Eva – Die mythische Urmutter der Menschheit

Wir kennen sie natürlich aus dem Alten Testament: Eva ist gemäß dem biblischen Schöpfungsbericht (Genesis) die von Gott geschaffene Urmutter der Menschheit. 

Sie, die Leben gibt

Eva artedea - Göttinnen

Wir kennen sie natürlich aus dem Alten Testament: Eva ist gemäß dem biblischen Schöpfungsbericht (Genesis) die von Gott geschaffene Urmutter der Menschheit.
Interessant für die Herkunft der Eva ist, sich mit der Wurzel ihres Namens zu beschäftigen. Dazu gibt es einige Varianten:
Der lateinische Name der uralten Muttergöttin entstand aus der griechischen Transliteration der hebräischen Buchstaben HWH, auch „Hawwah“. Und dieses Wort „Hawwah“ ist verwandt mit dem aramäischen „hayyatum“ (= Schlange).
Der Name Eva und die Wörter „Schlange“ und „Leben“ leiten sich also im Arabischen von derselben Wurzel ab.
Der biblische Gott durfte ja nicht mit seinem Namen genannt werden. Sein „Geheimcode“ war daher JHWH und das leitet sich von der hebräischen Wurzel HWH ab, das in die lateinische Schrift übersetzt E-V-E bedeutet. Das angefügte J (yod) bezeichnet das Wort, durch das die Ursprungsgöttin ihren eigenen Namen als Schöpfungswort anrief – eine verbreitete Vorstellung in Ägypten und anderen Kulturen des Altertums. Die verborgene Kraft, die in den vier Buchstaben in Gottes Namen beinhaltet sind, waren also ursprünglich eine Anrufung Eva, bzw. der alten Muttergöttin.
In den Sprachen des Vorderen Orients gibt es auch die Varianten Heva und Isha. In der biblischen Schöpfungsgeschichte wird sie als „ezer“ des ersten Mannes bezeichnet und das wird meist als „Gehilfin“ oder auch – etwas freundlicher – als „Gefährtin“ übersetzt.

Eine weitere Variante für die Wurzel, aus der sich der Name Eva ableitet, kommt aus dem Indischen und zwar aus in der Übersetzung von Jaganmātā.
Dieses Sanskritwort ist auch eine Bezeichnung der Göttin Parvati, der Mutter des Universums, bzw. der Beiname der Göttin Kali Ma. Diese war im antiken Indien auch als Jiva oder Ieva bekannt, die als Schöpferin aller wahrnehmbaren Formen gilt.
In alten assyrischen Schriften kommt sie als der große Mutterschoß vor, als jene, die das ganze Erden- und damit auch Menschenschicksal erschuf und in Händen hält und als jene, die aus Lehm die Menschen erschuf. Und zwar weibliche und männliche, die sie zu Paaren vereinte. Der erste der beiden biblischen Schöpfungsmythen leitet sich von dieser Menschheitserschaffung aus Lehm ab, allerdings erfuhr die weibliche Schöpfungskraft eine Geschlechtsumwandlung, nun war es Gott der Herr, der hier aus Lehm die ersten Menschen bastelte. Der Beginn des männlichen Eingottglaubens und der patriarchalen Welt …

Die Mythen des Alten Testaments

Da uns Eva vor allem aus der biblischen Geschichte bekannt ist und in dieser Figur stark die Menschheitsgeschichte, vor allem jene der Frauen geprägt hat, kommen wir nicht umhin, uns mit dieser biblischen Eva zu beschäftigen. Um die Geschichte bzw. die Herkunft von Eva zu verstehen, muss man ein wenig über die Entstehung des sogenannten Alten Testaments Bescheid wissen.
Wann wurde dieses verfasst und von wem?
Darüber teilen sich die Meinungen. Laut aktueller Bibelwissenschaft werden die ältesten Texte des Alten Testaments meist in das 8. Jahrhundert v.u.Z. datiert.

Klar ist: Es haben zu unterschiedlichen Zeiten die Vertreter verschiedener israelitischer Stämme ihre Erlebnisse mit Gott in Worte gefasst. (Vertreter ist hier bewusst in männlicher Form geschrieben, weil man weibliche Überlieferungen nicht kennt.) Die meisten dieser Geschichten wurden sehr lange einfach nur mündlich weitererzählt. Es hat lange gedauert, bis sie verschriftlicht wurden. In etwa 500 Jahre v.u.Z. ordneten schließlich Beamte, Gelehrte und Schreiber in Jerusalem die verschiedenen alten Überlieferungen. Die ganze Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zu ihrer Zeit sollte in einer bestimmten Reihenfolge erzählt werden. Sie einigten sich darauf, die Geschichten in neun einzelne Bücher aufzuteilen und aufzuschreiben: Die fünf Bücher Mose, Josua, Richter, Rut, Samuel und Könige.  

Etwa um 200 v.u.Z. wurde diese ganze Sammlung noch einmal geordnet und korrigiert. Außerdem wurden noch ein paar weitere Texte hinzugefügt. Das waren die erste und zweite Chronik, Esra, Nehemia Esther und das Hohelied.
Daraus folgt, dass es in dieser redaktionellen Bearbeitung verschiedene, sich oft auch widersprechende Bibelstellen zu einzelnen Begebenheiten gibt. Das Auffälligste ist, dass es die biblische Schöpfungsgeschichte und damit auch die Menschheitsschöpfung in zwei sehr unterschiedliche Varianten gibt.

Da finden wir in 1.Mose 1:26, dem älteren (und knapperen) Schöpfungsbericht: „Und Gott sprach: Lasset uns den Menschen machen, nach unserem Bild und Gleichnis. Und so schuf Gott den Menschen nach seinem Bild, nach Gottes Abbild schuf er ihn, als Mann und Frau erschuf er sie.”

Also hier ist es eindeutig klar, dass Mann und Frau gleichzeitig und wie es scheint auch gleichwertig erschaffen wurden. Möglicherweise verweist aber die Menschenerschaffung auch auf Lilith, die ja gemäß den apokryphen Schriften auch als allererste Frau gilt, was folgende zweite Variante erklären könnte:

Denn in 1.Mose 2: 7 bzw. 21-23 finden wir die Erschaffung von Adam und danach jene von Eva (die damals noch nicht so genannt wurde):

7 – „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.” (Dass dies ein Mann war und Adam genannt wurde, steht hier übrigens nicht).
21 – „Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch.”
22 – „Und Gott der Herr baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.”
23 – „Da sprach der Mensch: Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.”
Unmittelbar danach wir Adam übrigens sehr prophetisch, indem er sagt: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Da hätte Gottvater eigentlich schon misstrauisch werden müssen, kaum nachdem er dem Adam eine Frau erschaffen hat, phantasiert der schon davon, dass er ihretwillen seinen Vater verlassen wird. Nach dieser Aussage hätte Gott eigentlich schon ein wenig mehr darauf achten sollen, was die beiden so im Garten Eden treiben. Aber vielleicht gehörte das alles ohnehin zur göttlichen Vorsehung. Spannend auch, dass Adam auch von einer Mutter spricht. Wen meint er damit? War da vielleicht doch eine Muttergöttin mit im Spiel?

Kommen wir nochmals zu 1.Mose 1:26 zurück. Was dieser Bibelstelle voran geht ist die Erschaffung von Licht, Wasser, Land, Pflanzen, Tiere etc. – also alles, was Gottvater an den ersten sechsTagen erschaffen hat. Diese Gotteskreationen enden immer mit dem Satz: „Gott sah, dass es gut war.”
Am 6. Tag unmittelbar nach der Kriechtiererschaffung, so lesen wir in Mose 1,26, sprach Gott: „Lasset uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.” 

Da gibt es jetzt drei interessante Details:
Gott hat die Tiere des Feldes sowie die Kriechtiere am selben Tag erschaffen wie die Menschen, sich also für die Krone der Schöpfung, den Menschen, nicht einen eigenen Tag gegönnt wie z.B. bei den Wassertieren und Vögeln, sondern hängt die Menschheitsschöpfung gleich unmittelbar an die Kriechtiererschaffung hinten dran. Da hat er es offenbar schon ein wenig eilig gehabt, denn am 7. Tag war er von seiner ganzen Schöpfungsarbeit ja so erschöpft, dass er bekanntlich ruhen musste.
Das zweite bemerkenswerte Detail: Bei allen anderen Schöpfungsgedanken ist von Gott in der Einzahl die Rede. Hier plötzlich ein Plural. An wen hat Gott sich hier gewandt, den oder die Menschen zu erschaffen? Es ist naheliegend, dass dies Sophia, die Heilige Geistin war, die er ja „schon gehabt hat im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.” Und die ja auch „seine Lust täglich war und vor ihm allezeit spielte.” (siehe AT, Tanach, Sprüche 8,22-31)
Und was zum Dritten besonders auffällt: Es fehlt hier nach der Menschenschöpfung ganz offensichtlich der Satz, dass Gott sah, dass es gut war. Das hat er kurz davor bei den Tieren noch gefunden. Jetzt aber nicht mehr.
War er mit diesem seinem letzten Schöpfungsprodukt nicht zufrieden? Später erkennen wir auch, dass er darüber ziemlich betrübt war. In Gen 6,5-6 können wir nämlich lesen: „Und es reute JHWH, dass er den Menschen gemacht hatte, und es betrübte ihn in sein Herz hinein.”

Also, es gibt zwei Varianten der Schöpfungsgeschichte. Und damit auch zwei Ideen, wie vor allem Eva, bzw. das Weibliche entstanden ist. 

Ist das bei dieser Redaktionsarbeit, die im 3. bis 4. Jahrhundert v.u.Z. abgeschlossen war, nicht aufgefallen? Und wenn doch, warum wurde in der Endredaktion nicht die ältere Erzählung rausgekickt? Vielleicht, weil einer (oder einige) der Verfasser und Gelehrten die gleichzeitige Erschaffung des männlichen und weiblichen Menschen für so wichtig erachteten, dass es Wert war, sie in den Texten zu belassen. Aber darüber kann nur spekuliert werden.

Erste Menschenfrau oder Göttin?

Warum ist diese Kenntnis über die Entstehung des Alten Testaments für den Mythos der Eva so wichtig? Weil wir diese Figur Eva von der biblischen Geschichte nicht lösen können, sie aber in dieser kritisch beleuchten müssen. Dies aus mehreren Gründen:
Als der Schöpfungsbericht der Bibel verfasst wurde, gab es im Vorderen Orient bereits große Kulturen und aus diesen sind uns zahlreiche Göttinnen bekannt.

Eine der Quellen, aus denen Eva entstanden ist, ist die hurritische Königin des Himmels Hebat, aus deren Bezeichnung sich auch der Name Eva ableiten könnte. Als Hebe wurde diese Göttin später in Griechenland als Tochter der Hera und des Zeus betrachtet. 

Und es ist klar: In den meisten Kulturen gab es eine „erste Frau“, eine Urmutter, aus der alle Wesen, Gottheiten und Menschen hervorgegangen sind. Was lag also näher, als im Alten Testament auch so eine Urmutter zu etablieren und bei dieser Figur Anleihe bei den schon bereits bekannten Göttinnen des geografischen Gebiets zu nehmen?

Ist Eva nun eine Göttin oder die „erste Menschenfrau“? 
Wahrscheinlich eher Zweiteres, denn eine Göttin gab es ja bereits in Form von Sophia, die allerdings von der gesamten Christenheit als solche nicht wirklich anerkannt wird, sonders sehr nebulös als Heiliger Geist herumschwirrt.
Aber können wir andererseits nicht davon ausgehen, dass jene Frau, aus deren Schoß das gesamte Menschengeschlecht entsprang, auch etwas Göttliches hat?

Die Sache mit der Rippe 

Aus der Schöpfungsgeschichte 1.Mose 2: 21-23 wird in der christlichen Welt die unterlegene Stellung der Frauen abgeleitet.
Gemäß dieser wurde Eva von Gott (Jahwe) geschaffen, indem er sie – wie uns Übersetzungen weismachen wollen – aus einer Rippe Adams nahm. 

Hier sei angemerkt, dass die gesamte Bibel nur so von Übersetzungsfehlern durchzogen ist. Von der Ursprache des Aramäischen ins Hebräische, dann ins Griechische und Lateinische holpert es nur so dahin, selten wird die ursprüngliche Bedeutung der aramäischen Sprache für Bibelübersetzungen herangezogen. Schließlich kam dann noch die Übersetzung vom Lateinischen in die lebenden Sprachen der Neuzeit hinzu, die nicht nur ungenau ist, sondern auch vom Zeitgeist, z.B. jenem, in dem Martin Luther lebte, stark beeinflusst war. 

Für Generationen von Bibelauslegern galt Eva daher als das Anhängsel des Mannes, ein Mensch zweiter Klasse. Bei Adam hatte sich Gott noch richtig viel Mühe gegeben, seine ganze Kreativität eingesetzt und etwas völlig Neues erschaffen. Bei Eva variierte er nur die Vorlage. Und daraus ergibt sich, wer das Sagen hatte – damals und für alle Zeiten, in denen es Männer und Frauen gibt.

Da stellt sich ganz am Rande auch die Frage: Steht Eva wirklich hierarchisch unter dem Mann, weil Gott zuerst den Mann erschaffen hat? Wenn man so denkt, dann müssten die zuvor erschaffenen Tiere ranghöher sein als der Mensch. Da sich Gott jedoch in seiner Schöpfungskunst steigerte, müsste demnach nicht die Frau die Krone der Schöpfung sein?

Im hebräischen Bibeltext ist allerdings von einer Rippe nicht die Rede, es steht hier das hebräische „zela“. Und das heißt Seite. Es kann auch mit Brett übersetzt werden. Oder mit Seitenflügel. Das hebräische Wort „zela“ kommt in der Bibel 40 Mal vor und wird sonst meistens zur Bezeichnung der Seite eines Gebäudes verwendet. „Zela“ kann auch eine Bergseite bezeichnen und dann als „Hang“ übersetzt werden oder die beiden „Flügel“ einer Türe meinen.
An keiner anderen Bibelstelle wird dieses Wort mit „Rippe“ übersetzt.
Immer geht es also um einen Teil eines Ganzen, der den anderen Teilen entspricht. Genesis 2 erzählt demnach nichts vom überflüssigen Knochen, der dann hübsch eine Frau hergibt. Vielmehr erzählt die Bibel, dass Gott aus dem ersten Menschenwesen zwei macht, aus jeder Seite eines: Eine Frau und einen Mann. 

Darüber hinaus kann das hebräische Wort „zela“ auch mit „das Gekrümmte“ oder „die Kurve“ übersetzt werden und das wiederum ist ein Symbol für die Mondsichel. Mondgöttinnen galten in den alten Kulturen als „Urgrund aller Geburt“ und damit als „Mutter des irdischen Lebens“, deren monatlicher Zyklus die Menstruation der Frauen bestimmt. 

Vor dieser Teilung ist „Adam“ auch nicht Mann, sondern einfach Mensch. Ein Menschenwesen. 

Denn Gott formt aus der Ackererde (hebr. adama) ein Menschenwesen (adam, dasselbe Wort wird auch in Genesis 1,27 verwendet). Adam kann mit „Erdling“ übersetzt werden und ist die Gattungsbezeichnung für Menschen. Interessant, dass es eine sumerisch-babylonische Urmutter-Göttin namens Adamu gibt.
Adamu bedeutet im Sumerischen „Menschheit“ bzw. heißt ‚adam‘ = ‚aw-dam‘: Blut zeigen. Die
ChaldäerInnen waren eine aramäische Stammesgruppe, seit dem frühen 9. Jahrhundert v.d.Z. in Chaldäa ansässig. Offenbar handelt es sich bei Adam (als Mann) um einen Übersetzungsfehler aus dem Aramäischen.

Die Bibel denkt den allerersten Menschen ursprünglich also als androgyn, als ein geschlechtlich nicht ausdifferenziertes Menschenwesen.
Erst in dem Moment, in dem aus der Hälfte des Erdlings die Frau entsteht, entsteht aus der zweiten Hälfte der Mann.

Die Gehilfin – der nächste schwerwiegende Übersetzungsfehler

Die meisten deutschen Übersetzungen beschreiben Adams Lebenspartnerin nicht als gleichwertige zweite Hälfte, sondern als „Gehilfin“. Wie konnte es dazu kommen?
Wir lesen in der Übersetzung von Genesis 2,18: oft: „Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“
Im hebräischen Bibeltext steht dort allerdings „ezer kenegdo“. Dies als „Gehilfin“ zu übersetzen, ist nicht nur ungenau, sondern schlichtweg falsch oder eine patriarchale, bösartige und zutiefst frauenfeindlicher Auslegung (z.B. in der Übersetzung ins Deutsche von Martin Luther).

„ezer kenegdo“: Zwei Worte, die es lohnen, genauer betrachtet zu werden.
Denn wenn man die hebräische Wendung עֵזֶר כְּנֶגְדּוֹ (ezer kenegdo) wörtlicher übersetzt, hat sie eine verblüffende und viel aussagekräftigere Bedeutung.
Je nach Aussprache hat das Wort „ezer“ im Hebräischen ursprünglich zwei Bedeutungen: retten/helfen oder stark sein.
Dieses Wort kommt im Alten Testament 21 Mal vor. Davon steht es nur zwei Mal im Zusammenhang mit der ersten Frau. 16 Mal wird es in der hebräischen Bibel für Gottes Hilfe verwendet. Gott wird damit als Retter, Helfer, Schild und Verteidiger der Welt angerufen. Erstaunlicherweise bezeichnet Gott dieses zweite von ihm geschaffene menschliche Wesen genau mit diesem Wort, das sonst für ihn verwendet wird.
Im Zusammenhang mit Männern wird „ezer“ auch oft für „Lehrer“ verwendet.

Das hebräische Wort „kenegdo“ bedeutet „entsprechend, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht als gleichwertig verhält“.
Genesis 2:18, sollte also übersetzt werden: „Ich werde die Frau zu einer Macht oder Stärke machen, die dem Mann entspricht.“
Oder auch: „Ich werde eine dem Menschen entsprechende Macht (oder Stärke) machen.“ 

Ob also die Übersetzung mit „Gehilfin“ aus mangelndem Wissen der hebräischen Sprache oder sehr absichtlich als Herabminderung der Eva geschieht, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Adam, der dann offenbar irgendwann aus seinem tiefen Schlaf erwachte, war ja ganz angetan von dem was er hier sah: Wir lesen in 1. Mose 2, 23-24:
Das ist endlich Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Männin heißen; denn vom Mann ist sie genommen!
Und da wird Adam gleich richtig prophetisch:
Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden ein Fleisch sein. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen.“
Da hätte Gott schon aufhorchen müssen. Gleich nachdem diese von ihm so genannte „Männin“ geschaffen wurde, phantasiert er schon davon, dass er ihretwegen seinen Vater verlassen wird. Also da gibt es eigentlich nur zwei Varianten: Entweder war das Gott ohnehin Recht und damit war der ganze sogenannte Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies eigentlich vorprogrammiert. Oder Gott hätte das nicht gewollt, dann hätte er aber diese Aussage von Adam  Ernst nehmen und auch den Baum der Erkenntnis besser einzäunen müssen .
Bemerkenswert auch: Was wusste Adam von einer Mutter? Vielleicht doch Sophia, die Heilige Geistin, mit der Gott in der anderen Schöpfungsgeschichte konferiert hat?

Die verbotene Frucht und der „Sündenfall“

Unmittelbar bevor Gott das zweite menschliche Wesen erschaffen hatte, können wir in Gen 2, 15-17 lesen:
„Der Herr nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.“

Wer war dieser Mensch, von dem hier die Rede ist? Der allererste Mensch, den wir üblicherweise Adam nennen. Eva war, als Gott dieses Essensverbot ausgesprochen hatte, nicht anwesend, weil sie noch gar nicht erschaffen war. Ihr hat er ausdrücklich nicht verboten, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Wir finden zumindest keine entsprechende Bibelstelle.

Die Früchte dieses Baumes werden übrigens entgegen späteren Traditionsbildungen (z.B. Feige, Granatapfel oder Apfel aufgrund der Doppeldeutigkeit von lat. Malum „Böses / Apfel“) nicht spezifiziert.  

Eva beschließt, eine dieser Früchte des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, nachdem sie das Argument der Schlange gehört hat, dass diese sie nicht töten, sondern ihr Vorteile bringen würde. Die Schlange, das kluge Tier, hat also Eva und damit den Menschen die Erkenntnis nahe gebracht, dass es sinnvoll wäre, Gut von Böse unterscheiden zu können. Sie sagt: „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“
Und? Wer hat Recht gehabt? Die Schlange!

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Die beiden werden nach allerlei Verfluchungen wie Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen“, von Gott aus dem Garten Eden geworfen. Zuvor machte Gott ihnen aber noch Röcke aus Fellen (1. Mose, 21).
Da stellt sich natürlich die Frage: Woher hatte Gott die Felle? Dazu musste er schon Tiere geschlachtet haben. Auch ein spannender Aspekt dieser Geschichte. Gott macht seine eigene Prophezeiung nicht wahr, dass die Menschen unmittelbar nach dem Verzehr Früchte des Baumes der Erkenntnis sterben werden, dafür mussten aber ein paar Tiere daran glauben.

Die Geschichte geht erstaunlich weiter: Denn es sind nicht nur Adam und Eva nicht gestorben. Durch die Vertreibung aus dem Paradies haben die beiden einander „erkannt“, das heißt, sie hatten Geschlechtsverkehr und damit war garantiert, dass auch die gesamte Menschheit nicht ausstirbt, sondern ganz im Gegenteil, dass die Menschen immer mehr und mehr wurden.
Damit haben sie eigentlich auch das erfüllt, was Gott ihnen in der anderen Schöpfungsgeschichte aufgetragen hat: „Seid fruchtbar und mehret euch (
1.Mose, 28). Ob das Gott mit dem Feindschaftsfluch zwischen männlichen und weiblichen Samen das dann immer noch wollte, sei dahingestellt. Frei nach dem Stichwort: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.
Wir können daraus auch erkennen, dass genau dieser Fluch auch nicht ganz so aufgegangen ist, wie Gott sich das vermutlich vorgestellt hat. Wie hätten die Samen der beiden sonst miteinander verschmelzen und Kinder daraus entstehen können. Da war die Liebe oder einfach die biologischen Gegebenheiten, die er vergessen hatte, umzuprogrammieren, offenbar doch stärker als die vom ihm vorprogrammierte Feindschaft.

Und natürlich sind Adam und Eva selbst irgendwann einmal gestorben, aber nicht unmittelbar nach dem Verzehr der Frucht, was man ja aus dem „sobald du davon isst, wirst du sterben“ folgern würde.
In Genesis 5:5 können wir lesen, dass Adam 930 Jahre alt wurde. Der Überlieferung nach soll Eva angeblich 6 Tage nach Adam gestorben sein. Sie erreichten also ein wahrhaftig biblisches Alter.

Warum musste Gott das erste Menschenpaar nach dem sogenannten Sündenfall aus dem Garten Eden werfen? Eher nicht, weil Gott so zornig war, sondern vielmehr weil er es mit der Angst zu tun bekam. Es gab in diesem Garten nämlich noch einen zweiten wichtigen Baum: Den Baum des Lebens. Es war von Gott zwar nicht ausdrücklich verboten, dessen Früchte zu verspeisen, hätten die beiden Menschen dies aber getan, dann wären sie unsterblich geworden.
Also die Unterscheidung von Gut und Böse gemeinsam mit Unsterblichkeit wäre die Voraussetzung dafür, dass die ersten Menschen gottgleich gewesen wären. 

Und welcher Gott will das schon? Besonders einer, der nicht imstande ist, den von ihm geschaffenen Garten so zu verwalten, dass der Baum des Lebens so eingezäunt wird, dass die Menschen an ihn nicht herankommen. Dann schon lieber Vertreibung. 

Interessant ist, dass rund um den Verzehr der verbotenen Frucht und dessen Folgen Eva im Rahmen der Auslegungsgeschichte der Texte sehr schlecht wegkommt. Die Ansicht, Eva sei die Verführerin und somit der Grund für das Böse in der Welt, hält sich je hartnäckig. Wiewohl, nochmals erwähnt, Gott nur dem ersten Menschen verboten hat, von den Früchten des Baums der Erkenntnis zu essen.

Adam kommt hingegen irgendwie noch gut weg, ihm wurde die Frucht ja bloß von Eva gereicht.
Und? Ist das gleich ein Grund, auch zuzubeißen? Hätte er Eva nicht vom Früchte-Essverbot berichten und sie warnen können? Aber nein, er ist der arme Verführte und daher weitestgehend vom Bösen entlastet. Diese Vorstellung hat das christliche Frauenbild sehr bestimmt und viele Frauen haben es leider in der Folge auch verinnerlicht.

Warum war es aber Eva, die Adam den Apfel reicht und nicht umgekehrt? Das hat wohl eher etwas damit zu tun, dass die Frau in der Entstehungswelt dieser Texte traditionell diejenige war, die für die Ernährung zuständig ist. Dass Adam Eva den Apfel anbietet, hätte wohl in dieser Zeit sehr komisch geklungen und wäre unglaubwürdig gewesen.

Eva als Baumgöttin

Ein weiterer Grund, warum Eva von den Erzählenden mit der Schlange unter den Baum gestellt wurde, liegt wiederum im Motiv des Baumes. Es war im altorientalischen Raum sehr gängig, Frauen mit Bäumen in Verbindung zu bringen. Meistens handelte es sich dabei um Göttinnen, die eine enge Verbindung zu den Bäumen hatten, siehe z.B. die hebräisch-kaanaitische Urmutter Aschera, die mit einem Kultpfahl, der einen stilisierten Baum darstellt, gefeiert und verehrt wurde. Diese alte Muttergöttin stand damals übrigens in großer Konkur­renz zum noch neuen jüdischen Gott. Sie wird etwa 40 Mal im Alten Testament erwähnt. Dies allerdings mit den wigenldesten Warnun und Anweisungen, ihren Kult niederzumetzeln und auszurotten. Eva als „Baumgöttin“ kann also auch als eine der Nachfahrinnen der Aschera betrachtet werden.

Im Alten Testament ist es häufig so, dass solche Motive, wie jenes der Baumgöttinnen, die man aus den alten Traditionen kennt, in die biblischen Texte aufgenommen wurden. Damit konnten die Menschen, die ja zu Gläubigen werden sollten, an etwas anschließen, das ihnen vertraut war,

Was sagt uns die Geschichte mit dem Baum der Erkenntnis? Wenn in 1.Mose 1:26 geschrieben steht, dass Gott den Menschen nach seinem Bild erschuf, dann können wir davon ausgehen, dass damit wahrscheinlich nur das äußere Bild gemeint war. Sein Wesen, sein Wissen, seine Unsterblichkeit war damit offenbar nicht damit gemeint.

Was in dieser Sündenfallgeschichte thematisiert wird, ist nichts anderes als das Erwachsenwerden des Menschen, sozusagen das Erwachen aus der nicht selbst verschuldeten Unmündigkeit hin zum intellektuell potenten und auch moralisch handelnden Menschen. Das war im göttlichen Plan offenbar nicht vorgesehen. Eva sei Dank, die den Worten der Schlange ihr Vertrauen geschenkt hatte.

Im übrigen nannte Adam seine Frau erst nachdem sie beide die Frucht gegessen hatten, Eva (auf hebräisch „Chue”, was „lebendig“ bedeutet) und erklärt warum: „… denn sie wird Mutter aller Lebenden.” 

Die listige Schlange 

Interessant in dieser ganzen Geschichte rund um den sogenannten Sündenfall ist auch die Schlange. Warum gerade dieses Tier und wer steckte in dieser?
In der Bildersprache der Menschheit ist die Symbolik der Schlange ein Archetyp, also ein kollektives Grundmuster in sehr vielen Kulturen, wobei die Bedeutung als Symbol oder Metapher unterschiedlich sein kann. Als diese stehen sie gleichzeitig für Weisheit und Leben, Fruchtbarkeit und Regeneration oder aber auch für Tod und Sterben. Und natürlich ist sie auch ein Phallussymbol.

Anknüpfend an alten Mythen (siehe z.B. Jahi), hatte Eva keinen anderen Gefährten als die Schlange, einen lebenden Phallus, den sie sich selbst zu ihrem erotischen Vergnügen erschaffen hatte. Eine Reihe an alten Völkern sahen als ihre Ureltern eine Göttin und ihre Schlange an. Jüdische Überlieferungen aus dem 1. Jhdt.v.u.Z. sahen in Jehova eine Schlangengottheit, die die Große Mutter in ihren Garten begleitete. Sie wird in diesen Überlieferungen Eva, aber auch Nahma, Namrael oder auch Namma genannt und schenkte dem ersten Menschenpaar ganz ohne das Zutun eines Mannes, auch nicht der Schlange, das Leben. Diese Namma kommt in der Bibel auch als eine der Nachfahrinnen der Eva aus der Linie ihres ältesten Sohnes Kain vor. Bemerkenswert ist dabei, dass sie die einzige Frau in der biblischen Urgeschichte ist, die als Tochter einer anderen Person erscheint. Gewöhnlich finden nur (erstgeborene) Söhne Erwähnung. Und es fällt auch auf, dass, anders als bei ihren Brüdern, kein besonderer Grund für ihre Erwähnung genannt wird. In den Kommentaren zum Tanach des Schlomo ben Jizchak, einem bedeutenden Rabbiner des 11. und frühen 12. Jahrhunderts, erscheint Namma als Frau des Noah, deren Name in der Bibel ansonsten unbekannt ist. Da Gottvater, der seine von ihm geschaffene Menschheit gründlich satt hatte, diese mit Ausnahme der Familie des Noah ausrottete, blieb eben diese Namma als einzige fruchtbare Frau über. Das bedeutet, dass alle danach geborenen Menschen ihren Ursprung in Nammas fruchtbaren Schoß haben. Und damit sind wir wieder bei der Urmutter. Ist diese Namma die eigentliche Eva?

Zurück zu den Schlangen: Sie wurden in vielen Kulturen des Altertums als heilige bzw. Symboltiere für Göttinnen und Götter verwendet. Darüber hinaus gibt es auch Schlangengöttinnen oder solche, die sich in Schlangen verwandeln können.
Als einige Beispiele genannte seien hier die ägyptische Fruchtbarkeits- und Schicksalsgöttin Renenutet, auch die Nährschlange genannt, die die Menschen mit Korn und Milch versorgt und die Schutzgöttin von Säuglingen im Menschen- und Tierreich. Oder auch die persische Göttin Qadshu, die in ihren Händen Schlangen hält, die als Fruchtbarkeitsaspekt gedeutet werden. Und im vordynastischen Ägypten wurde die Schlangenmutter Wadjet als eine gütige und freundliche Göttin verehrt, die die Felder grünen lässt und überall Frische, Fruchtbarkeit und Wachstum gewährt.
Der Mythos von Eva geht möglicherweise auf Jahi, zurück, die in persischen Schriften als Schöpferin und Verführerin des ersten Mannes erscheint. Sie gebar die Schlange Ahriman und paarte sich dann mit ihr, was auch Lilith oder Eva mit der biblischen Schlange getan haben soll. Die jüdischen Patriarchen übernahmen wahrscheinlich von persischen Asketen die Vorstellung der Sündhaftigkeit der Frauen, die ja alle von Jahi (bzw. Eva) abstammen.
In der biblischen Schlange könnte auch die arabische Muttergöttin Achamoth stecken. 
Sie steht für das menschliche Streben nach Erkenntnis und Erleuchtung und soll ihren Geist in Form der Schlange in den Garten Eden geschickt haben, um die Menschen zu lehren, dem eifersüchtigen Gott ungehorsam zu sein.

Im Vorderen Orient stand die Schlange ganz allgemein für Weisheit und Erleuchtung, welche die tiefen Geheimnisse des Lebens verstand. Diese Vorstellung hat offensichtlich in der biblischen Geschichte überlebt. In einigen gnostizistischen Sekten werden Eva und die Schlange daher auch für das den Menschen zur Verfügung gestellte Wissen verehrt. 

Weit verbreitet ist das Motiv der Schlange am Baum. Der Baum des Lebens bzw. der Weltenbaum gehört zur Mythologie vieler Völker und ist ein altes Symbol der kosmischen Ordnung. In der Regel bevölkern mythische Tiere den Weltenbaum. Bei indogermanischen Völkern sitzt häufig ein Adler in der Krone und eine Schlange befindet sich unten am Baum. 

Wegen ihrer Häutung gilt die Schlange als Symbol der Regeneration und der Unsterblichkeit. Aufgrund ihrer phallischen Form kann die Schlange Lebenskraft, Vitalität und Heilungskraft symbolisieren.  Die Rolle der biblischen Schlange spiegelt also verschiedene Aspekte des Bedeutungsspektrums der Schlangen im Alten Orient: Sie ist einerseits mit Gefahr verbunden, andererseits mit der Frage nach dem ewigen Leben, dem Wissen um Weisheit und schließlich auch mit Sexualität, die im Alten Testament mit dem Verb „(sich) erkennen“ (ידע jd‘) umschrieben wird. Denn nach der Vertreibung aus dem Paradies „erkannten“ sich Eva und Adam ja, was eine Umschreibung dafür ist, dass sie einander sexuell begegneten. Was schließlich zu Schwangerschaft, Geburt und dem Beginn des Menschengeschlechts führte. Daher wird Eva ja auch „Mutter aller Menschen“ oder „Mutter alles Lebens“ genannt.

Aber die Schlange war nicht nur ein Tier, es wird in sie viel mehr hinein interpretiert. Allen voran natürlich soll natürlich der Gegenspieler Gottes, der Teufel, auch Satan genannt, in die Schlangengestalt geschlüpft sein, um Eva zu „verführen“. 

Oft wird in der Schlange auch die in den Apokryphen erwähnte Lilith vermutet, die erste Frau Adams, die gleichzeitig mit ihm erschaffen wurde und sich dem Mann nicht unterwerfen wollte. (Die Apokryphen sind Schriften, die nicht in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen wurden). Wir finden sie aber auch im Alten Testament im Buch Jesaja (Jesaya 34, 14) bei der Verwüstung Edoms: „Auf den Ruinen hausten Tiere und andere Wesen, auch Lilith. Da treffen Wüstentiere mit wilden Hunden zusammen, und Bocksdämonen begegnen einander. Ja, dort rastet die Lilith und findet einen Ruheplatz für sich.“ 

War Lilith die Schlange? Dazu folgendes Gedankenexperiment:
Dem Mythos von Lilith nach bestand sie auf Gleichberechtigung mit Adam, da sie gleichzeitig und gleichberechtigt geschaffen waren. Was darauf hinweist, dass sie jene Frau ist, die im älteren Schöpfungsbericht vorkommt. Lilith stellte nicht nur die Überlegenheit des Mannes in Frage, sondern auch jene von Gottvater. Denn ihre Wurzeln liegen in viel älteren Göttinnen dieses Kulturraumes. Ihr Credo lag darin, dass keine Frau auf die Macht von außen angewiesen sei und sich dieser unterordnen sollte. Schließlich wurde ihr das ganze Spiel des mächtigen Gottes und des über ihr stehenden Mannes zu dumm, sie ließ sich Flügel wachsen und floh über das Rote Meer. Dabei soll sie Gott einen Teil seiner Macht gestohlen haben. 

Gottvater schuf daraufhin eine weitere Frau, eine, die brav und gefügig sein sollte. So will es uns die volkstümlich erzählte Geschichte mit der Rippe ja weismachen. Doch in schwesterlicher Verbundenheit und Frauensolidarität kehrte Lilith zurück und erinnerte in ihrer Schlangenform Eva an ihre Eigenmacht.
Und sie führte Eva vor Augen, dass Gottvater Adam angelogen hat. Er bedrohte diesen ja mit dem „sobaldigen Tod“, sollte er von den Früchten des Baumes der Erkenntnis essen. Was ja nicht gestimmt hat.
Steckt Lilith also in der „listige“ Schlange, als eine, die Gottvater schon lange durchschaut hat und die Menschen dazu anregen wollte, sich in die Unabhängigkeit zu begeben? Zumindest ein interessanter Gedanke. 

Es bleibt auch die Frage, warum Gott, wenn er doch alle Tiere erschaffen hatte, auch besonders schlaue (=listige) kreiert hat. Sie hätten ja alle unschuldig einfältig sein können. Was sie vielleicht auch waren und was darauf hinweist, dass die Schlange gar nicht ein von Gott geschaffenes Tier war, sondern ein Wesen, das sich außerhalb seines Einflussbereiches entwickelt hat.
Letztendlich verfluchte Gott alle: Adam und Eva und auch die Schlange: „Verflucht seist du, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Erde fressen“ (1.Mose 3,14).

Doch was, so kann man fragen, soll an dieser Strafe schlimm sein? Eine Schlange schlängelt sich halt auf dem Erdboden. Die biblische Geschichte regt die Phantasie an: Ist die Schlange früher etwa nicht gekrochen? Hatte sie einst wie die anderen „Tiere des Feldes“ Beine, ist aufrecht gegangen?
Unzweifelhaft war sie mit Klugheit begabt und fähig zu sprechen.

Die Schlange finden wir übrigens viel später wieder bei Maria wieder. Es gibt zahlreiche Bildnisse, auf denen Maria auf einer Schlange steht. Meist heißt es dann zwar, dass sie diese zertritt. Doch die Bilder sprechen eine ganz andere Sprache. Hier zeigt sich Maria gut ge­erdet, denn die Schlangenkraft ist auch immer ein Symbol für die Erdkraft. (Mehr dazu in diesem Blogbeitrag)

Eva – eng verbunden mit Leben und Tod

Wie ist Eva jenseits der biblischen Geschichte einzuordnen?
Sie ist eine Urmutter, wie es in anderen Mythen zahlreiche Göttinnen gibt, aus denen die ganze Menschheit hervorgegangen ist. Eng mit ihr verbunden ist jedoch nicht nur das Leben, sondern auch der Tod. Denn schließlich ist sie ja tatsächlich auch irgendwann gestorben. Was vielleicht nicht der Fall gewesen wäre, hätte sie ewig mit Adam in Unschuld und Unwissenheit im Garten Eden weitergelebt.

Das enge Band zwischen Leben und Tod verbindet sie mit den großen Göttinnen anderer Mythologien, allen voran mit ihrer Ahnin der Kali Jaganmātā. Wie diese gebar sie sowohl Leben wie Tod. Denn die Frau, bzw. die Göttin, die Leben schenkt, bringt damit gleichzeitig auch den Tod in die Welt. Denn was nicht geboren ist, kann auch nicht sterben. Das ist der Preis des Lebens.
Im apokryphen Buch Jesus Sirach ist zu lesen, dass alles Böse mit der Frau (Eva) begonnen hat, denn „Ihretwegen sterben wir alle“. Dass wir ihretwegen auch alle geboren werden, ist dabei offenbar nebensächlich.
Und ein Kirchenkonzil verkündete im Jahr 418 n.u.Z., dass es Häresie sei, den Tod als natürliche Notwendigkeit zu betrachten, vielmehr wäre dieser als Folge von Evas Ungehorsam anzusehen. Das steigerte ich dann in eine die gesamte westliche Zivilisation durchziehende Ansicht, nach der die Frau(en) mit dem Tod gleichzusetzen wären. Die entgegenwirkende Kraft für die Geburt wurde ihr aber aberkannt, weil die Erschaffung des Lebens der alleinige Verdienst des Vatergottes sei.
Bis heute haben sich die Theologen übrigens noch nicht mit der Frage befasst, wer Schuld am Tod von Pflanzen und Tieren ist.

Hinter der verkümmerten und schuldbeladenen Eva der jüdisch-christlichen Geschichte finden wir in ihr eine der mächtigen Schöpfungsgöttinnen, deren Wurzeln in ihren mythologischen Ahninnen, den Stammesgöttinnen des Alten Orients liegen.
Auf jeden Fall ist sie ohne Zweifel die bekannteste mythische Mutter der Menschheit. 

Wissenschaftliche Beweise deuten darauf hin, dass wir alle von einer Frau abstammen, die als „mitochondriale Eva” bezeichnet wird. Dies ist ein Begriff aus der Archäogenetik und bezeichnet eine Frau, aus deren mitochondrialer DNA (mtDNA) die mitochondriale DNA aller heute lebenden Menschen durch eine direkte Abstammungslinie hervorgegangen ist.
Also so eine „Eva” hat es tatsächlich gegeben.

Die Geschichte der biblischen Eva ist allerdings die Geschichte der Verdrängung der Muttergöttin durch den Vatergott.
Sowohl Evas Name Hawwah als auch Yahwehs Name stammen von einer Form des hebräischen Verbs „sein“, was auf eine gemeinsame Ableitung hinweist.

Die Bedeutung ihres Namens „Leben“ oder „Sie, die Leben gibt“ ist einer Großen Muttergöttin würdig und steht natürlich in großer Konkurrenz zu einem männlichen Gott, der es später ja nicht einmal geschafft hat, einen Sohn eigenständig in die Welt zu setzen und dazu auch eine Frau, eine der vielen Ur-ur-ur-Enkeltöchter Evas, nämlich Maria gebraucht hat.

Und natürlich musste am Ausgangspunkt dreier patriarchalen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) die Figur der Eva entmythologisiert und von einer großen Muttergöttin zur Menschenfrau herabgestuft werden.

Bleibt die Frage, welche Berechtigung Gott überhaupt hätte, wenn Eva die ganze Story nicht durch den sogenannten „Sündenfall“ ins Rollen gebracht hätte. Die Existenz aller drei patriarchalen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) sind von dem tradierten Eva-Mythos abhängig. Ohne ihr Tun gäbe es keine Sünde, kein Verdammnis, keinen rächenden und schließlich auch verzeihenden Gott. Alles wäre Frieden, Freude, Eierkuchen und wer hätte in dieser Welt das Bedürfnis nach einem Erlöser, auf den sich ja das Christentum bezieht? Damit wäre der ganzen christlichen Theologie der Boden entzogen.

Eva – die Schutzheilige der SchneiderInnen

Im katholischen Heiligenkalender hat Eva gemeinsam mit Adam auch einen „Feiertag”. Es ist dies der 24. Dezember. Das wirkt vielleicht erstaunlich, soll aber darauf hinweisen, dass der in der darauffolgenden Nacht geborene Heiland ein neues Zeitalter einleitet und die Menschheit von der „Ursünde”, die im christlichen Glauben durch Eva und die Schlange in die Welt gekommen ist, wieder aufhebt.
Adam und Eva also zur besseren Verdeutlichung nochmals am Vorabend der Zeitenwende. 

Alle anderen Namen, die wir an den einzelnen Tagen des katholischen Kalenders finden, sind jene von Heiligen, die zum einen ein christliches Leben geführt haben und sich darüber hinaus durch ein besonderes Martyrium für den christlichen Glauben oder ein Wunder ihre Heiligkeit erworben haben. 

Warum haben Eva und Adam aber den Einzug in diesen Heiligenkalender geschafft? Nun, ein christliches Leben haben sie sicherlich nicht geführt, weil vom Christentum war noch lange nicht die Rede. Ob das Martyrium der Paradiesvertreibung oder das Wunder, dass sie die gesamte Menschheit erschaffen haben, sie berechtigt, einen eigenen Feiertag zu haben, sei dahingestellt. Heilig gesprochen wurden sie bislang beide nicht. 

Nach der katholischen Glaubenslehre haben die Heiligen alle auch für irgend etwas bestimmtes die „Patronanz” über, sind gerne auch Schutzheilige für Berufsgruppen, damit diese wissen, an wen sie sich im Bedarfsfall für Fürbitten und Beistand wenden können. Da machen auch die Ureltern der Menschheit keine Ausnahme. Und so ist Adam der Patron der Gärtner, weil er ja den Garten Eden bewirtschaftet hat und Eva ist für die SchneiderInnen zuständig, weil sie darum bemüht war, ihre Nacktheit nach dem Sündenfall zu bedecken.

auch: Heva, Isha, Hawwah, Chue, Jiva, Ieva, Nahma, Namrael, Namma

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