Artemis ist eine eine der vielschichtigsten Göttinnen, die in hellenistischer Zeit oft nur auf die Bereiche der Jagd, der Geburt, des Mondes und auf Jungfräulichkeit beschränkt worden ist, obwohl sie eigentlich das Weibliche in all seinen Aspekten darstellt.
Wilde, freie, selbstbestimmte Kraft
Artemis ist eine der vielschichtigsten Göttinnen, die in hellenistischer Zeit oft nur auf die Bereiche der Jagd, der Geburt, des Mondes und auf Jungfräulichkeit beschränkt worden ist, obwohl sie eigentlich das Weibliche in all seinen Aspekten darstellt.
Ganz sicher repräsentiert Artemis den wilden, ungebändigten, unabhängigen Teil, die Unbe-herr-schbarkeit von (Mutter) Natur – Wesenszüge, die alle Frauen in sich tragen. Die Göttin der Amazonen ist die weibliche Seelengestalt all jener Frauen, die keine „bessere Hälfte“ benötigen.
Artemisfrauen kennen und verfolgen ihre Ziele bestimmt und brauchen dafür keine Unterstützung. Artemis ist Jungfrau – eine sich selbst treu bleibt – und sich in den Wäldern mit LiebhaberInnen vergnügt. Als Göttin der Geburt und der Jagd ist sie sowohl Jägerin, als auch und Beschützerin des Wildes und von allen Lebendigem, auch aller hilflosen Kinder (besonders der Mädchen und jungen Frauen).
Pfeil und Bogen trägt und setzt sie ein, um Verbrechen zu sühnen, insbesondere Verbrechen gegen ihre Mutter, die Erde.
Die vielbrüstige Ernährerin
Die Kultstatue der Artemis von Ephesos in Kleinasien ist vielbrüstig, sie gilt daher als Ernährerin alles Lebendigen. Als Göttin der Geburt wurde Artemis von den Frauen bei der Entbindung angerufen.
Der Legende um ihre Geburt ist sehr bemerkenswert: Die hochschwangere Göttin Letho fand keinen Platz für ihre Niederkunft. Schließlich standen ihr Athena und viele anderen Göttinnen des Olymp als Geburtshelferinnen zur Seite. Doch erst als Hera einwilligte, konnte die Geburtsgöttin Eileithyia um Hilfe gerufen werden.
Darauf hin brachte Letho zuerst den weiblichen Mond in Form der Artemis zur Welt. Diese half der Mutter daraufhin sofort bei der Geburt ihres Zwillingsbruders, der männlichen Sonne in Form des Apollon. Somit gilt Artemis auch die Göttin der Geburtshilfe und der Hebammen. Die Geburtstag von Artemis und Apollon wurde am 6. und 7. Tag des attisch-ionischen Monats Thargeliṓn (später April bis später Mai) im antiken Griechenland gefeiert.
Wurde Apollon dem Sonnengott gleichgesetzt, so war Artemis die entsprechende Mondgöttin. Damit wurde sie zur allwaltenden Naturgöttin und deren Zyklen.
In ihrem Verantwortungsbereich lag auch Pflanzenwachstum und Fruchtbarkeit, was schon ihr Geburtstag mitten im Frühlings andeutet. Ist doch der Mai jener Monat, der alles vergrößert und die Pflanzen voll zum Erblühen bringt (siehe auch die Maien- und Frühlingsgöttin Maia).
Da diese starke Frühlingskraft oft wie Magie scheint, wurde Artemis auch zur Göttin des Zaubers, der Zauberinnen und Hexen sowie der Zauberkräuter. Die ihr heiligen Pflanzen waren u. a. verschiedene Artemisia-Arten wie Wermut (Absinth) und Beifuß, aus denen man berauschende und heilende Getränke herstellte. Artemisia heißt auch Machtwurz, denn mit diesem Kraut und der Kraft der Göttin regeln Frauen ihre Menstruation und ungewünschte Schwangerschaften.
Die magischen Kräuter wurden bevorzugt bei Mondschein gepflückt oder im Mondschein getrocknet. Sie gilt als Hüterin der Übergänge, sowohl von Geburt und Erwachsensein als auch von Wildheit und Kultur. Sie ist besonders für Frauen zuständig, für die Stufen ihres Lebens, wie Jungfräulichkeit, Initiation, Hochzeit und Entbindungen, aber auch für ihren Tod.
Die heiligen Tiere der Artemis
Als ihre heilige Tiere gelten Hirsch und Bär. Besonders ist sie auch mit Reh und Steinbock verbunden. Die altgriechische Artemis geht auf viel ältere Bär- und Vogelgöttinnen zurück, wobei ihr Bärwesen dominierte und ihr Vogelwesen zurücktrat. Überlieferungen zufolge spielte sie eine wichtige Rolle in Initiationsriten für junge Frauen, die bei solchen Gelegenheiten als „Bärinnen“ auftraten (siehe auch Kallisto).
Sie trägt ja auch die Wortwurzel „Art“ in ihrem Namen. Und Artio ist die keltische Bärgöttin.
Ihre Wurzeln liegen möglicherweise in der 7000 Jahre alten Vinča-Kultur, aus der uns der älteste erhaltene Satz der menschlicher Sprache überliefert ist:
„Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin“
Was bedeutet er? Die Bärgöttinnen wurden meist als Ge-Bär-Göttinnen verstanden. Die Vogelgöttin ist in vielen Kulturen ein Symbol für die totbringende Göttin.
Sie ist die, die Leben bringt und gleichzeitig den Tod symbolisiert.
Alles Ende ist nur die Geburt in eine neue Phase, in eine neue Realität. (Mehr dazu HIER).
Das zeigt sich auch in ihrer Funktion als Beschützerin der Tiere, wie auch als Jagdgöttin die mit Pfeil und Bogen durch die Wälder streift und ausgewählten Tieren den Tod bringt. Als beschützende Göttin der HirtInnen und BogenschützInnen sorgt sie damit aber auch für Nahrung, damit das menschliche Leben weitergehen kann.
Freie Natur als Spiegel göttlicher Weiblichkeit
Blumige Auen sind ihr heilig, während in manchen Artemis-Kulten auch Bäume geheiligt wurden, etwa der Olivenbaum, die Zeder, die Zypresse, die Eiche und der Nussbaum. Artemis schützt die Wege und die WanderInnen, gebietet über die Gewässer und begleitet den Lauf der Flüsse wie den Lauf der Schiffe. Sie ist die Retterin aus aller Not.
Sie ist die Göttin des Handels und Wandels, der Marktplätze und schließlich des gesamten Staatswesens. Auch Schwüre, besonders von Frauen, werden in ihrem Namen abgelegt.
Die Göttin stammt in ihren mannigfachen Vorläuferinnen aus den fernsten Fernen der Vorzeit, der prähistorischen Zeit der JägerInnen und SammlerInnen, aus der sie ihr schweifendes Wesen und ihre Verbundenheit mit den Tieren mitbrachte. Artemis ist immer in Bewegung wie die Quellen und Flüsse, die ihr heilig sind.
Sie zieht im Gefolge der Nymphen, u.a. der Kallisto und anderen jungen Damen durch die Gegend und veranstaltet bei jeder Gelegenheit Badespiele. Sie ist eine der Göttinnen, die am häufigsten angerufen werden und doch bleibt sie im Grunde unerbittlich wie der Tod, den sie mit ihren „sanften Pfeilen“ sendet.
Zugleich aber liebt sie Chorgesang und Tanz. Sie ist mädchenhaft und von unvergleichlicher, hinreißender Schönheit. Der Spiegel dieser göttlichen Weiblichkeit ist die freie Natur, mit ihrem Glanz und ihrer Wildheit, mit ihrer schuldlosen Reinheit und ihrer seltsamen Unheimlichkeit.
Es ist für Artemis bezeichnend, dass sie sich in den Streit der Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite, wer von ihnen die Schönste sei, nicht einmischt. Sie heißt in alten Kulten „Kalliste“, die „sehr Schöne“. Nie würde sie sich dem Urteilsspruch eines Sterblichen fügen.
Sie gilt als Göttin der Rache und straft alle, die ihr keine Achtung erweisen. Beispiel dafür ist die Verwandlung von Aktaion in einen Hirsch, weil er sie einmal beim Baden an einer Quelle nackt gesehen hatte. Sie hetzte anschließend fünfzig Hunde auf ihn. Anderseits ist sie aber auch die Göttin der Eintracht, die Unheil abwendet und Segen spendet.
Göttin der Freiheit und Selbstbestimmung
Für die Göttin Artemis gibt es keine Autorität, die über ihr steht, sie regiert über sich selbst und ist frei vom Einfluss anderer. Frauen rufen ihre Unterstützung, wenn sie diese Kraft der Selbstbestimmung sowie klare Entscheidungen brauchen. Artemis ermuntert Frauen, ihren Raum einzunehmen, klare Grenzen zu ziehen und auf ihre Bedürfnisse zu achten.
Die Artemis-Energie in uns treibt uns voran. Mit dieser Kraft werden wir zielsicher, schießen unsere Pfeile ab. Ohne sie würden wir vielleicht im Stillstand und der Gemütlichkeit verharren, uns nie trauen, etwas Neues auszuprobieren.
Sie — die Jägerin und göttliche Bogenschützin — verfolgt ihre Ziele aus ihrer Mitte heraus. Denn eine, die beim Abschießen eines Pfeiles nicht in ihrer Mitte ist, wird schwer ein Ziel treffen.
Frauenkraft und Frauenliebe
Als Mondgöttin symbolisiert sie den Zyklus des Mondes, mit ihr lernen Frauen das Absinken und Wiederauftauchen der eigenen Kraft zu spüren und anzunehmen. Sie weckt die Lust auf Liebe zwischen den Frauen.
Am einfachsten ist es, sich in der Natur mit der Kraft der Artemis zu verbinden. Vollmondnächte im Wald oder an Gewässern eigenen sich besonders gut (diese Orte sind für gewöhnlich um einiges sicherer als belebte Straßen tagsüber).
Da Artemis selbst mit Freundinnen und GefährtInnen durch die Wälder gezogen ist, freut sie sich, wenn einige „Amazonen-Schwestern“gemeinsam losziehen. Die gesamte Fauna und Flora unterstützt Frauen dabei, ihre Mitte, ihre Eigenmacht zu finden und – wenn nötig – alle Persönlichkeitsanteile zurück zu holen.
sehr schön geschrieben 🙂