Schon die EtruskerInnen kannten Mater Matuta als Göttin des frühen Lichtes und damit auch der Geburt, bei dem ein Mensch das Licht der Welt erblickt. Ihr Name bedeutet übersetzt „morgendliche Mutter“.
Die Morgenhelle
Schon die EtruskerInnen kannten Mater Matuta als Göttin des frühen Lichtes und damit auch der Geburt, bei dem ein Mensch das Licht der Welt erblickt. Ihr Name bedeutet übersetzt „morgendliche Mutter“.
Daraus leitet sich auch das lateinische Wort Adjektiv „matutina“ (= Morgenstunde bzw. frühmorgens) ab.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei Mater Matuta nicht nur simpel um eine Göttin der Morgenröte und des frühen Morgens jeden Tages handelt, sondern dass sie überhaupt als die „erste Mutter“ angesehen wurde – die, die der Welt das erste Licht am allerersten Morgen brachte. Damit verweist die Namensgebung in die Zeit des altitalischen Matriarchats.
Die beste deutsche Übersetzung wäre demnach „Urmutter“. Besonders verehrt wurde diese Göttin aber offenbar frühmorgens und speziell in jener Zeit des Jahres, in denen es am Morgen schon sehr früh hell ist – also die Zeit um die Sommersonnenwende.
Das Fest der Mütter
Ihr Ursprung liegt in der Bronzezeit. Die einwandernden ItalikerInnen haben von der einheimischen Urbevölkerung den Kult dieser Muttergöttin übernommern. Als die Phönizier auf ihren Handelszügen mit ihr in Kontakt kamen, setzten sie die Göttin ihrer Astarte gleich. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Statuetten.
Ihr Kult ist auf das römische Reich übergegangen. Mater Matuta wird als gutherzige Göttin beschrieben, zu deren Ehren im antiken Römischen Reich jährlich am 11. Juni, die Matralia (Fest der Mütter) gefeiert wurde.
Sie beschützt nicht nur die Frauen und jede Geburt, sondern ist auch die Göttin des Wachstums – jenes von Menschen und Tieren, vor allem aber auch von Pflanzen. Von Juni an, in dem die Matralia gefeiert wurden, kommen die meisten Pflanzen ja zu ihrer vollen Reife, wachsen mit enormer Kraft und Geschwindigkeit, was den Menschen Nahrung gibt. Der lateinische Wortstamm lässt sich auch mit „maturus“ (= zur guten, zur rechten Zeit“) in Verbindung bringen, der auf die Silben „mātū“ bzw. „mā“ für „gut“ zurückgeht. Daher kann sie auch mit „Die gute Mutter“ übersetzt werden (vergleiche auch Bona Dea).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der österreichische Begriff „Matura“ für Reifeprüfung – die zur „rechten Zeit“, wenn ein Mensch dafür reif genug ist – abgelegt wird. So wie auch die Gaben der Mater Matuta auf den Feldern und in den Gärten erst zur rechten Zeit genießbar und reif sind – jeder Prüfung standhalten und geerntet werden können.
Dieses „maturus“ ist aber auch wichtig bei jeder Geburt, die zum richtigen Zeitpunkt stattfinden soll, nämlich dann, wenn das Kind reif genug ist, den Mutterleib zu verlassen. Darüber wacht Mater Matuta.
Heiligtum in der Nähe von Quellen
Es ist über diese Göttin, ihre Tempel, ihren Kult und ihre Feste sehr viel bekannt, die meisten Informationen zu ihr überlieferte Ovid. Dazu gibt es noch Fragmente von Tempeln und viele Darstellungen der Göttin: In Satricum (13 km nordöstlich von Anzio in Italien stand das älteste bekannte Heiligtum der Mater Matuta, das rund 800 v.u.Z. errichtet wurde.
Es befand sich in der Nähe zahlreicher Quellen und war schon wegen seiner besonderen Lage bemerkenswert. Aufgrund der nahen Quellen ist anzunehmen, dass sie auch als Heilungsgöttin verehrt wurde und ihr Tempel ein Wallfahrtsort war. Der erste Bau war vermutlich eine schlichte, für diese Zeit klassische ovale Holzhütte. Um 650 v.u.Z. wurde der Holzbau durch ein sacellum (Schrein) ersetzt, der doppelt so groß wie das ursprüngliche Heiligtum war.
Die erste wirkliche Tempelanlage wurde dann wahrscheinlich noch vor 500 v.u.Z. errichtet. Nachdem 206 v.u.Z. ein Blitz in das frei stehende Gebäude einschlug, begann es langsam zu verfallen. Von beiden Gebäuden sind allerdings noch Reste von Ziegeln und Dachterrakotten erhalten geblieben.
Kooperation mit Fortuna
Im Antiken Rom stand Mater Matuta mit der Göttin Fortuna in einer engen Kultbeziehung. Das den Göttinnen am Forum Boarium (Platz mit Viehmarkt in Rom) geweihten Doppelheiligtum hatte das gleiche Weihedatum. Nachdem er der Mater Matuta im Falle seines Sieg über Veji einen Tempel gelobt hatte, ließ Marcus Furius Camillus diesen 396 v.u.Z. errichten und weihen.
An der Längsseite dieses Doppelheiligtums der beiden Göttinnen wurde eine Zisterne gegraben, die immerhin 80 m³ Fassungsvermögen hatte. Diese war die vom 4. Jhdt. v.d.Z. bis in hadrianische Zeit in Betrieb. Ein Teil des Wassers wurde sicher für rituelle Zwecke am Fest Matralia am 11. Juni, verwendet. Dieser Festtag galt sowohl der Mater Matura als auch der Fortuna, deren eigentlicher Festtag der 24. Juni war.
Es ist anzunehmen, dass in der ganzen Zeitspanne zwischen diesen beiden Tagen gefeiert wurde. Das Wasser aus dieser Zisterne spielte dabei sicher eine große Rolle, da der Juni in Süditalien ein regenloser Monat ist.
Nach den Aufzeichnungen von Ovid hatten nur römische Matronen Zugang zum Tempel der Mater Matura. Um das zu verdeutlichen, soll bei Festen sogar eine eigens hierfür ausgewählte Sklavin mitgeführt, geschlagen und dann aus der Kultstätte gejagt worden sein. Dann beteten die Frauen für das Wohlergehen der Kinder ihrer Schwestern – was auf ein matriachales Relikt hinweist. Abschließend wurden der Göttin Weihegaben dargebracht. Überliefert ist ein in einer Tonform gebackener Kuchen.
Göttin mit Strahlenkranz
In einem Votivdepot in Satricum hat man einige Bronzestatuetten gefunden, die eine nackte Frauengestalt zeigen, die in manchen Fällen den Darstellungen der römischen Göttin Venus ähnlich sind.
Da die PhönizierInnen ihre Muttergottheit Astarte auch mit Venus gleichgesetzt hatten, scheint hier einiges an Kulturaustausch stattgefunden zu haben. Oft hält Mater Matuta auf Darstellungen ein Neugeborenes in den Armen oder es sitzt ein Kind auf ihrem Schoß – damit ist sie Vorbild für die viel späteren Madonnendarstellungen.
Andere Statuetten weisen eine Brustverdoppelung auf, was ihr den Charakter einer dea nutrix (nährenden Göttin) gibt. Sie trägt sie auf manchen Darstellungen einen Gürtel – was wahrscheinlich auf die Reinheit der Natur als Vorbedingung für ihre spätere Fülle hinweist.
Besonders auffällig ist der Kopfschmuck der Göttin: Er wirkt oft wie ein überdimensionaler Fächer, der vermutlich einen Strahlenkranz darstellt. Dies könnte ebenfalls mit phönizischen Vorstellungen der Sternengöttin Astarte in Verbindung stehen. Auf einigen Statuetten, trägt die Göttin ganz offensichtlich eine Sonnenscheibe auf dem Kopf – was auch auf ihren Festtag zu Sommerbeginn und auf die große Helligkeit in dieser Zeit hinweist.
Ovid setzte Mater Matuta auch mit der griechischen Meeresgöttin Leucothea gleich. Denn auch Mater Matuta stand stets in enger Beziehung mit Wasser – im Landesinneren mit den Quellen und Zisternen und an der Küste mit Salzwasser. Sie war daher auch die Schutzgöttin der Seefahrt und der Häfen.
Ein Teil ihres Namens wurde deshalb auch mit jenem der altitalischen Quellnymphe Albunae vermengt. Die EtruskerInnen nannten Mater Matuta auch Uni, was im allgemeinen mit der römischen Juno, also der großen Muttergöttin des Römischen Reichs gleichgesetzt wird. Diese war als Juno Lucina ja auch eine Licht bringende Geburtsgöttin.
In den Tempeln der Mater Matura könnte es auch Priesterinnen gegeben haben, die „heilige Liebesdienste“ vollzogen, was fälschlicherweise als „Tempelprostitution“ ausgelegt wird.
In den Kulten und Verehrungsformen der ältesten Göttinnen gab es allerdings keinerlei Trennung zwischen Mutterschaft, schöpferischer Urkraft des Wassers und des Bodens sowie der Erotik und der sexuellen Lust, die ja der Ursprung neuen Lebens ist.
Daher ist Sexualität in den Tempeln der Göttin als durch und durch heiliger Akt anzusehen.