Ihr Fluss trennt in der Unterwelt das Reich der Toten von der Welt der Lebenden. Letho ist auch die Göttin des Mitgefühls, die alle schlechten Erinnerungen auslöscht.

Die Glänzende im Verborgenen

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Ihr Fluss trennt in der Unterwelt das Reich der Toten von der Welt der Lebenden.

Die Sterbenden trinken die Wasser des Flusses Lethe und vergessen alles – die Neugeborenen trinken daraus und vergessen gleichfalls alles, was sie vor dem Leben auf der anderen Seite des Flusses erlebt haben.
Letho ist auch die Göttin des Mitgefühls, die alle schlechten Erinnerungen auslöscht.

Menschen, die Schlimmes erlebt haben, wenden sich an sie, um den Mantel des Vergessens über das Erlebte decken zu können und sich von Albträumen zu befreien.
Sie ist damit auch die Göttin der Verzweifelten, die ihre schmerzhaften Erinnerung verlieren, ihre Selbstzweifel, Wut, Ärger, Scham- und Schuldgefühle loslassen wollen.
Letho lädt sie dazu ein, sich ihr Leben bis zum heutigen Tag genau anzuschauen und sich selbst die Fehler zu verzeihen, die sie gemacht haben.

Die Glänzende als Göttin der Nacht

Ihr Name stammt vom griechischen Wort gleto „die Glänzende“ ab. Trotz ihres Strahlens und Glänzens gilt sie als eine Göttin der Nacht, der Finsternis und des Verborgenen.

Sie gilt auch als Muttergöttin, da die uranfängliche Nacht das Licht an die Welt brachte.
Im matriarchalen Symbolismus geht die Nacht dem Tag, der Winter dem Sommer voraus.
In patriarchalen Gesellschaften ist zumeist das Gegenteil der Fall.
Letho, die dunkel gewandete, ist allzeit freundlich und mild zu den Menschen und den anderen Gottheiten. Die Unterweltsgöttin Letho gilt als die sanfteste Göttin im ganzen Olymp.

Der patriarchale Mythos der Frauenfeindschaft und Eifersucht

Die Legende erzählt, dass Letho, die Tochter der Phoibe eine Geliebte des Zeus war. Als sie schwanger war, soll die eifersüchtige Hera allen Ländern der Erde verboten haben, Letho einen Platz für die Geburt ihrer Kinder einzuräumen.
Das mit den «Geliebten» des großen griechi­schen Ober­gotts ist ja so eine Sa­che für sich. In vielen Fäl­len der patriarchal er­zählten Ge­schichte kann man davon ausgehen, dass es sich hierbei eher um Vergewaltigungsopfer handelt.

Nicht umsonst wandelte sich Letho in den Fluss, der Vergessen schenkt. Auch die legen­dä­re Eifersucht der Hera wird durch eine sehr pat­riar­chale Brille betrachtet. Denn sie, die Große Göt­tin, Himmelskönigin, para­diesi­sche Mutter ist im Laufe der Jahrhunderte zur eifersüchtigen, ihren Gemahl verfolgenden, zänkischen Furie erniedrigt worden, um insgesamt die Macht und Kraft der Muttergöttin und damit alles Weib­lichen zu schwächen.

Es ist zu vermuten, das die ständigen Streitereien zwischen Hera und Zeus die Reibung zwischen den frühen pat­riarchalen und matriarchalen Kulten wi­ders­piegelt.

Hera ist eine große Matriarchin und als Vertre­terin des uralten Mutterrechts die Beschüt­ze­rin der Familie, die im Matriarchat aus der Mut­terlinie und all ihren Kindern und Kin­des­kinder bestand.
So relativiert sich auch die Ge­schichte mit Letho, von der es folgende pat­riarchale Version gibt:

Es gibt zwei Varianten dieses Banns der Hera: Zum einen sollte Letho ihre Kinder nur auf einem Land zur Welt bringen können, das noch nie von der Sonne beschienen. Eine andere Version des Mythos erzählt, dass Letho an einer Niederkunft auf jederlei festem Boden gehindert war.
Damit ist sie einer jener Göttinnen, die für den Geburtsort anderer Götter bzw. Göttinnen erschwerte Bedingungen hatte. Dieses Thema hat später ja auch das Christentum aufgegriffen. Schließlich suchte ja auch Maria eine Herberge für ihre Niederkunft.

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Erschwerte Geburtsbedingungen

Nun kamen die Kinder der Letho schließlich doch zur Welt. Wie das vor sich ging, davon gibt es einige verschieden überlieferte Geschichten:

Zum einen soll sich sich der Meeresgott Poseidon erbarmt und den Wasserspiegel soweit abgesenkt haben, dass aus der zuvor völlig überschwemmten Insel Otygia (der späteren Kykladen-Insel Delos) der Berg Kynthos über die Wasseroberfläche ragte und so Letho einen Platz für ihre Niederkunft bot.

Zum anderen soll ihr ihre Schwester Asteria zur Hilfe gekommen sein. Auch dieser soll Zeus, nachdem er Letho geschwängert hatte, nachgestellt haben.
Asteria floh daraufhin als Wachtel über das Meer. Der sie verfolgende Zeus, verwandelte sich in einen Adler und setzte ihr nach, weshalb sie sich in einen Felsen verwandelte, der ins Meer hinabstürzte. Als sie nach einiger Zeit wieder auftauchte, tat sie das als Insel, die den Namen Ortygia (griech. für Wachtel) erhielt.

Diese – gerade aus den Meeresfluten aufgetauchte Insel – war das einzige Land, das noch nicht von der Sonne beschienen war.
Als vom Himmel gefallener Felsen galt Ortygia bzw. Delos als schwimmende Insel auf dem Meer und damit nicht als fester Boden. Nach der Entbindung von Letho soll Poseidon die Insel an vier diamantenen Säulen befestigt haben.

Athena und viele anderen Göttinnen des Olymp standen Letho jedenfalls als Geburtshelferinnen zur Seite.

Wie ihre Schwester zuvor, verwandelte sich Letho sicherheitshalber noch in eine Wachtel. Doch sie konnte neun Tage und Nächte ihre Kinder nicht zur Welt bringen, bis Hera endlich einwilligte, die Geburtsgöttin Eileithyia um Hilfe zu rufen.
In dem Moment, als Eileithyia vom Olymp kommend die Insel betrat, setzte bei Letho, die sich an den einzigen Baum auf der schwimmenden Insel, eine Palme, klammerte, die Geburt ein.

Sie brachte zuerst den weiblichen Mond in Form der Artemis zur Welt. Diese half der Mutter daraufhin bei der Geburt ihres Zwillingsbruders, der männlichen Sonne in Form des Apollon.

Eine patriarchal verfälschte, aber im Grunde sehr schöne Schilderung von unterstützender Frauenkraft während eines Geburtsvorganges.

Die sehr zweifelhafte Rolle der Hera kann damit gedeutet werden, dass sie über die Gebärende einen Schutz gelegt hat und
sie auf einer sehr ungewöhnlichen Stelle ihre Kinder zur Welt bringen ließ, womöglich um sie vor der väterlichen Gewalt zu schützen.
Wusste sie doch, dass es in der Familie des Zeus üblich war, dass Väter die Kinder gleich nach der Geburt auffressen oder sogar schon die von ihnen geschwängerten Frauen verschlingen, um eine Niederkunft zu verhindern (siehe Metis).

Der Fruchtbarkeits-Zwist mit Niobe

Ihren Rang als Göttin machte ihr deren Jugendfreundin Niobe streitig. Diese hatte 12 (bzw. 14) Kinder.
Mit der zur Schau getragene Fruchtbarkeit soll Niobe das Volk an der Verehrung der Letho gehindert haben.
Dies soll allerdings von Artemis und Apollon grausam gerächt worden sein, die alle Kinder der Niobe töteten. (Näheres siehe bei Niobe)

auch: Leto, Lethe, lat.: Latona, Leto, Lato

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