Ganz Lettland wird als Māras zeme (Māras Land) bezeichnet, was sie als Göttin des Landes auszeichnet. Sie ist die die höchste aller Gottheiten, Mutter aller Müttergöttinnen.
Die schwarze Erdmutter
Aus Überlieferungen der Dainas, der traditionellen lettischen Volkslieder, wird Māra als die höchste aller Gottheiten, Mutter aller Müttergöttinnen, der sogenannten mātes (siehe Gausu mate, Juras mate, Lauku mate, Meza mate, Upes mate, Veja mate, Zemes Mate) angesehen und verehrt.
Die heidnischen und vorchristlichen Religionsgemeinschaften Lettlands glauben an Māra als die Personifizierung alles Materiellem und der Natur – sie vereint in sich die „göttlichen“ Aspekte der Geburt, des Lebens und des Todes.
Ganz besonders im Zusammenhang mit der Geburt wird sie immer wieder als stille Beobachterin und Behüterin von Mutter und Kind erwähnt.
Sie ist überdies Erdmutter, Mutter und Behüterin der gesamten Natur und Gebieterin über die Elemente.
Außerdem wird sie als Matrona aller ökonomischen Aktivitäten, auch der Märkte, des Handels und des Geldes genannt.
Ganz Lettland wird als Māras zeme (Māras Land) bezeichnet, was sie als Göttin des Landes auszeichnet.
Māra wird manchmal gleichgesetzt mit der „Mutter der Rinder“ (lettisch: Lopu māte).
Sie beschützt alle weiblichen Aktivitäten („Kinder und Rinder“).
Christlichen Strömungen des 9.–11. Jahrhunderts wollten die alte Mutter- und Erdgöttin als die heilige Maria interpretieren. Dies schien vor allem wegen der Ähnlichkeit der beiden Namen naheliegend. Die Bezeichnung Māra ist allerdings bereits in vedischen Überlieferungen erwähnt und wurde von indoarischen bzw. indoiranischen Völker ca. 1.300 v.u.Z. bei ihrer Migration über Persien und Indien nach Nordeuropa mitgebracht. Māra ist also wesentlich älter als Maria.
Die Erdgöttin in Gestalt von schwarzen Tieren
In unterschiedlichen Legenden, volkstümlichen Liedern und mythischen Erzählungen der lettischen Folklore kommt Māra sehr häufig vor.
Die Göttin nimmt hier meist die Gestalt einer einfach gekleideten Frau ein, die als diese den Menschen erscheint.
Oft wird sie auch in schwarzen Tiere erkannt, häufig als schwarze Kuh, daher trägt sie auch den Titel „Mutter der Kühe und der Milch“. Sie gebietet über die Milch der Tiere und der Menschenfrauen.
Darüber hinaus gibt es auch Erzählungen, in denen die Göttin in Gestalt einer schwarzen oder weißen Henne bzw. Hahns erscheint. Daher wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schwarze Hähne oder Hennen in neue Häuser eingenistet, um der Göttin Māra zu huldigen und sich ihrer schützenden Kraft für das Haus zu versichern.
Darüber hinaus verwandelt sie sich auch in die Gestalt eines Käfers. Viele lettische Kindergeschichten und Märchen handeln vom Zweipunkt-Marienkäfer Mārīte, dessen Name eine Verkleinerungsform von Māra ist. Dieser ist sozusagen das nationale Insekt Lettlands. Er lebt draußen auf den Feldern und in der freien Natur, und in Form dieses Käfers ist die Göttin immer allgegenwärtig.
Sie tritt oft auch als schwarzen Schlange auf, was wieder auf ihre Erdverbundenheit hinweist.
Das schwarz ist Ausdruck ihrer Kraft als Erdgöttin. Die schwarze Erde soll ja die aller fruchtbarste sein.
Oft wird Māra oft auch auf ihre Funktion als Todesgöttin reduziert und die Farbe schwarz wird auch dahingehend interpretiert.
Māra wird oft in Verbindung mit Dievs, dem baltischen Himmelsgott gebracht. Es heißt in einem Spruch: „Dievs schuf den Tisch, Māra – das Brot“. Als Erdgöttin ist sie für die Nahrungsmittel und für die Fruchtbarkeit ihres Landes zuständig. Als Todesgöttin kehrt alles wieder in sie zurück.
Es heißt, Māra nimmt nach dem Tod eines Menschen dessen Körper zu sich, Dievs hingegen die Seele.
Gemeinsam mit Laima und Dievs soll Māra die Dreifaltigkeit in der lettisch-baltischen Mythologie der Gottheiten darstellen.
Gewebe in Zick-Zack-Linien
Das Symbol der Māra ist die Zick-Zack-Linie. Sie repräsentiert für die lettische, aber auch andere Kulturen das Wasser und kommt in verschiedenen Variationen bereits in der Antike vor.
Es heißt, eine Lieblingsbeschäftigung der Māra ist die Handarbeit. Die Mythen berichten, dass je nachdem, wie die Göttin bei einzelnen Menschen die Muster webt, es Wendepunkte im Leben geben wird, daher auch die Zick-Zack-Linien. Und wenn sie den Faden abschneidet, wird die Person oder ein anderes Lebewesen aufhören zu existieren.
Ihr großes Fest, der Māra-Tag wird nach der Ernte, zu Herbstbeginn gefeiert. Zu Ehren der Erdmutter wird ein Mahl aus den Zutaten der neuen Ernte zubereitet.
auch: Māre, Mārīte, Mārša, Māršava