen heißt es, sie bringen den Menschen, dem sie folgten, bei dessen Tod zu den Vorfahren seiner Familie.
In den nordischen Mythen heißt es, dass die Fylgia einem in der Schlacht gefallenen Krieger als Walküre erscheint, die ihm den Lebenstrank (altgerm. alu = „Bier“) reicht und hoch zu Ross nach Walhalla führt.

Elfen, Krafttiere, Schutzengel

Fylgjen sind als weibliche Wesen in ihrer Gestalt mit den Elfen vergleichbar. Haben sie Tiergestalt, werden sie auch mit Krafttieren anderer spiritueller Konzepte verglichen.

Durch ihre Verknüpfung zum individuellen Schicksal eines Menschen stehen sie den Disen (nordische Fruchtbarkeits- und Schicksalsgöttinnen) nahe.
Es scheint auch Berührungspunkte mit den Völven zu geben, die ja mediale Vermittlerin sind und das Bindeglied zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt bilden.

Das Christentum hat bei der Missionierung der Menschen, die an die alten Naturreligionen glaubten, das Konzept von schwarzen und weißen Fylgjen erfunden. Wobei die schwarzen Fyglien die Begleiterinnen der „Heiden“ waren und als böse aufgefasst und die weißen in die Schutzengel der Menschen christlichen Glaubens verwandelt wurden.

Noch heute im skandinavischen Volksglauben

Fylgjen erscheinen in der Geschichte von Burnt Njál aus der isländischen Njál's Saga, eine der bekanntesten und beliebtesten Isländersagas. Verfasst wurde diese von einem unbekannten Autor vermutlich zwischen 1270 und 1290. In dieser Sage wird Fylgjen auch als „Fetches" beschrieben, wenn sie als Besuchsfiguren in Traumgeschichten vorkommen. Später war in angelsächsischen und englischen Mythen Tiergestalten als „Fetch" bekannt. Ob dies ursprünglich das gleiche Wesen war, das in der isländischen Literatur vorkommt, oder ob es sich um ein ähnliches Konzept handelt, ist schwer zu sagen.

Der Glauben an diese Schutz- und Begleitwesen lebt noch heute im skandinavischen Volksglauben fort, auf Island als fylgja, in Norwegen als vardoger, in Schweden als vård oder vålnad.
Sie begleitet die Menschen, behüten und beschirmen sie, warnen, trösten, muntern sie auf.

Einige Menschen haben mitunter das Gefühl, dass ihre Fylgja auf physischer Ebene vor ihnen herläuft.

auch: vardoger (norwegisch), vård oder vålnad (schwedisch)
altnordischer Plural: Fylgjur, eingedeutschter Plural: Fylgjen oder Fylgien

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