Hebe ist die Jungfrau in jener Göttinnen-Triade, in der Hera, der Aspekt der Mutter und Hekate jener der Weisen Alten ist. Die drei symbolisieren auch Himmel, Erde und Unterwelt sowie Frühling, Sommer und Herbst/Winter.
Die jugendliche Lust des Lebens
Hebe ist die Jungfrau in jener Göttinnen-Triade, in der Hera, der Aspekt der Mutter und Hekate jener der Weisen Alten ist. Die drei symbolisieren auch Himmel, Erde und Unterwelt sowie Frühling, Sommer und Herbst/Winter.
Sie ist der berauschend zarte, duftige Frühling, das erste Grün, die lieblichen Knospen, die jungen Kräuter, das erste Vogelgezwitscher, frisch und rotwangig.
Ihr Name kann sowohl mit «jugendliche Blüte» wie auch mit «jugendliche Lust des Lebens» übersetzt werden. Als jungfräuliche Erscheinungsform der Göttin soll Hebe der hurritischen Hebat, der mesopotamischen Heveh oder Hawwa oder der persischen Hvov gleichen, außerdem sei sie eine Variante der biblischen Eva.
In der römischen Mythologie findet Hebe ihre Entsprechung in der Iuventas. Oft wird sie auch mit der germanischen Idun verlichen. Hebe ist nicht nur der Inbegriff der Jugend, sie kann diese, ja sogar Unsterblichkeit verleihen.
Bewacherin der goldenen Äpfel
So konnten Heroen wie Herakles durch die Hochzeit mit Hebe zu unsterblichen Göttern werden und in Hebes Paradiesgarten leben, wo sie von den Äpfeln des heiligen Baumes essen durften. Hebe als jungfräuliches Selbst der Hera bewachte den Baum voll goldener Äpfel, die die ewige Jugend, Unsterblichkeit, Schönheit, Klugheit und KönigInnen die Gotteswürde verleihen. Dieser wurde der Hera bei ihrer Hochzeit von Gaia geschenkt.
Hera ließ ihn am Rande der Erde in ihrem göttlichen Garten anpflanzen und von Hebe (in anderen Auslegungen von den Hesperiden und zusätzlich vom tausendköpfigen Drachen Ladon, Sohn der Göttin Echidna) pflegen und bewachen.
Die göttliche Servierkraft
Neben dieser Aufgabe hatte Hebe eine ganze Menge anderer Dinge zu tun, sie war sozusagen multitasking. Sie musste ihren Bruder, den Kriegsgott Ares sein Badewasser herrichten und den Pferde von Heras Wagen das Geschirr anlegen.
Vor allem war sie aber sowas wie eine göttliche Servierkraft. Hebes ursprünglicher Name ist Ganymeda, unter diesem ist sie im Olymp die Mundschenkin der anderen GöttInnen und reicht Nektar und Ambrosia. Ohne sie und ihren Gaben wären die Gottheiten gealtert.
Soviel zur Unbeschwertheit der Jugend.
Das «kleine Fräulein» ist ja noch jung und kräftig und kann locker all diese Sachen machen – ihren Bruder und alle die anderen Gottheiten bedienen und später auch einmal einen Helden heiraten, den sie dann auch frisch und jung erhält.
Das Coming-Out des Göttervaters
Wie jedoch Hera im Zuge des Einfalls der patriarchalischen Stämme über Griechenland ihre ursprüngliche Führungsstellung an den von der Eroberern mitgebrachten den Himmelsgott Zeus abtreten musste, so verlor auch Hebe ihre Stellung an eine männliche Gottheit – an den homophilen jungen Mann Ganymed. (Was in ihrem Fall, wo sie doch eher als Dienstmagd behandelt wurde, vielleicht gar nicht so schlecht war.)
Zeus entbrannte in heftiger Liebe zu diesem trojanischen Prinzen, der als der schönste aller Jünglinge auf Erden galt. Ihn wünschte sich Zeus daher als Mundschenk an der Göttertafel. In der Gestalt eines Adlers entführte er den Knaben und Ganymed war fortan als Mundschenk im Olymp tätig. In den Himmel aufgestiegen sieht man den Mundschenk Ganymed immer noch als Sternbild des Wassermanns.
Dies spiegelt u.a. den Siegeszug des patriarchalen Gesellschafts- und Herrschaftssystems in Griechenland wider, in dem auch die Lebensform der romantischen homoerotische Liebe hochgehalten wurde. Zeus soll nach den vielen Liebschaften mit sterblichen Frauen und Göttinnen, die allesamt seiner Ehe nichts anhaben konnten, wegen Ganymed seine Frau Hera verlassen haben.
Der «Sturz» der Hebe
In dem Zusammenhang ist auch der offizielle «Kündigungsgrund» der Hebe interessant. Irgendwie musste Chef Zeus sie ja nach jahrhundertlangen treuen Diensten loswerden, damit er seinen Günstling einsetzen konnte. (Ein Thema, das bis heute seine Aktualität nicht verloren hat.) Also musste ein Missgeschick herhalten. Hebe sei einmal beim Servieren hingefallen und habe alle Göttinnen und Götter damit beschämt, dass sie bei diesem Sturz ihr „Geschlecht“ entblößte.
Das war offenbar zu viel der Weiblichkeit: Frau Kollegin, da müssen wir Sie jetzt durch einen jungen Mann ersetzen, der weniger Unruhe in die Firma Olymp bringt. Plötzlich wurde also der große Verführer Zeus und seine göttlichen Kumpanen im Olymp prüde. Und dass sich die Göttinnen etwas draus gemacht haben, wenn sie das Geschlecht einer ihrer Geschlechtsgenossinnen gesehen haben, ist auch stark anzuzweifeln.
Der ganze Akt kann daher als Degradierung der Weiblichkeit an sich gewertet werden. Hebe kam zum Sturz, indem sie wahrscheinlich nicht nur ihre äußeren Geschlechtsorgane sondern vielmehr ihr gesamtes Geschlecht, ihre Weiblichkeit offenbart hat. Das war schon damals in der beginnenden männerdominierten Welt unerwünscht, wenn nicht gefährlich. Und Gender-Beauftragte hatte der Olymp halt leider noch keine.
Was Hebe nach ihrer Entlassung getan hat, ist weitestgehend unbekannt. Zu wünschen wäre ihr, dass sie ihre diversen anderen Jobs auch hingeworfen hat und sich an den Tisch zu den anderen Götter und Göttinnen gesellt, mit ihnen Nektar und Ambrosia zecht und sich im Stillen denkt: «Soll doch der Ganymed hier den Kellner spielen und die Becher füllen, ich find’s ohnehin fein, dass hier einmal eine Frau von einen Jüngling bedient wird … »
auch: Ganymeda