Niobe – „Mutter der Menschheit", griechische Fruchtbarkeitsgöttin

Es heißt, Niobe habe „Kinder ohne Zahl“ geboren. Daher wird Niobe in sehr alten griechischen Mythen auch die „Mutter der Menschheit“ genannt, bzw. zuweilen auch als eine besondere Form einer Vegetations- oder Erdgöttin interpretiert.

Die versteinerte Mutter 

Die Legende von Niobe stammt ursprünglich aus Anatolien. Niobe kommt in der Bergumgebung des Sipylos (Manisa) auf die Welt, wo ihr Vater Tantalos König ist. Als ihre Mutter gilt entweder Dione oder Merope. Gemeinsam mit der Göttin Letho aufgewachsen, ist Niobe deren Jugendfreundin.

Später heiratet sie den König von Theben Amphion (auch: Aphion). Dieser wird als kunstsinnig, linde und freundlich beschrieben. Das Paar soll ein glückliches und fruchtbares Leben geführt haben, bis dramatische Geschehnisse dieses beendeten.

Es heißt, Niobe habe „Kinder ohne Zahl“ geboren. Überliefert sind zumindest 6 (in anderen Quellen auch 7) Töchter – die Eschen-Nymphen und 6 (bzw. 7) Söhne.

Die Kinder ihrer Töchter waren menschliche Wesen. Daher wird Niobe in sehr alten griechischen Mythen auch die „Mutter der Menschheit“ genannt, bzw. zuweilen auch als eine besondere Form einer Vegetations- oder Erdgöttin interpretiert.

Der Fruchtbarkeits-Konflikt zwischen den Göttinnen

Allerdings soll sich Niobe ob ihres Kinderreichtums selbst für ihre gewaltige Fruchtbarkeit gerühmt und damit sogar ihre einstige Freundin Letho verspottet haben. Diese hat nämlich nur zwei Kinder.

Die Kinder der Letho waren allerdings Artemis und Apollon und damit sehr mächtige Gottheiten. Mit der zur Schau getragene Fruchtbarkeit soll Niobe das Volk an der Verehrung der Letho gehindert haben.

Der Legende nach soll Manto, die Tochter des großen Wahrsagers Teiresias eines Tages von frommer Regung getrieben in Straßen von Theben die Thebanerinnen zur Verehrung der Göttin Letho aufgerufen haben: „Kommt in Scharen! Erweist unserer Göttin Letho und ihren Kindern Apollon und Artemis die Ehren, die wir ihnen schuldig sind!“

Die Frauen sollen daraufhin willig ihrem Ruf gefolgt sein. Sie begannen, Opfer vorzubereiten. Dabei sollen sie allerdings von Niobe aufgehalten worden sein, die an der Spitze ihres Gefolges ihnen gegebenüber trat und ihnen entgegen schleuderte: „Seid ihr denn wahnsinnig, Gottheiten zu verehren, die ihr nie mit euren Augen gesehen habt — während ihr vergesst, jenen Wesen Weihrauch und Opfer zu spenden, die mitten unter euch leben?“

Dann soll Niobe zahlreiche Gründe für die ihr gebührende Verehrung aufgeführt haben: Ihr Vater Tantalos hat einst am Tische der Gottheiten gespeist, ihre Mutter Merope, die Schwester der Plejaden, leuchtet als glänzendes Gestirn am Himmel, der gewaltige Atlas, der die Welt auf seinen Schultern trägt, sei einer ihrer Ahnen und Zeus gar ihr Großvater. Sie vergaß auch nicht, die Kunstfertigkeit ihres Gatten und ihre eigene königliche Macht zu erwähnen.

Schließlich soll sie gesagt haben: „Vor mir wollt ihr Letho, einer Göttin, die ihr noch nie angesichtig wurdet, den Vorzug geben, die nur zwei Kinder ihr eigen nennt? Das ist der siebente Teil meiner Mutterschaft! Und raubte mir die Schicksalsgöttin auch einige Kinder, niemals würde ich auf Lethos armselige Zahl hinabsinken!“ Ihre alte Jugendfreundin Letho soll darauf hin tief gekränkt ihre beiden Kinder zu gerufen haben: „Soll ich mir solchen Schimpf gefallen lassen?“

Die Rache der Artemis und des Apollon

Artemis und Apollon zögerten darauf hin nicht, ihre Mutter zu rächen. Sie schwangen sich in Wolken gehüllt durch die Lüfte und ließen sich auf der Burg von Theben nieder. Die göttliche Strafe traf zuerst die Söhne, deren Niobe sich so sehr gerühmt hatte.

Während sie sich vor den Stadtmauern im fröhlichen Spiel tummelten, traf sie nacheinander göttliche Pfeile des Apollon. Einer wurde auf hohem Pferderücken sitzend getroffen, andere beim Ringkampf, wieder einen, als er in fassungslosem Schmerze die sterbenden Brüder in seinen Armen zu beleben versuchte. Als sich deren Schwestern in Trauerkleidern um sie und die toten Brüder scharten, soll Niobes Stolz von neuem aufgewallt sein.

Sie schleuderte Letho  entgegen: „Nein, du bist nicht Siegerin! Auch vor den Leichen meiner Söhne bin ich mehr als du!“

Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen. Denn nun übernahm Artemis die Vollendung des Strafgerichts. Niobes Töchter wurden, eine nach der anderen von ihren Pfeilen getroffen. Als die sechste Tochter gefallen war, flüchtete sich in ratloser Furcht die letzte in den Schoß der Mutter, um dort Schutz zu suchen. Niobe schrie in Verzweiflung: „Schone diese eine – nur die jüngste von so vielen!“

Ab dieser Stelle gibt es zwei Versionen der Legende: Die Bitte, die erste, die sie an die Göttin richtete, fand kein Gehör, und während Niobe noch flehte, soll das Mädchen zu ihren Füßen gestorben sein. Eine andere Fassung des Mythos berichtet allerdings, dass dieses Mädchen, Niobes Tochter Chloris mit dem Leben davon gekommen ist. Sie wurde zu einer der berühmtesten Schönheiten Griechenlands und zur Göttin der blühenden Natur.

Aus Gram versteinert

Wie dem auch immer war – angesichts der getöteten Kinder nahm sich Amphion das Leben. Die vor Schmerz gebrochene Niobe wurde vom Weinen und Trauern um ihre Kinder ganz schwach und verhärmt, schließlich erstarrte sie aus Gram.

Aus ihren Wangen wich alles Blut, ihre Augen starrten unbewegt, kein Leben regte sich mehr in ihr: Niobe war zu Stein geworden. Allein ihre Tränen rannen über das leblose Antlitz. Darauf hin erhob sich ein gewaltiger Wirbelwind, schleuderte den Stein, der einst Niobe war, hoch und führte ihn durch die Lüfte in ihre kleinasiatische Heimat zum Berge Sipylos. Dort setzte ihn der Wind im öden Gebirge unter den Steinklippen nieder.

Dort kann man ihn noch heute sehen: Die Legende lebt in Manisa im Westen von Anatolien. noch immer weiter. Dort gibt es ein Felsen, der einem Frauengesicht sehr ähnelt. Aus zwei Öffnungen, die an Augenhöhlen erinnern, fließt Wasser. Man erzählt sich, Niobes Gestalt steht als Felsen im Gebirge. Aus ihren steinernen Augen fließen ihre Tränen seit Jahrtausenden unaufhörlich in das Gebirgstal hinab.

Homer beschreibt die Ereignisse folgendermaßen:

Der Niobe mit den schönen Haaren kam in den Sinn zu essen. Dabei waren ihre zwölf Kinder gestorben im Palast. Sechs Mädchen und sechs Jungen im Jünglingsalter. Apollon zürnte der Niobe. Hatte getötet ihre Söhne mit seinem silbernen Bogen. Und ihre Töchter tötete die Bogenschützin Artemis.

Niobe hatte sich mit der schönwangigen Letho verglichen, gesagt Letho gebar zwei Kinder, ich dagegen ein Dutzend.

Zwei, Apollon und Artemis töteten sie alle. Die Leichen lagen und blieben in ihrem Blut. Da war keiner, sie zu begraben. Alle hatte in Stein verwandelt des Kronos‘ Sohn. Die Götter des Himmels begruben die Toten am zehnten Tag Eben an jenem Tage kam der Niobe in den Sinn zu essen. Sie war es müde, Tränen zu weinen.

Heute, an den Felsen des Sipylos, am verlassenen Gipfel. Am Ufer des Akhelos Stromes, wo die Nymphen spielen sind ihre Lager, sagen sie ja, eben dort. Wurde auf Geheiß der Götter zu Stein die Niobe, ihr Herz bewahrt den Schmerz.

 

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