Die, die Tabu ist
Die Göttin Styx ist eine Okeanine und älteste Tochter der Thethys und des Okeanos, wird aber auch Tochter der Nyx und des Erebos erwähnt. Sie ist mit dem Titanen Pallas verheiratet und hat eine ganzen Reihe an Kindern:
Die bekannteste ihrer Töchter ist die Siegesgöttin Nike, weiters ist sie Mutter von Bia (Gewalt), Zelos (Wetteifer); Kratos (Macht), Vis (Kraft), Invidia (Neid, Missgunst, Eifersucht), Potestas (Macht, Amtsgewalt).
Darüber hinaus brachte sie auch noch Fontes und Lacus – und damit alle Quellen und Seen sowie das Meeresungeheuer Scylla zur Welt. Styx gilt als eine fruchtbare Göttin, die fern von den himmlischen Gottheiten in einem Palast unter hohen Felsen wohnt. Ringsum werden diese Felsen von silberne Säulen gestützt, die bis in den Himmel ragen sollen.
Göttlicher Fluss, der die Lebenden von den Toten trennt
Am bekanntesten ist sie als Göttin bzw. Nymphe, die über den nach ihr benannten Fluss Styx wacht. Es wird auch gesagt, dass Styx selbst der Fluss ist bzw. sei dieser ihr Menstruationsblut. Styx wird auch als das Menstruationsblut der Erde angesehen.
Der Fluss Styx entspringt bezeichnender Weise aus einer heiligen Höhle bei der Stadt Clitor. Nach einer anderen Auslegung des Mythos soll Styx in Arkadien von den Hängen des Chelmos über Felsen zu Tal stürzen und in die Unterwelt strömen. Er ist daher in der griechischen Mythologie neben Acheron, Letho, Kokytos, Phlegethon und Eridanus ein Fluss der Unterwelt.
Die Göttin Styx sorgt mit ihrem Fluss, der das Land der Lebenden von jenem der Toten trennt dafür, dass niemand in die Unterwelt gelangen kann, wenn er nicht zuvor die Qualen des Todes durchlitten hat. Sie wird auch als «Die, die tabu ist» bezeichnet.
Laut der Theogonie, einem Werk vom altgriechischen Dichter Hesiod, (* vor 700 v.d.Z.) soll die Styx insgesamt den zehnten Teil der Gesamtwassermenge auf Erden umfassen. Im Griechischen ist der Fluss Styx weiblich, was für griechische Flussnamen selten ist.
Die Töchter der Thethys und des Okeanos, die Okeaninen waren ja für die Weltmeere zuständig, während deren Söhne, die Okeaniden alle Flüsse der Erde sind. Styx als weibliche Okeanine und gleichzeitig Fluss bildet hier eine Ausnahme.
Das Wasser des Grauens
Jeder der Unterweltsflüsse hat eine spezielle Funktion. Styx (übersetzt: „Hass“ oder „Wasser des Grauens“) stellt die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich Hades dar, die auch von der Göttin Styx bewacht wird.
Acheron ist der mythologische Fluss des Leidens, Letho der Fluss des Vergessens, Kokytos ist ein Seitenarm der Styx und der Fluss des Wehklagens, im Fluss Phlegethon fließen statt Wasser Flammen, die alles verbrennen und niemals erlöschen. In einigen Darstellungen wird davon gesprochen, dass er kochendes Blut führt.
Und Eridanus ist der mythologische große Fluss am Ende der Welt, in den Phaeton, der Sohn des Sonnengottes Helios, stürzte, nachdem er die Kontrolle über den Sonnenwagen seines Vaters verloren hatte.
Der Fluss Styx umfließt neun Mal den Hades. Der Fährmann Charon bringt die Seelen der Toten über den Fluss. Damit sie diesen bezahlen konnten, wurde den Toten eine Münze (Obolus) unter die Zunge gelegt und somit in den Tod mitgegeben. An anderer Stelle heißt es auch, Styx durchfließe den Hades in sieben Windungen, ehe der Fluss als Alpha neu entspringt.
Die Verknüpfung des Todesflusses mit dem ersten Buchstaben des griechischen Alphabets symbolisiert den ewigen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt und veranschaulicht die Zyklen, die die Welt bestimmen.
Das wird deutlich, wenn der Fluss Styx als Menstruationsfluss der Göttin angesehen wird. Die Menstruation ist immer das Ende eines fruchtbaren Zyklus, mit dem ein Ei abgestoßen wird und gleichermaßen der Anfang, weil sich nur durch diesen gewaltigen Akt der Blutung die Gebärmutter auf neue Fruchtbarkeit vorbereitet.
Macht unverwundbar, ist giftig und zersetzt fast alles
Dem Wasser des Flusses Styx wurden verschiedene Eigenschaften zugesprochen: Zum einen konnte es unverwundbar machen. So wurde Achilles, der Held der Ilias von seiner Mutter, der Göttin Thetis darin gebadet, was ihn unverwundbar machte.
Das Menstruationsblut gilt in vielen Mythen als die heiligste und heilendste Substanz, die es gibt. Sie kann unsterblich machen. Thetis hielt ihren Sohn an der Ferse fest. Damit war diese die einzige Stelle, die nicht gebadet wurde und daher verwundbar. Diese „Achillesferse“ wurde ihm zum Verhängnis.
Zum anderen gilt das Wasser der Styx als giftig. So soll Alexander der Große damit vergiftet worden sein. Darüber hinaus soll das Wasser der Styx jedes Gefäß zersetzen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört der goldene Krug der Iris (siehe weiter unten), auch der Huf eines Pferdes soll unversehrt bleiben.
Der Kampf der göttlichen Geschlechter
Die Göttin Styx eilte mit ihren Kindern, vor allem ihrer Tochter Nike dem Zeus in seinem Kampf gegen die Titanen zur Hilfe.
In der griechischen Mythologie gab es lange vor der Entstehung der Menschheit einen elfjährige Krieg zwischen den beiden göttlichen Geschlechtern, der Titanomachie genannt wird. Die Titanen vom Berg Othrys, angeführt von Kronos kämpften gegen die Kinder von Kronos und Rheia unter der Führung des Zeus.
Die Partei des Zeus gewann diesen Kampf, vor allem auch durch die Hilfe der Styx und der Nike. Zeus erkannte in diesem Kampf, dass er auf Styx auf jeden Fall und unumstößlich zählen kann.
Daher wurde sie auch zur Göttin der Eide. Seither wurde im antiken Griechenland beim Fluss und der Göttin Styx geschworen. Ein solcher Eid waren für Gottheiten wie für Menschen absolut verbindlich.
Die unumstößlichen Eide der Styx
Ein Gelübde war für immer und ewig besiegelt, indem man beim Schwur vom eiskalten Wasser der Styx getrunken hat. Wenn Gottheiten dennoch einen solchen Eid verletzten, dann konnte das im schlimmsten Fall zum Verlust ihrer Unsterblichkeit führen.
Wenn es Streit am Olymp gab, dann holte die Götterbotin Iris im goldenen Krug das Wasser des Styxflusses. Beim Ausgießen der Trankspende aus diesem Krug wurde dann erkannt, welche der Gottheiten einen Meineid geschworen hatte.
Das hatte schwerwiegende Folgen. Zuerst musste der oder die Betroffene ein Jahr lang ohne Atem darniederliegen. In diesem Zeitraum wurden den eidbrüchigen Gottheiten auch Ambrosia und Nektar, jene Gaben der Hebe verwehrt, die den Alterungsprozess aufhielten und damit letztlich Unsterblichkeit verliehen. Darauf folgte eine tiefe neunjährige Betäubung und der Ausschluss von der göttlichen Runde für diese Zeit.
Das ist der Grund, warum die Styx den anderen Gottheiten verhasst war. Auch für Menschen hat der mutwillige Bruch eines Eides, der ihm Namen der Styx gesprochen wurde, schwerwiegende Folgen, nämlich den Verlust der Stimme für neun Jahre.
In ganz schlimmen Fällen kann bei Sterblichen, die sich nicht an ihre Schwüre gehalten haben, das einmal getrunkene Wasser der Styx das Blut erstarren lassen.
auch: Stynx